Virgilio Martínez: Central. Phaidon Verlag, London und New York 2016. 256 Seiten, gebunden, geprägter Umschlag, 35,99 Euro (Amazon). In englischer Sprache.
Information
Virgilio Martinez ist der profilierteste der südamerikanischen Köche. Mit seinem Restaurant „Central“ in Lima, Peru, belegt er in der aktuellen Liste der World’s 50 Best Restaurants (2017) Platz fünf, nach Platz vier im Vorjahr. Der 1977 geborene Koch begann zuerst ein Jurastudium, brach aber nach drei Jahren ab und wurde Koch. Seine Ausbildung ist ausgesprochen international. Er kochte z.B. in Singapur, New York, bei „Astrid y Gastón“ in Madrid und bei Drei-Sterne-Koch Santi Santamaria im „Can Fabes“ in Sant Celoni, Spanien. Vor der Eröffnung des „Central“ machte er eine Studienreise durch ganz Peru. Martínez verarbeitet ausschließlich peruanische Produkte, darunter eine Unmenge an Kartoffel- und Maissorten. Im Jahr 2014 war Martínez Teilnehmer des Chefsache-Kongresses in Köln und kochte am Vortag gemeinsam mit Drei-Sterne-Koch Joachim Wissler im „Vendôme“ ein Menü.
Das Buch
„Central“ ist wegen der ungemein konsequenten Nova-Regio-Ausrichtung eines der faszinierendsten Kochbücher der letzten Jahre – auch wenn der Geschmack der Gerichte und der verwendeten Produkte „aus der Ferne“ schwer nachvollziehbar und die Rezepte – logischerweise – bei uns wegen der fremden Produkte nicht nachkochbar sind. Dieses Fazit muss man bei der Einordnung des Buches vorziehen. Die Qualität beruht vor allem auf einem Ansatz, der fast alles hinter sich lässt, was bisher von Spitzenköchen an regionalen Bezügen präsentiert wurde. Die Gliederung des Buches bezieht sich auf die nach Höhen definierten Regionen Perus, die auch Basis für sein Degustationsmenü „Menu de alturas“ ist. Mit schönen, durch das leicht graubraune Papier ästhetisch angenehm unterlegten Fotos werden die Landschaft und die von ihren Produkten inspirierten Gerichte vorgestellt. Die Kreationen sehen dabei oft wie „aus der Natur geschnitten“ aus, also wie der Blick auf ein Stück Boden mit Steinen und Pflanzen, oder so naturnah weiterverarbeitet, dass man bisweilen kaum unterscheiden kann, was Zubereitung und was Hintergrund ist. Diese in der Nova-Regio-Küche durchaus verbreitete Verfahren wird bei Martinez besonders schlüssig angewendet. Ein Beispiel: Es gibt ein Gericht namens „Muscheln in der Wüste“, das sich auf „das Ökosystem“ entlang einer Straße südlich von Lima bezieht, „einer Straße von Sanddünen, die so leer sind, dass der Geruch des Meeres und ab und zu ein Kaktus das einzige Lebenszeichen sind, das man registrieren kann“. Kochtechnisch verfügt Martínez über die State-of-the-Art-Kenntnisse der Avantgarde, die er souverän und in oft eher minimalistischen Kompositionen einsetzt. Die Vielfalt der Techniken ist erheblich und zeigt Martínez auch als einen Meister moderner Kochtechnik. Dass er ein besonders gutes Verhältnis zu Super-Techniker Joachim Wissler entwickelt hat, ist da kein Wunder. Es wird vollständig klar, dass die avantgardistische Nova-Regio-Küche einen Typus von Koch braucht, der über ein möglichst großes Instrumentarium von Techniken verfügt, um buchstäblich alle essbaren Materialien in kulinarisch attraktive Gerichte zu verwandeln. Und so gibt es „Fisch aus Höhengewässern“ mit Kokablättern und Algen, „Früchte, Samen und Schokolade“, die aussehen wie der Blick auf eine grobkörnige Mischung aus Steinchen und Sand, „Blätter aus den Andentälern“, ein vielfältiger Mix aus allem, was dort wächst – verbunden mit Kaktusgel und Öl aus seltenen Samen. Manchmal wird auch nur ein Detail demonstriert, wie etwa eine Yuca-Stärke, dann wieder gibt es etwas zur Bewusstmachung von Zusammenhängen – etwa wenn eine Jakobsmuschelzubereitung auf einer fossilen, also versteinerten Muschel serviert wird oder wenn Alpaca-Fleisch mit dem serviert wird, was das Tier frisst. Die Faszination für diesen konsequent entwickelten Ansatz hält sich das ganze Buch lang – bis hin zu dem ausführlichen Glossar, das den Nicht-Peruanern die Produkte des Landes so gut wie möglich erklärt (unter anderem durch Verwendung der lateinischen Bezeichnungen für die Pflanzen etc.).
Fazit: „Central“ von Virgilio Martínez gehört in die Reihe der ganz großen Bücher der Avantgarde – mindestens auf dem Niveau der Bücher von René Redzepi, Magnus Nilsson oder auch Stefan Wiesner. Es ist ausgesprochen inspirierend und lehrreich und kann für interessierte Köche eine wichtige Schule sein. Wer glaubt, in Deutschland gäbe es eben keine Natur wie in Peru oder nordischen Gefilden, wird hier die Gedanken finden, die man braucht, um buchstäblich vor der eigenen Haustür mit der Suche nach den Ausgangsmaterialien zu beginnen. Mittlerweile hat Martínez mit weiteren Restaurants übrigens auch nachgewiesen, dass man diesen Ansatz durchaus popularisieren kann, also in Gerichten verwenden kann, die in der Lage sind, ein größeres Publikum zu erreichen.
Ein großartiges Buch, das in jede gute kulinarische Bibliothek gehört.
Bewertung: BBB
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