Yoshihiro Imai: Monk. Light and Shadow on the Philosopher’s Path. Phaidon Press, London und New York 2021. 240 S., Hardcover, ca. 36 Euro (in englischer Sprache)

Hier ein ganz besonderes Fundstück von Buch, das nicht nur ganz neu ist, sondern auch direkt in englischer Sprache vorliegt und Online ohne Schwierigkeiten zu bekommen ist. Es ist das Buch eines japanischen Kochs aus Kyoto (der „Philosopher’s Path“ liegt in Kyoto), und handelt von seinem Restaurant „Monk“. Dieses Restaurant gibt es seit 2015, es ist mit 14 Plätzen so klein wie eine ganze Reihe der weltberühmten Sushi-Bars in Japan und handelt von einer Küche, die man entweder als „Missing Link“ bezeichnen kann oder als sehr, sehr ungewöhnlich. Erst einmal aber muss man es ganz wunderbar finden, dass ein Buch wie dieses zustande gekommen ist, dass ein winziges Restaurant in Japan, bei dem das siebengängige Degustationsmenü 10.000 Yen (also rund 75 Euro) kostet und dessen Koch keineswegs durch ganze Batterien internationaler Spitzenküchen gewandert ist, so früh bereits weltweit verfügbar ist.

Dazu kommt dann auch noch, dass der Stil dieser Küche wirklich sehr speziell ist. Yoshihiro Imai berichtet im Buch davon, dass er, der eigentlich gar nicht Koch werden wollte, sondern erst einmal im Hotel-Business gelandet war, bei einem Spaziergang durch die Wälder in der Nähe von Kyoto eine Art Erweckungserlebnis gehabt habe. Er habe plötzlich die Idee gehabt, dass das Kochen ein Medium ist, in dem er sich persönlich ausdrücken kann – ganz ähnlich wie in Kunst oder Musik. Und weil er dann im weiteren Verlauf seiner Annäherung an die Kochkunst auch mit einer Pizzeria zu tun hatte, und weil er einige etwas unglücklich verlaufende Versuche machte, in René Redzepis „Noma“ unterzukommen, hat sich bei ihm eine Küche entwickelt, die man – bitte halten Sie sich fest – als eine Mischung aus Noma, Pizzeria, japanischen und spanischen Grilltraditionen und Nova Regio-Küche beschreiben könnte.

Das Buch
Vor diesem Horizont ist klar, dass sich im Buch ausgesprochen viel Originelles findet. Die Inszenierung ist dabei sehr geschmackvoll und nicht pompös, auf leicht rauem Papier, mit viel dunklen Farben und ohne jeden Personenkult. Das Vorwort seines ebenfalls in Kyoto kochenden, international bekannten Kollegen Hisao Nakahigashi endet mit dem Satz: „Es gibt ein buddhistisches Sprichwort, das lautet: ‚Die, die eine einzelne Ecke erleuchten, erleuchten tausend andere‘ Das ist für mich das ‚Monk‘. Und in Richtung ‚Monk‘ schreie ich mit meiner ganzen Existenz‘ Bravo!, Bravo!“

Es folgt ein autobiographisches Kapitel von Yoshihiro Imai mit dem Titel „Finding the Path“, das – siehe oben – zu den interessantesten Stories gehört, die ich je gelesen habe, zumindest unter dem Aspekt, wie man und in welcher eigentlich explosiven Geschwindigkeit zu einem hochkreativen Koch wird. Es gibt darin auch etwas über das Restaurant und vor allem über Feuer und Ofen, das dominierende Element in dieser Küche. Ab Seite 29 gibt es dann die Rezeptbilder, die durch weitere atmosphärische Bilder und diverse kleine Texte zu kulinarischen und gastronomischen Texten unterbrochen werden. Die Bilder zeigen, dass man auch einen Vergleich zu Kobe Desramaults ziehen könnte, dem belgischen Bio-Feuer-Natur-Minimalisten, der ebenfalls so gut wie nie irgendwelche Klischees ansteuern wollte, sondern eine ganz eigene Note gefunden hat. Die eigentlichen Rezepte finden sich dann am Ende des Buches.

Die Bilder zeigen pure Nova Regio-Küche, allerdings in einer japanisch inspirierten Variante, also mit einem differenzierten Produktverständnis das durch eine gleichzeitig europäisch wie japanisch wirkende Sensorik erheblich an Struktur gewinnt. Man trifft auf die erste Pizza und weiß sofort, dass man so etwas dringend probieren müsste, dass hier Teig und Röstnoten anders eingesetzt sind, nämlich sehr viel subtiler und als festen Bestandteil einer hochdifferenzierten Komposition. Die Pizza wird also vor allem als eine produktgebundene Kochtechnik eingesetzt. Die Verbindung zum populären italienischen Geschmacksbild schaffen dann bisweilen Parmesan und Mozzarella, die hier für eine ganz ungewöhnliche Fusion sorgen. Imai schafft es immer wieder, feinste Strukturen und die ja eigentlich rustikale Kochtechnik zu verbinden und kommt dann natürlich zu vielen, ungewöhnlichen Ergebnissen.

Sein „Tintenfisch mit Erbsen und Wasabi-Blüten“ ist von diesen Blüten her definiert. Das „Roastbeef mit Kirschblüten“ hat erst einmal eine deutlich andere Garung mit einer sehr kräftigen Röstkruste, die sodann mit jungen Kirschzweigen und Blättern minimalistisch weitergeführt wird. Die Garung für das Fleisch findet ganz am Rande des Pizzaofens statt und dauert im Kern 1 Stunde. Dabei wird vor allem der große Unterschied zwischen Ober- und Unterhitze an dieser Stelle genutzt: während die Oberseite weiter röstet, ruht die Unterseite des Fleisches… Immer wieder vermitteln schon die Bilder einen Geschmack, der wegen der Originalität der lokalen Produkte und der offensichtlich ganz unterschiedlich wirkenden Flammen einen deutlich anderen Geschmack verheißt. Imai beleuchtet – um an das Vorwort anzuknüpfen – eine Ecke, schafft dadurch aber ein so komplex anderes System von Natur und archaischen Aromen und modernem Verständnis, dass er eben sozusagen die ganze Kochkunst beleuchtet. “Oktopus, Rote Shiso-Kresse und rote Zwiebeln“, heißt es da, es gibt „Manganji-Pfeffer mit Blüten von Okra“, eine „Hachimati-Forelle (die offensichtlich eine andere Fettstruktur hat) mit Sauerampfer und Kuromoji (einem Holz, das etwas an Rosenholz erinnert), oder „Ente, Daikon und Shiso-Samen“. Die Produkte dieser Region stehen bei uns natürlich nicht zur Verfügung, aber der Transfer, die Erkenntnis, dass man sich auch bei uns sämtlichen Produkten noch einmal ganz anders nähern könnte, stellt sich schnell und zuverlässig ein. Auch da erleuchtet Imai eben vieles andere und nicht nur seine Ecke.

Fazit
Ein Buch, das fast auf jeder Seite Input ins System gibt, ist natürlich eine große Bereicherung der Kochkunst. Vielleicht ist es wie mit manchen jungen, kreativen Popgruppen (vor allem in England konnte man das jahrzehntelang beobachten), die sehr sensibel sind und viele Ideen haben, aber noch nicht den vorauseilenden Gehorsam, die Kenntnis von allem möglichen, der sie dazu bringt, Ecken und Kanten abzuschleifen. Vielleicht muss man deshalb auch schnell und früh ein Buch von diesem Koch herausbringen, um das kreative Momentum nicht zu verpassen.

Keine Frage, das Buch ist für Kreative ein Muss und eine Überraschung und eine Bereicherung allererster Güte.

Das Buch bekommt drei grüne BBB

Fotos © Phaidon / Yuka Yanazume

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