TOP CHEF Frankreich: wortreiche Sprachlosigkeit

Gestern Abend wurde in Frankreich das Finale der neuen Staffel von TOP CHEF übertragen. Aus diesem Grunde hatte ich mir eigens etwas Zeit genommen und wollte zumindest einen Teil der Sendung sehen. Das habe ich dann auch gemacht, mich aber nach kurzer Zeit mit Grausen wieder abgewandt. Ich konnte die ganze Banalität dieser Veranstaltung einfach nicht mehr ertragen (um es freundlich zu formulieren). Es war nach Jahren ein weiterer Versuch. Damals war Ducasse in der Jury und ich schwer enttäuscht von seinen dünnlichen Einlassungen zu den Gerichten. „Hektik und Gelabere“ – ist der prominente Eindruck der Veranstaltung, in der man es längst aufgegeben zu haben scheint, irgendetwas Sachliches mitzuteilen. Statt dessen folgt man mit kurzen Schnitten, unlogischen Übergängen und immer wieder „auf Effekt getrimmten“ Szenarien den angeblichen Zwängen des Mediums. Das so etwas irgendwann einmal kippt und sinnentleert wirkt, scheint man in Kauf zu nehmen. Ich weiß übrigens, wovon ich rede. Man hat mir im Laufe der Jahre verschiedene Angebote einer Mitwirkung an solchen Sendungen gemacht. Ich sollte teilweise völlig blödsinnige Sachen machen, wie etwa an einem Tisch sitzen, parallel zu Juroren degustieren und so essen, dass man mir immer am Gesicht ablesen konnte, wie ich das Essen finde, also zum Beispiel gestenreich den Mund verziehen und irgendwie zum Ausdruck bringen, dass ich Bemerkungen der Juroren für Unsinn halte.

 

 

Eigentlich hat TOP CHEF in Frankreich einen guten Ruf – zumindest wenn man sich die Biographien der beteiligten Köche/Juroren ansieht. Anders als in Deutschland gehen hier seit Jahren ausschließlich aktuelle Spitzenköche an den Start, die – sagen wir: sehr gute Nachwuchsköche, die meist aus den Brigaden guter Restaurants kommen, als Kandidaten betreuen. In den Wikipedia-Einträgen der Köche wird die Tätigkeit als Juror bei TOP CHEF regelmäßig erwähnt. In diesem Jahr sind es die Drei Sterne-Köchin Hélène Darroz (die Siegerin dieses Jahres stammt aus ihrer Brigade), Paul Pairet aus Shanghai, besonders durch sein Restaurant-Konzept „Ulraviolet“ bekannt geworden, Glenn Viel, der Drei Sterne-Koch vom „Oustau de Baumanière“ und Altmeister Philippe Etchebest (dessen ehemaliges Zwei Sterne-Restaurant in der „Hostellerie de Plaisance“ in Saint-Emilion übrigens gerade von Yannick Allèno „übernommen“ wurde). Die weitere Jury für das entscheidende Essen bestand aus Leuten, die sich freiwillig für das französische Rote Kreuz engagieren und aus Adriana Karambeu, dem vielseitig einsetzbaren Promi-Model mit der immer stärker werdenden Wirkung einer Drag-Queen (wenn ich das einmal so sagen darf).

 

Was mich schwer gestört hat, war nicht nur die hektische, uninformative Machart des Ganzen, sondern vor allem die Kommentare zum Essen. Es ist sicher normal, dass die Rote Kreuz-Mitarbeiter nur dass benennen können, was sie essen und das eben mit ihren persönlichen Geschmackspräferenzen abgleichen. Auch von Adriana Karambeu musste man nichts Wesentliches erwarten. Die ganz schlechte Rolle aber spielten die Spitzenköche, die sich – anders kann man es nicht sagen – vergeblich als Experten inszenierten. Dass ihnen die Worte fehlen, ist ebenfalls noch einigermaßen normal. Dass ihnen aber offensichtlich jeder Ansatz zu einer echten Beurteilung von Essen abgeht, war doch einigermaßen überraschend. Mit einer solchen Jury – ist man versucht zu sagen – braucht man eigentlich gar keine Jury und kann nehmen, wen man will – egal, ob er Profi ist oder nicht.

 

 

Und so ergab sich ein konfuses Gelabere, wie man das in vielen französischen Sendungen erlebt (hat jemand Rachida Dati nach dem ersten Wahlgang erlebt?). Von den Meisterköchen gab es nur oberflächlich-Geschmäcklerisches, und weder die Stilistik noch die teilweise völlig unbedachte Sensorische Struktur der Gerichte wurden erwähnt, Alles war irgendwie gut und die Bewertungen kaum transparent, ein wortreiches Geklingel, das wohl nicht einem einzigen Zuschauer irgendeine Idee davon gab, warum welches Essen gut ist.

Und dann grübelt man als außenstehender Beobachter natürlich darüber nach, ob die für mich schon legendäre Unausgewogenheit französischer Spitzenköche (also die Tatsache, dass sich bei ihnen regelmäßig Gutes und Schwaches gleichzeitig findet) vielleicht daran liegt, dass die Meister vor allem Meister der Kommunikation sind, die rund um ihre Arbeit erfolgreich ein System der Selbstbeweihräucherung, des Herbeiredens von Qualitäten und der Vernebelung tatsächlich vorhandener Qualitäten erschaffen haben, das nach wie vor blendend funktioniert.

Da wundert es dann auch nicht, dass man in kaum einer französischen Zeitschrift jemals eine Restaurantkritik findet…

In Sendungen wie der „Küchenschlacht“ bei uns könnte man – ich formuliere das einmal etwas vorsichtig – durchaus auch noch etwas an Substanz beim Besprechen der Gerichte der Probanden zulegen…

 

Die Ausrisse mit den Bildern stammen aus dem französischen TV-Magazin, das den meisten Tageszeitungen beigelegt wird und aus dem Figaro

2 Gedanken zu „TOP CHEF Frankreich: wortreiche Sprachlosigkeit“

  1. Ich muss ihrem Verriss von „Top Chef“ hier entschieden entgegentreten: erstmals bin ich sehr verwundert, dass diese Kritik auf Basis einer einzigen Folge erfolgt – sie hätten sich als Kritiker zumindest die Mühe machen können, in 2-3 weitere Folgen (alle verfügbar auf youtube) hineinzuschauen. Ich verfolge die Sendung seit rund 6 Jahren und kann sagen, dass das hier Produzierte bei weitem besser ist, als so gut wie alles im deutschsprachigen Raum – wenn ich mir da die deutschsprachige Ausgabe von Top Chef (mit Witzigmann) in Erinnerung rufe, kommt mir heute noch das Grausen. Das hat auch damit zu tun, dass in der deutschen Ausgabe so gut wie keine Köche aus der absoluten Elite teilgenommen haben, ganz im Gegensatz zur französischen Ausgabe. Mir ist zwar auch nicht ganz klar, warum Sie sich an den Kritiken der Juroren aufhängen, das ist letztendlich auch nebensächlich, entscheidend hinzugefügt werden muss, dass das Finale – und das ist jedes Jahr so – die mit Abstand schwächste Folge darstellt; aus den von Ihnen erwähnten Gründen: die Finalisten müssen ein Galadiner für rund 50 Personen kochen; dass man bei derartigen Anlässen Abstriche an die Komplexität machen muss, ist bekannt. Entsprechend fallen dann auch die 3-gängigen Menüs und die Kommentare der Anwesenden aus. Dies ist entscheidend anders bei den restlichen Folgen, die sich durch einen hohen Innovationsgrad und Kompetenz der Teilnehmenden auszeichnen. Dass die Beschreibungen der Juroren zum Teil etwas blumig ausfallen (das liegt auch im Naturell der französischen Sprache), sei es drum. Wichtig sind die Inhalte, und die sind in den meisten Fällen sehr gut und vor allem – Achtung, das wird Ihnen nicht gefallen – unterhaltsam. Mir ist es wirklich schleierhaft, welche Ansprüche Sie zum Teil an solche Formate stellen: „man hat längst aufgegeben, etwas sachliches mitzuteilen“ – was sollte man denn in so einer Sendung „sachliches mitteilen“? „Unlogische Übergänge“ – was sind denn aus ihrer Sicht logische Übergänge? Wenn es denn eine Sendung nach Dollase gäbe, würde wahrscheinlich eine exklusive Gruppe von rund 20 Personen die Sendung verfolgen (aber Wissler wäre dafür wahrscheinlich dabei!)
    Wie gesagt, umso bedauerlicher, dass Sie sich nicht die Zeit genommen haben, das Format genauer unter die Lupe zu nehmen (aber eh egal, es würde ihre vorgefertigte Meinung ohnedies nicht ändern) und einfach die schwächste Folge zu bashen. Addendum: man mag von Adriana Karembeu halten was man will; sie als „vielseitig einsetzbaren Promi-Model mit der immer stärker werdenden Wirkung einer Drag-Queen“ zu verunglimpfen, ist – ich drücke es mal extrem subtil aus – heutzutage nicht mehr wirklich zeitgemäß. Das Klischee eines alten weißen Mannes bedienen sie damit aber in jedem Fall.

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  2. naja, ich denke, die szenen waren gescripted und wahrscheinlich das ganze auch den köchen zu blöd. schade übrigens, dass Sie nicht mehr im tv sind, fand die kochkunstreihe mit wissler ganz grosses kino !

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