Ich möchte Sie herzlich im Jahr 2019 begrüßen, meine lieben, treuen Leser. Ich bin hier und schreibe meine Kolumne und Sie sind dort, wo sie am liebsten sind und lesen diese. So weit so gut, würde ich sagen. Wenn dem nämlich so ist, dann kann ich sicher sein, dass Sie die Feiertage genauso gut überstanden haben, wie ich. Das neue Jahr kann also kommen und wenn „zweitausendneunzehn“ auch noch immer etwas schwer über die Lippen geht, so strotzen wir doch voller Energie, voller Tatendrang und guter Vorsätze.
Apropos Vorsätze. Ich bin ein großer Freund guter Vorsätze für das junge Jahr. Und damit meine ich nicht, sich in der ersten Januarwoche im Fitnessstudio anzumelden um dann im Februar schon nicht mehr zu wissen wo die Mitgliedskarte, geschweige denn die Joggingschuhe hingekommen sind. Ich habe jedes Jahr eine Vielzahl von Vorsätzen, viele teils klitzekleine. Sie mögen vielleicht zum Teil profan wirken, bin ich jedoch mittlerweile der Meinung, dass das Glück in den kleinen Schritten verborgen liegt. Eines Tages, als ich in der Stadt unterwegs war, um Weihnachtsgeschenke zu suchen, bin ich an einem Postkartenständer stehengeblieben. Es waren keine Ansichtskarten oder derlei, sondern Karten mit witzigen Sprüchen oder Mantras. Das meiste davon war ausgemachter Mist, aber bin ich doch bei einer Karte hängen geblieben, die mich in ihren Bann gezogen hat. „Trenne dich und genese“, stand in großen Lettern vor dem Foto eines chaotischen Kleiderschranks. Intonation der Karte war – glaube ich – dass sich der Beschenkte von Altlast trennt, damit er sich mit dem Geld, was in der Innenseite der Karte platziert werden sollte, etwas Neues, Schönes und vielleicht sogar Praktisches kaufen kann. Als ich mich mit einem Arbeitskollegen, der eine ähnliche Sammelleidenschaft wie ich hegt für alles was alt, antik, kaputt oder gleich alles drei zusammen ist, über diese Karte unterhielt war er ganz aufgeregt. „Karl Lagerfeld hat das gesagt!“. In seiner Aufregung – die wohl jeder in sich hat, wenn er ein vermeintlich intellektuelles Zitat zum Besten geben kann – erklärte er mir, dass Lagerfeld einmal im Jahr alles aus seinen Schränken, Kommoden, Garagen und Kellern reißt, was er nicht mehr braucht, ihn nicht mehr interessiert oder schlichtweg überflüssig ist. Er wird alles los, was ihn belastet und macht einen Neustart. Als guter Mann, der seinen Lebtag alles gesammelt hat, was auf Trödelmärkten oder Schrottplätzen stehen geblieben war, hielt ich dies für Wissen, was über den Tellerrand hinausragte.
Ich habe nie recherchiert, ob die Geschichte mit Karl Lagerfeld wirklich stimmt – denn eigentlich interessiert es mich gar nicht sonderlich. Die Geschichte selbst ist einfach inspirierend und dabei spielt es keine Rolle, ob sie sich je so zugetragen hat. Trenne dich und genese. Ein gutes Mantra für 2019, habe ich recht? Da mir diese Erkenntnis recht früh kam, nahm ich mir vor, schon vor dem Jahreswechsel ein bisschen aufzuräumen. Da gab es so Einiges, was irgendwie stehen geblieben war. Der VW-Bus, der seit Monaten mit herausgetrennten Radkästen, mit abgeklemmter Batterie zugedeckt in einer Halle steht. Der Esstisch, dessen aufgequollene und von Löchern übersäte Platte ich entgegen aller Versprechungen nie restauriert hatte und daher jeden morgen mit verächtlichen Blicken dafür gestraft wurde. Der Fahrradanhänger, in den ich einen kleinen Gaskartuschengrill einbauen wollte, lag auch noch immer auseinander gebaut auf dem Garagenspeicher.
Ich unterhielt mich mit meinem Kollegen immer wieder im Dezember über dieses Thema. Auch er hat viele Projekte, die über das Jahr liegen geblieben waren. Schlimmer noch: das, was alles so im Laufe des Jahres liegen geblieben war, wurde in das nächste Jahr geschleppt. Und die neue Altlast wieder in das nächste. Obgleich wir uns sonst immer dazu anstachelten, verrückte Dinge zu tun, uns gut zuredeten, dass der Hydraulik-Kippanhänger für die Baustelle oder der ausrangierte Seecontainer als Gartenhaus genau das Richtige als neues Projekt wären, waren wir uns diesmal einig, dass es an der Zeit war, Platz zu schaffen.
Für den Cocktail dieser Woche brauchen wir eine weiße Schokoladenmilch. Hierzu erhitzen wir 100 ml Vollmilch und geben 80g weiße Schokoladentropfen dazu. Der Topf kann vom Herd genommen werden, denn die Resthitze reicht dafür aus, dass die kleinen Tropfen schmelzen. Wenn alles gut vermischt ist, kommt die Milch in den Kühlschrank, um komplett durchzukühlen. Wir füllen einen Cobblershaker mit Eis, geben 4 cl Vodka, 2 cl Brandy, 10 cl Schokoladenmilch, sowie ein Dash Walnut Bitters dazu und shaken was das Zeug hält. In eine vorgekühlte Champagnerflöte seihen wir den Drink doppelt ab und reiben zum Schluss eine Prise Muskatnuss darüber.
Zugegeben, dieser Drink schmeckt noch ganz schön nach Weihnachten. Das fühlt sich merkwürdig an, wenn ich bedenke, dass ich den Weihnachtsbaum erst vor ein paar Tagen eigenhändig vor die Türe geworfen habe. Wieder so eine Trennung. Aber wir möchten uns durchaus noch einmal umdrehen. Vielleicht brauchen wir diesen Drink noch, schließlich warten noch ein paar Wochen eisiger Kälte auf uns. Und wenn wir den letzten Schluck genommen haben, den letzten Rest köstliche Milch aus unserem Bart geleckt haben, dann wartet etwas Neues auf uns, etwas Anderes. Manche Dinge müssen wir loslassen, Platz für Neues schaffen, für andere Projekte, uns trennen und genesen. Ich habe mich von meinem geliebten Moped getrennt, weil es nur noch herumstand. Und ratet mal, wer jetzt ein neues Projekt hat…
Der heilige Helge
Zutaten bei BOS FOOD zu bestellen: 4 cl Finlandia Vodka (Art. Nr. 39696) • 2 cl Brandy Cardenal Mendoza (Art. Nr. 39688) • 8 cl weiße Schokoladenmilch (100 ml Vollmilch, am besten circa 4% Fett und weiße Schokoladencallets Art. Nr. 49104) • 1 Dash Fee Brothers Walnut Bitters • 1 Prise Muskatnuss (Art. Nr. 31920)