Viktoria Fuchs: Fuchsteufels Wild. Südwest Verlag/Random House München 2020. 236 S., geb., Hardcover, 25 Euro

Das Interesse an diesem ersten Buch von Viktoria Fuchs vom Hotel und Restaurant „Spielweg“ ist nicht nur kulinarisch, sondern hat auch eine Menge mit der Gastronomie zu tun. Es geht um den Familienbetrieb Fuchs ganz am Ende des Münstertals, um Viktorias Vater Karl-Josef Fuchs und nicht zuletzt darum, dass es hier um einen Schwerpunkt geht, der in einer jüngeren Generation – sagen wir: nicht mehr ganz so selbstverständlich verbreitet ist. Mit Karl-Josef Fuchs habe ich eine Menge von Dingen erlebt – zum Beispiel im Zusammenhang mit einer FAZ-Gourmetvision, Spezial Wild, deren Menü dann an verteilten Terminen angeboten wurde, die jeweils mit den Jagdterminen von Karl-Josef Fuchs koordiniert werden mussten. Es sollte besonders spezielle Dinge geben, und die in bestem Zustand. Und weil wir hier bei www.eat-drink-think.de in einem Online-Magazin sind, können wir uns auch den kulinarischen Luxus erlauben, das Menü von Karl-Josef Fuchs aus dem Jahr 2007 noch einmal zu erwähnen. Hier ist es:

Kürbis-Süppchen mit Kaschmir-Curry und Wild-Milzschnitten

Hirschtatar mit Pilzen und Bergkäse-Krapfen

Variation von der Wildentenleber

Wildschweinkinn mit getrockneten Erbsen und Speck-Creme

Hasenpfeffer mit Blutsauce, Rotkraut und Spätzle

Hirschmedaillon, Foie Gras und Kräutersalat

Spielweg-Käse

Gespickter Dessert – „Rehrücken“

Ich darf vielleicht noch erwähnen, dass ich zur Vorbereitung des Menüs das lehrreiche Vergnügen hatte, buchstäblich alles Essbare von sämtlichen Viechern zu probieren – also auch sämtliche Innereien einzeln und im Detail, die ansonsten kaum in der Küche verarbeitet werden. Dass das Hirschhirn von Großmutter Fuchs kein besonderer Angang war, weil sie es vor allem mit dem hirn-ähnlichen Rührei vermischt hat, sei nur am Rande erwähnt. Die gesammelten Lebern und Nieren etc. waren da schon „sportlicher“.

Der Umgang mit Wild hat also im Hause Fuchs Tradition und – der Hammer hängt hoch. Nach gediegener Ausbildung ist Viktoria Fuchs seit 2015 Chefin in diesem schönen Haus mit den wunderbaren Tomi-Ungerer-Stuben, die daran erinnern, dass der im letzten Jahr verstorbene Elsässer Zeichner hier viel Zeit verbracht hat. Wie also kommt sie mit diesem Erbe zurecht?

Das Buch
Erst einmal fällt auf, dass das Buch eher kleinformatig und dafür nicht wirklich teuer ist. Es fällt zudem auf, dass man hier eine gute, unprätentiöse Mischung zwischen einigen Bildern der Köchin, etwas Landschaft, etwas Produkten und den Rezeptbildern gefunden hat (Fotos: Vivi D’Angelo). Es ist ein wenig nach dem TV-Koch-Kochbuch-Schema gemacht, bei dem man üblicherweise darauf achtet, dass Extreme jeder Art vermieden werden und das Buch zugänglich wirkt. Die Überschriften der Kapitel sagen bereits eine Menge über dieses – sagen wir: verjüngte Wildprogramm. Sie lauten: „Salat & Suppen“, „Mediterranes Wild“, „Wild asiatisch“, „Kreatives Wild“, „Spielweg-Klassiker“, Desserts & Torten“, „Die Spielweg Speisekammer“ und „Grundrezepte“. Dazu gibt es aber noch jeweils einen Vorspann bzw. einen Nachspann. Vor den Salaten geht es um Kräuter und Gemüse, am Ende des Kapitels dann um einen „Wild-Exkurs: Die Gams“. Man erfährt in diesen zusätzlichen Texten etwas zum Pilze sammeln, über das Spielweg Küchenteam, über den Unterschied zwischen Treib- und Ansitzjagd, über das „Familienleben im Spielweg“ usw. Die weiteren Wild-Exkurse betreffen „Rehwild“, „Wildschwein“, „Wildente und Fasan“, „Rotwild“, und „Hase“. Alles ist kurz, knapp und sachlich. Beim Reh etwa wird bei den Teilen für die Küche differenziert zwischen Hals und Brust, Schulter, Rücken, Keule und Rehherz, -niere und -leber. Man bekommt den Eindruck, als ob Jägerin Viktoria nicht unbedingt ein Freund großer Worte und längerer Ausführungen ist, sondern vor allem die Praxis schätzt.

Die Struktur des Buches ist von der Tatsache bestimmt, dass sich hier eine junge Köchin mit einem alten Thema beschäftigt und ganz selbstverständlich ihre kulinarische Sozialisation einfließen lässt. Und die hat eben erst einmal viel mit Mediterranem, mit Asiatischem und der kreativen Küche zu tun. Bei den Salaten führt das zum Beispiel zu einer „Geräucherten Tomatensuppe mit Ricotta aus der eigenen Käserei, Hirschherzschinken und Olivenöl“ oder zu einer „Kalten Rote Bete-Suppe mit Rebhuhnbrust und weichem Eigelb“. Beim Mediterranen gibt es z.B. „Kleine Tortellini von der geschmorten Wildentenkeule“, oder ein „Rehtello Tonnato, gegrillt vom Big Green Egg mit Kapern und Wildkräutern“. Es fällt schnell auf, dass Viktoria Fuchs an einem guten Geschmack in einem durchaus auch landläufigen und gut verkäuflichen Sinne gelegen ist. Das gilt später dann selbstverständlich auch für die Spielweg-Klassiker wie etwa das „Wildschweinschnitzel in der Haselnusspanade mit Gurkensalat, Radicchio und Preiselbeeren“, das schon immer auf dieser Linie lag. Auch im asiatischen Sektor bleibt es bei einer gewissen Süffigkeit, auch dann, wenn es auf dem Papier etwas avancierter klingt, wie etwa beim „Gelben Fasanen-Curry“ oder der „Gebratenen und im Dim Sum gedämpften bayerischen Rotgarnele mit gepökelter Wildschweinbacke im Tom-Yam-Gung-Sud“. Im kreativen Fach gibt es z.B. „Rebhuhnbrust mit gegrilltem Spargel und Blutorangen-Hollandaise“ oder den Rosa gebratenen Gamsrücken mit geschmorter Aubergine und Granatapfel-Couscous. Insgesamt gefallen die mediterran und asiatisch inspirierten Gerichte aber etwas besser.

Fazit
Viktoria Fuchs löst die Nachfolge in dieser Institution der Wildküche mit Bravour und einem erstaunlichen Augenmaß. Die Öffnung der traditionellen Wildküche in Richtung einer Küche, die die mittlerweile ja geradezu natürlichen Einflüsse aus Asien und dem Mittelmeerraum aufnimmt und im besten Sinne verarbeitet, gelingt. Es ist ein Buch entstanden, das inspirieren kann, ohne die Traditionen und ihre populären Geschmacksbilder zu vergessen. Wenn nicht alles täuscht, sind hier noch weitere Entwicklungen zu erwarten. Neben dem „Spielweg“-Menü ist jedenfalls auch schon ein „Fuchsteufelswildes Menü“ im Angebot.

Das Buch liegt ziemlich präzise zwischen einem B und zwei grünen BB.

Fotos © Vivi D’Angelo / Südwest Verlag

Schreibe einen Kommentar