Vor einiger Zeit habe ich in einem Text geschrieben, der ehemalige Gault Millau – Chefredakteur Manfred Kohnke, der nun leider im Alter von 83 Jahren verstorben ist, sei „gleichzeitig mein bester Freund und mein bester Feind“ gewesen. Das muss man ein wenig erläutern, und man muss gleichzeitig versuchen, die teilweise sehr extremen Lager, die er ohne Zweifel mit seiner Arbeit erzeugt hat, vielleicht ein wenig näher zusammenzubringen. Wie auch andere Pioniere seiner Zunft hat er viel Wirkung erzielt. Das bringen solche Positionen mit sich. Wie viele andere Pioniere konnte er miterleben, wie seine Positionen im Zusammenhang mit der Entwicklung des Faches in die Diskussionen gerieten.
Manfred Kohnke hat meine Arbeit bei der FAZ früh bemerkt und mit sehr viel Wohlwollen begleitet – was bei ihm nie in irgendeinen Schwulst ausartete. Er hat immer wieder einmal geschrieben, auf Dinge aufmerksam gemacht oder meine Meinung erfragt. Wir haben uns früh getroffen, und er hat mich auch einmal früh zu einer runden Geburtstagsfeier in die „Schwarzwaldstube“ eingeladen, einem aus heutiger Sicht legendären Fest mit einer legendären Versammlung von Leuten, von denen Kohnke dann sagte, er habe nur Leute eingeladen, die sich nichts mehr beweisen müssen. So weit, so cool. Etwas später hat er mir dann einen eigenen Gault Millau-Bezirk angeboten. Ich habe das wegen der Arbeitsbelastung bei der FAZ abgelehnt.
Im Laufe der Zeit sind wir dann wegen einiger Dinge mächtig aneinander geraten, weil wir – sagen wir es so: teilweise sehr kontroverse Ansichten über die Restaurantkritik insgesamt hatten. Was merkwürdigerweise immer geblieben ist, ist eine Art von stiller, nicht zelebrierter oder inszenierter Freundschaft, die irgendwie etwas mit einem nicht unähnlichen kulturell-intellektuellen Hintergrund zu tun hatte. Man konnte sich immer vorstellen, dass man sich trifft und einen interessanten Abend verbringt. Dazu ist es dann doch nicht mehr gekommen. Immerhin haben wir gemeinsame Freunde aus der Spitze der deutschen Gastronomie regelmäßig nach seinem Befinden gefragt, gute Wünsche ausrichten lassen und gute Wünsche von ihm ausgerichtet bekommen.
Genußmensch Kohnke war ein publizistischer Profi und wußte, wie man Meinungen macht und mit ihnen spielt. Meine Diskussionen mit ihm waren immer sehr munter, und er war dabei immer von einem „gesunden Menschenverstand“ geprägt. Das Problem war allerdings, dass man – gerade im Kulinarischen – unter „gesundem Menschenverstand“ sehr verschiedene Dinge verstehen kann. Im Nachhinein hätte man – das ist immer das, was man sagen muss, und es ist nicht gut so – frühzeitig das verlängern sollen, was Hermann Bareiss mit seinen „Mitteltaler Gesprächen“ einmal gemacht hat: einmal im Jahr ein Treffen der wichtigsten Kritiker mit diversen Podiumsdiskussionen usw. Unterschiedliche Meinungen sind ganz klar etwas, dass entstehen muss und für eine belebte Diskussion sorgt. Im kulinarischen Bereich hätte man gemeinsam früher klar machen müssen, dass unterschiedliche Meinungen erst dann ihre ganze, belebenden Wirkung entfalten, wenn die Grundlagen an Denken und Wissen so gut wie möglich optimiert werden. Zuletzt hatte er sich noch wegen der auch von ihm als völlig bizarr und unhaltbar betrachteten Wissler-Abwertung durch den Guide Michelin gemeldet und angemerkt, er sei gespannt, wie ich da jetzt reagieren werde. In solchen Fällen braucht man sich nicht über Details austauschen und keine gemeinsamen Strategien entwickeln. Da war die gemeinsame Basis, ein jahrzehntelanges Begleiten unserer besten Köche und selbstverständlich das Vertrauen darin, dass man reagiert.
Lieber Manfred Kohnke, ich denke eigentlich immer positiv an Sie zurück, trotz der diversen Verschiedenheiten. Vielleicht hätten wir noch ein Gespräch in Buchform führen sollen. Sie wären dem sicher nicht – wie das Siebeck einmal gemacht hat – aus dem Weg gegangen. Es wäre munter und spannend geworden.
Da ich das Privileg genieße, oft und viel reisen zu müssen und zu dürfen, genieße ich oft auch gute Restaurants und gerade in München, Baiersbronn und im Rheinland ist mir Herr Kohnke mehrfach bei Restaurantbesuchen begegnet! Besonders diskret ist er mit seiner Person nie umgegangen, dass Inkognito war nicht so seine Sache! In den Südtiroler Suben zu München und auch zuvor im Kurhausstüberl in Waging, habe ich auch erlebt dass einer seiner „Spezl’n ihm schon mal während des Essens eine Nackenmassage verpasste! Ich habe mich auch schon öfter mit Gastronomen über diesen Führer und den Herrn gesprochen, besonders positiv waren immer nur die auf ihn gestimmt, die durch seine Bewertungen immer etwas höher ind besser eingestuft wurden, als in der knallroten Konkurrenz!
Unter dem Strich muss man sagen, er war sicher einer der um die Erneuerung der deutschen Gastronomie extrem bemühten Journalisten, zweifellos aber auch einer, der die Küche immer etwas mehr über intellektualisiert hat, als es eigentlich notwendig und sinnvoll gewesen wäre! Er hat oft die Köche abgestraft, welche nie mehr als herausragende Handwerker und keine wirklichen Künstler sein wollten oder konnten und das ging meiner Meinung nach oft einfach zu weit! Zudem waren seine Bewertungen oft von persönlichen Ab- oder Zuneigungen geprägt, alles andere als korrekt! Auch seine Patenschaft beim Kind eines Schwarzwälder Gastronomen war in meinen Augen alles andere als seriös und zu hinterfragen! Etwas mehr Distanz täte da schon gut!!
Wer heute also meint über Herrn Kohnke eine Nachruf schreiben zu müssen, dem sei das unbenommen, dass aber bleibt allerdings auch unbenommen! Ruhe in Frieden…..
Lieber M.K., vielen Dank für den Beitrag. Im Rahmen der Vorbereitungen zu dem Nachruf habe ich auch eine Art GM-Analyse verfasst, die sehr kritisch ist. Ich werde das Material später verwenden. Als Nachruf für einen gerade gestorbenen Menschen wollte ich keine Abrechnung o.ä. schreiben, sondern eher den persönlichen Umgang erinnern.
Gruß JD
….nach kurzer Zeit des Nachdenkens kann ich das so nehmen,… der fade Beigeschmack bleibt! Gruß MK
Nun ja, ich verbinde insbesondere zwei Erinnerungen mit diesem Journalisten. Zum einen die Abwertungen des düsseldorfer Schiffchens, weil Monsieur Bourgueil zugegeben hatte, Glutamat zu verwenden und das ein oder zwei Jahre später folgende Grußwort zum ersten Kochbuch von Tim Raue, der damals vor allem auf Saucen von Lee Kum Kee setzte, die vor MSG nur so strotzen. Und natürlich die Rezension zum Restaurant Bareiss mit dem Kommentar „Zum Blumenschmuck ist zu bemerken, dass er früher altreich wirkte“. Danach schaffte ich es nicht mehr, den Gault Millau ernst zu nehmen, sondern hatte den Guide in der Kategorie toxischer feuilletonistischer Sondermüll eingeordnet, der sich einen Jux daraus macht, Köche mit 16-Stunden Tagen zu verhöhnen. Chavun à son goût….
Chacun, natürlich…
Manfred Kohnke kannte ich seit 1983, er war ein großartiger Journalist der immer wieder seine meinung sagte ohne rücksicht auf schläge. man musste nicht immer mit seine entscheidung einverstanden sein sber er war ein förderer der Deutsche Gastronomie.
ich liebte sein arbeit und der Mensch!