Dass Sebastian Frank und Andreas Rieger vom „Einsunternull“ gerade gestern einen Auftritt beim renommierten Madrid-Fusion-Kongress hatten, hatte ich an dieser Stelle bereits berichtet. Dass Frank von den Organisatoren nun auch noch eine höchst interessante Extra-Ehrung bekommen hat, ist nicht nur schön, sondern auch sensationell. Und sehr gut für das Renommee der deutschen Küche. Für Frank wird das bedeuten, dass sich in der nächsten Zeit vor allem auch viele internationale Kollegen die Klinke in seinem so wunderbar entspannten Restaurant in Berlin-Kreuzberg in die Hand geben werden. Sein Name wird durch eine solche Ehrung nicht nur in Europa, sondern weltweit gehandelt werden. Das ist ein Pfund.
Sebastian Frank hat ein klares, auch international beachtliches kulinarisches Profil
Man kann auf internationaler Ebene nur dann wirklich Aufmerksamkeit erregen, wenn man sich von anderen Köchen unterscheidet. Das klingt banal, ist aber ein Punkt, den viele deutsche Köche kaum bedienen können. Die reisenden Gourmets aus aller Welt wollen etwas bekommen, das sie sonst nirgendwo bekommen, und es soll etwas mit dem Land und der Region zu tun haben. Ein internationaler Mischstil, wie er bei uns häufig vorkommt – also ohne erkennbare Zusammenhänge mit regionalen Produkten und Traditionen – kann so gut sein, wie er will: international werden es heutzutage Küchen ohne Bodenhaftung immer schwer haben.
Mit seinem strikten Bezug zu einfachen, meist regionalen Produkten und der enormen Aufwertung häuslicher Küchentraditionen aus der eigenen Biographie (z.B. „Nelkenschwindlinge, Suppenfettschaum, Schinkenkaramell“) schafft Frank ein kulinarisches Profil, das unverkennbar und in ganz besonderem Maße authentisch ist.
Sebastian Franks Küche ist Kochkunst in einem ursprünglichen Sinn
Der amerikanische Großmeister Thomas Keller hat einmal gesagt, dass das Erhitzen von Fleisch oder Fisch noch keine Kochkunst sei. Er meinte damit die Tendenz der Spitzenküche, sich die allerbesten Produkte zu besorgen und dann nicht mehr viel mehr zu machen, als sie gut zu garen. Man kann Kochkunst aber auch so verstehen, dass sie dann besonders gut wird, wenn ein überragender Koch zeigt, was man auch mit ganz normalen Produkten alles anstellen kann. Franks „Klassiker“, „Sellerie ‚reif und jung’“ ist so ein Fall, bei dem am alltäglichen Produkt, mit großem Erfindungsreichtum und ganz nah am Produkt selber Exzellentes und gleichzeitig Modernes entsteht. Hier öffnet ein Koch den Blick auf scheinbar Altbekanntes und zeigt uns, wie groß kulinarisches Potential sein kann. Ähnliches gilt für seine jahreszeitlich variierenden Rohkostteller, mit denen er darauf zu bestehen scheint, dass alle Gemüsesorten in geradezu puristischer Form für exzellente Küche geeignet sind. Realisiert wird dies mit vielen avantgardistischen Techniken (z.B. Slushy von rohem Gemüse, Kürbistrester, Pilz-Mandel-Wasser zu „Winter Rohkost“) und einem hochmodernen Verständnis – nicht um diese Techniken zu demonstrieren, sondern weil man moderne Techniken braucht, um wirklich große Kochkunst im eigentlichen Sinne zu realisieren.
Bei Sebastian Frank schmeckt es neuartig, aber gut
Neulich fragte mich mein Neffe, ob es denn im „Noma“ auch gut schmecken würde. Er hatte den „Noma“-Film gesehen und fragte sich, ob ihm das überhaupt gefallen könnte. Die Frage ist berechtigt, weil es im Noma oft um andere Dinge als um den üblichen „guten“ Geschmack geht. Sebastian Frank hat einen Weg gefunden, auch modernste Gerichte so zu gestalten, dass sie im üblichen Sinne sehr gut schmecken. So etwas ist enorm wichtig, wenn man sich nicht mit einem extremen Publikum weit in den künstlerischen Bereich absetzen, sondern mitten in der Gesellschaft bleiben will. So gesehen passt auch der Geschmack zum „down to earth“-Ansatz dieser Küche. Man staunt, was hier gemacht wird, erkennt aber immer Zweck und nicht Selbstzweck. Und wenn dann – wie bei seiner hervorragenden Goldforelle – auch noch eine extreme Finesse hinzukommt, hat man eben eine dieser seltenen, internationalen Großmeister-Küchen, die absolut jeden Vergleich aushalten.
Sebastian Franks Küche hat eine hohe assoziative Ladung
Die Wirkung einer Küche hat oft eine Menge mit ihrer assoziativen Ladung zu tun, also dem, was die Esser an Vorerfahrungen und Erlebnissen aller Art mit ihr verbinden können. Wenn Frank typische Elemente aus den Küchen seiner Mutter oder Großmutter aufgreift, stellt er einen Bezug zu Dingen her, die auch viele seiner Gäste kennen. Natürlich haben auch einfache Produkte der täglichen Ernährung diese Funktion und ganz allgemein Geschmacksbilder, die man in kulinarischen Traditionen aller Art wiederfindet. Wenn man zum Vergleich unter diesen Aspekten Küchen betrachtet, die sich eines bunten Produktreigens aus aller Welt bedienen oder viele Produkte einsetzen, die kaum ein Gast kennt, wird klar, wie groß hier der Unterschied ist. Zum Ansatz der Nova-Regio-Küche (also einer Küche, die eine Neuinterpretation regionaler Ressourcen/Traditionen mit zeitgenössischer/avantgardistischer Kochkunst verbindet) gehört unbedingt immer auch ein intensives Spiel mit diesem assoziativen Kontext. Ja, man kennt die Produkte und Aromen aus der eigenen Tradition, und – nein – man hat sie noch nie in einer solchen Form gegessen. Die Authentizität und enge Verbindung zum Gast, die auf diese Weise entstehen, ist heute weltweit gesehen ein ganz wichtiger Punkt.
Nachbemerkung
Und wieder einmal wird die deutsche Küchenherrlichkeit von einem Koch befruchtet, der nicht aus Deutschland stammt… Macht nichts, auch das hat bei uns Tradition – Eckart Witzigmann, Heinz Winkler und viele andere lassen grüßen.