Über das FAZ – Weihnachtsmenü 2021 von Hans-Stefan Steinheuer und Christian Binder von „Steinheuers Restaurant“, Bad Neuenahr-Ahrweiler, „Making Of“ und Degustationsnotizen.

Vorbemerkung zu den Bedingungen dieses Menüs
Die Erstellung eines Weihnachtsmenüs für eine große überregionale Zeitung wie die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ unterliegt gewissen Voraussetzungen. Diese Voraussetzungen bringen es mit sich, dass man einerseits gerne ein Menü von einem bekannten Koch hätte, andererseits aber ein wenig mißtrauisch hinsichtlich des zu erwartenden Schwierigkeitsgrades ist. Das Menü soll natürlich gut und festlich aussehen und schmecken und ein echtes Highlight sein. Andererseits soll es aber auch nicht nur für die besten Hobbyköche, sondern für viele Leute geeignet sein, die Gerichte mit mehreren Zutaten zubereiten können. Gleichzeitig darf es aber ruhig so sein, dass man vom Rezept her noch ein paar neue „Tricks“ bekommt. Wichtig ist vor allem, dass es keine Schwierigkeiten gibt, die ein so minutiöses Arbeiten erfordern, dass man für die Herstellung viel Routine braucht.

Wichtig ist aber erst einmal auch die Produktseite. Das Menü muss mit Produkten realisiert werden, die für viele Leute gut zu bekommen sind. Das gilt auch für weitere Zutaten, die nicht so speziell sein dürfen, dass sie beim Einkauf in einem guten Supermarkt o.ä. nicht zu bekommen sind. Bei diesem Menü wird zum Beispiel an einer Stelle Dashi als Zutat genannt. Weil Dashi für den Geschmack in der Vorspeise wichtig ist, habe ich es im Text belassen, gleichzeitig aber eine Alternative für Leute genannt, die weder Dashi in der Küche haben, noch es in ihrer Nähe bekommen können. Man nimmt dann mehr von dem säurehaltigen Einlegesud an Stelle des eher salzig-würzigen Dashi. Eine solche Maßnahme habe ich dann an Ort und Stelle im Vergleich der beiden Elemente mit den Köchen diskutiert. Es versteht sich von selber, dass für eine so große Leserschaft nicht unbedingt Kaviar oder Trüffel eingesetzt werden – aber auch nicht das ein oder andere „Problemprodukt“ von Fröschen über Foie gras bis zu allzu jungen Tieren („Tierbabys“).

In der Vorbereitung geht es meist ein wenig hin und her. Ich bitte um Vorschläge, nachdem ich vorher schon ein wenig darüber gesagt habe, was geht und was nicht geht, und sehe mir an, wie die Lage ist. Danach nähert man sich der Fassung, die in die Zeitung kommen soll, wobei ich die Endredaktion der Rezepte übernehme. Selbst bei routinierten Köchen kann es immer vorkommen, dass sie in den Beschreibungen zu professionell werden. Ich betreue die Weihnachtsmenüs jetzt schon seit etlichen Jahren. Es kommt immer wieder vor, dass gute Köche nicht den richtigen Draht zu dem finden, was für Laien machbar ist und was nicht. Das kann zum Beispiel auch ganz einfach daran liegen – darauf kommt man als Außenstehender kaum -, dass Profis nie für 4 Personen kochen, also die Standardmenge, für die man die Rezepte immer entwirft, üblicherweise nicht im Auge haben.

Bei Familie Steinheuer ging alles sehr professionell zu, Hans-Stefan Steinheuer ist eben ein gestandener Spitzenkoch, der Alles und Jedes versteht und Lösungen findet. Aber auch hier ging es natürlich darum, die Qualitäten des Restaurants tatsächlich „rüberzubringen“. Wer das Weihnachtsmenü von einem bekannten Restaurant nachkocht, soll auch etwas auf dem Teller haben, was so schmeckt und einen echten Mehrwert bringt. Die journalistische Balance zwischen dem, was das Restaurant für das Beste hält, und dem, was man als vermittelnder Journalist für machbar hält, ist also immer ein Thema.

Hier ein paar Degustationsnotizen zum Weihnachtsmenü Steinheuer/Binder:

Gebeizte und dann geflämmte Lachsforelle mit Kräutercreme, eingelegtem Rettich, Gurke und Kürbis
Das Gericht hat eine beträchtliche Frische und Präsenz, die vor allem vom feinen Säurespiel herrührt. Basis sind ein Einlegefond und ein Reissud, der am Schluss auf den Teller gegeben wird und für einen dezenten Zusammenhang der Elemente sorgt. Der Einlegefond mit u.a. Weißweinessig, Zucker, Ingwer, Piment, Pfeffer, Sternanis und Senfsaat ist aber nicht so stark, dass das Gemüse säuerlich schmeckt, sondern eine elegante Note hat, die eher frisch als säuerlich wirkt. Auch die Lachsforelle wird gebeizt, und zwar u.a. mit Zitrone, Orange, Gin, Noilly Prat, Meersalz und Rohrzucker, was ebenfalls eher für einen präsenten Eindruck als für eine starke Parfümierung sorgt. Bei der degustierten Lachsforelle im Restaurant schmeckte der Fisch (Tatar in einer dünnen Lachsforellenhülle) bestechend frisch und leicht jodig. Sehr wichtig ist das Abflämmen der kleinen Stücke. Der Effekt von einer leicht abgeflämmten Oberfläche und einem frisch-jodigen Geschmack danach ist sehr gut. Die in Tupfen angelegte Kräutercreme von Dill und Petersilie bringt einen dezent cremigen Mittelgrund. Der Gesamteindruck ist exakt wie vorgesehen: wer so etwas zu Hause nachkocht, wird Raffinesse, Leichtigkeit und eine Art elegante Selbstverständlichkeit schmecken.

Rehrücken mit Rote Bete-„Tagliatelle“ und Sonnenblumenkernen
Beim Rehrücken sind das verblüffendste Element sicherlich die Rote Bete-Tagliatelle. Sie werden aus gleichmäßigen Streifen, die von der Bete abgeschält werden, zurechtgeschnitten und u.a. mit schwarzem Johannisbeersaft, Rote Bete-Saft und Sherryesssig mariniert. Sie verwandeln sich nicht nur von der Form und der Textur in verblüffend ähnliche „Tagliatelle“, sondern schmecken auch geradezu edel und weder stumpf noch zu erdig – wie das vielen Leuten bei Rote Bete oft nicht so gefällt. Insofern hat man hier eine klare Veredelung. Die Sauce ist klassisch und etwas, auf das Steinheuer auf keinen Fall verzichten wollte – auch wenn die Herstellung über Rehknochen etwas Aufwand bedeutet. Das Reh selber wird „straight“ gegart, also in Pfanne und Ofen mit einem kräftigen Anbraten rundum in etwa 2-3 Minuten und einer Zeit im Ofen bis zu einer Kerntemperatur von 54° C. Vor dem Servieren wird es in heißer, zerlassener Butter plus Lorbeerblatt nachgebraten. Der Effekt mit der Kruste aus angerösteten und zerstoßenen Sonnenblumenkernen ist anderen Krusten (etwa einer Nuss- oder Pilzkruste) unbedingt vorzuziehen, weil die Sonnenblumenkerne „kulinarischer“ schmecken, also vor allem Röstnoten und Textur bringen und nicht so viele Aromen wie etwa Nüsse. Mit den kleinen Pilzen rundum schmeckt das Alles sehr fein abgestimmt und durchaus originell.

Printen-Schokoladen-Parfait mit Bratapfelmousse, Quittensud und Schokoladenhippe
Das Dessert sollte vor allem auch etwas sein, das Weihnachten und die Aromen der Weihnachtszeit aufnimmt. Weil Hans-Stefan Steinheuer und Christian Binder von der Ahr kommen, war es natürlich naheliegend, die regionalen Printen als Basis für ein Parfait zu nehmen. Man kann dieses Dessert quasi komplett am Tag vorher anlegen. Es schmeckt wie es klingt, also zuverlässig weihnachtlich. Und weil die Elemente im Normalfall schnell miteinander verschmelzen und ein breites, dichtes Aroma entwickeln, hat man hier für eine erfrischende „Belüftung“ mit dem Quittensud nebst Würfeln gesorgt. Man schmeckt bei dem Sud ganz dezent durch, dass ein Apfelbrand beteiligt ist. Was die Schokoladen-Hippe angeht, sah das ursprüngliche Rezept vor, die Masse auszustreichen, im Ofen zu trocknen, dann wieder zu pulverisieren um in einem Ring eine runde Platte schmelzen zu können. Diesen typisch professionellen Vorgang habe ich zum Beispiel so reduziert, dass die Leser aus der im Ofen getrockneten Masse Formen so brechen, wie sie das wollen.

Die kompletten Rezepte erscheinen in Kürze auf FAZ-Online.

2 Gedanken zu „Über das FAZ – Weihnachtsmenü 2021 von Hans-Stefan Steinheuer und Christian Binder von „Steinheuers Restaurant“, Bad Neuenahr-Ahrweiler, „Making Of“ und Degustationsnotizen.“

    • Nein, es geht nicht um eine Weihnachtsfeier. Es sind Details zu dem Weihnachtsmenü, das am letzten Samstag in der FAS angedruckt war und für dessen Organisation etc. ich verantwortlich war.
      Mit den besten Grüßen und Wünschen für ein schönes Weihnachtsfest
      Jürgen Dollase

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