Im neuen Heft der Lifestyle-Zeitschrift „Salon“ wird ein Thema angestoßen, das eigentlich kulinarisch sehr interessante Perspektiven hat. Es geht um das Bauhaus-Jubiläum und eine – sagen wir: Adaption von Bauhaus-„Oberflächen“ für den kulinarischen Bereich. Unter dem Titel „Serviert das Bauhaus!“ präsentiert Köchin Susanne Walter im Grunde alberne kulinarische Nachschöpfungen, die in ihrer Form an einige vom Bauhaus her bekannte Bilder (und aus Bereichen, die nicht wirklich zum Kern der Bauhaus-Idee gehören) erinnern sollen. Wohlgemerkt: in ihrer Form und nicht in ihrem Inhalt. Die präsentierten Gerichte sind kulinarisch so banal, dass man sie nicht weiter erläutern muss.
Dabei wird vor allem unterschlagen, aus welchen Beweggründen die Bauhaus-Bewegung entstanden ist, dass sie sich energisch gegen eine überdekorierte, verkitschte Ästhetik in allen möglichen Bereichen des täglichen Lebens gerichtet und sich auf die Sache nach klaren, funktionalen Formen gemacht hat. Die „Reduktion auf das Wesentliche“, die heute und schon seit vielen Jahren immer wieder in allen möglichen Bereichen gefordert wird, stammt aus dem Ideenkatalog des Bauhauses. Man wollte wieder mehr „Sein“ als „Scheinen“, das Handwerkliche und die Funktionalität in den Mittelpunkt stellen – und das vor einem gesellschaftlichen Hintergrund, der wahrlich komplett anders war.
Haben die Bauhaus-Ideen auch kulinarische Perspektiven?
Mit einer Frage wie dieser kommt man mitten in eine Flut von kaum jemals konsequent bedachten kulinarischen Problemen. Da wäre zuerst einmal der Bauhaus-Blick auf das, was kulinarisch ebenfalls überladen, unsinnig und mehr „Schein“ als „Sein“ ist. Diese Frage geht in zweierlei Richtungen. Da wäre zuerst der Aspekt von überdekorierten Gerichten mit allerlei „ausdekoriertem“ Beiwerk, das vielleicht für einen schönen Schein sorgt, oft aber kulinarisch unsinnig ist oder sogar sensorische Probleme verursacht, weil die dekorativen Elemente vielleicht im Zusammenhang mit einem Hauptprodukt übertünchende Tendenzen haben. Wir finden solche Gerichte in allen möglichen Küchen – von der bürgerlichen Küche mit ihren oft stereotypen Beilagen über Neo-Bistros im internationalen Stil mit zum Beispiel oft unsinnigen „Salat“ – Konstruktionen bis hin zur Spitzenküche mit zum Beispiel vielteiligen Kompositionen, die zwar eine komplexe Sensorik vortäuschen, dabei aber oft nicht über eine adäquate Struktur verfügen.
Der zweite Aspekt geht tiefer und an eine Frage, die eigentlich eine Kernfrage ist, aber so gut wie nie gestellt wird, weil sich in die Kochkunst so viele unreflektierte Automatismen eingeschlichen haben. Es geht darum, ob viele Zubereitungen zu komplex sind, ob sie nicht entschlackt werden müssten um die Produkte wirklich wieder pur und klar erscheinen zu lassen. In Unmengen von Rezepturen der französischen Küche zum Beispiel tauchen gleich im Ansatz Zwiebeln und Wein und Fonds auf. Wird dort nicht in vielen Fällen Produktgeschmack überlagert? Spielt er überhaupt noch die Rolle, die er angeblich spielen soll? Wie ist es mit der Dauerberieselei mit Salz und Pfeffer? Brauchen wir sie wirklich, oder gibt es Wege, die Produkte wesentlich klarer (und damit nicht selten intensiver) glänzen zu lassen?
Rund um Prinzipien wie die „Reduktion auf das Wesentliche“ oder den Verzicht auf unnötige Beigaben und die Bevorzugung der klaren, funktionalen Form gibt es eine Unmenge hochinteressanter kulinarischer Aspekte, die geeignet sind, die Kochkunst noch einmal gründlich neu zu denken.
Wie könnten kulinarische Konsequenzen aus den Bauhaus-Ideen aussehen?
Es gab einmal einen Koch namens Bernard Loiseau, dessen revolutionärer Ansatz weder in seiner Zeit noch später in seinem vollen Umfang erkannt wurde. Dazu kommt, dass Loiseau seinen eigenen Ansatz auch nicht ganz so trennscharf und konsequent und überzeugend realisiert hat, dass er die Rolle einnehmen konnte, die er eigentlich hätte einnehmen können. Loiseau, dessen Küche man oft als „Wasserküche“ verspottet hat, versuchte, seine Produkte mit einem Minimum oder gar keinen Fremdaromen zuzubereiten, um so einen wirklich klaren Produktgeschmack zu erzielen. – Es gab auch einmal Ansätze wie den von Marc Veyrat, der teilweise dazu übergegangen war, Fisch und Fleisch gänzlich ohne Fette zu braten, um ihren Geschmack möglichst pur zu halten. So etwas ist in Anti-Haft-Pfannen und anderen Spezialpfannen (etwa AMC) möglich und schafft ausschließlich pure, nur durch die Hitze erzeugte Röstaromen, also Veränderungen, die ohne Zusätze direkt beim Produkt entstehen.
Wenn man über Konsequenzen aus dem Bauhaus-Ansatz nachdenkt, geht es also zum Beispiel um die Frage, ob man den Einsatz von Salz und Pfeffer als grundsätzliche Würze, mit der jedes verwendete Produkt überzogen wird, reduzieren sollte. Es geht darum, ob man auf jene Fonds verzichten kann, die jedes Produkt in einen Nebel von Dutzenden von Aromen verpacken. Es geht darum, wie man Zubereitungen findet, die ausschließlich mit dem Produkt entstehen, also etwa Huhn, das in einer Hühnerbrühe zubereitet wird, die ohne weitere Zusätze von den Karkassen und Resten gezogen wird („Huhn in Huhn“). Es geht um eine neue Vorstellung von Raffinesse, die die Produkte puristisch einsetzt, dafür aber ihr Zusammenwirken sensorisch raffiniert und unter Verwendung aller möglichen „puren“ Kochtechniken (pürieren, entsaften, trocknen, verbrennen usw.) gestaltet. Es geht um ein Wissen um die Qualitäten und Möglichkeiten von Produkten, das deutlich anders strukturiert ist, als das auf mechanistische Zubereitungen herkömmlicher Art gerichtete.
Es könnte vielleicht auch im kulinarischen Bereich um eine Revolution gehen.
Diese Kritik verfehlt – und das in zweifacher Hinsicht:
Sie hat bis auf den Aufhänger «Bauhaus» wenig mit dem Beitrag in der «Salon» zu tun. Die dort abgedruckte Rezept-Strecke ist offenbar eine spielerische Reminiszenz zum 100-jährigen Bestehen des Bauhauses und formuliert auch nicht den Anspruch, eine wie auch immer geartete Bauhaus-Idee auf den kulinarischen Bereich übertragen zu wollen. Und das ist wohl auch gut so. Denn man macht es sich bedeutend zu einfach, den Kern der Bauhaus-Idee unkritisch im Postulat einer «Reduktion auf das Wesentliche» und die Schule zugleich als Instanz des Funktionalismus und der Handwerklichkeit aufzufassen. Dass diese Sicht vor allem der Rezeption geschuldet ist und der Vielschichtigkeit und Widersprüchlichkeit des historischen Bauhauses keineswegs gerecht wird, ist inzwischen hinlänglich bekannt und dargelegt. Insofern wird hier lediglich einmal mehr am sogenannten «Bauhaus-Mythos» weiter zementiert – und das auch noch 86 Jahre nach Auflösung der Schule.
Ich habe mich mit den kulinarisch naheliegenden und möglicherweise wesentlichen Aspekten der Bauhaus-Ideen befasst – nicht mit dem Bauhaus insgesamt. Und da fällt mir ganz entschieden nur das ein, was ich auch geschrieben habe. Es ist das, was eine neue Art von Küche begründen könnte.
Ich fand die Magazinstecke sogar äußerst gelungen und unglaublich inspirierend. Bauhaus ist eben nicht schwarz weiß sondern so facettenreich wie die fein durchdachten dargestellten Gerichte.
Liebe Anja, man muss die Aktionen rund um Das Bauhaus vor dem Hintergrund der damaligen Zeit sehen und verstehen. Danach kann man Parallelen suchen. Wenn man nur die Oberfläche nimmt, geht man an der Sache komplett vorbei.
Jürgen
Schreibe einen Kommentar! Was wäre hilfreich?!…für was?! Jürgen D. schreibt eine Kritik…. alle finden sie toll. Hat irgendjemand eine Ahnung von euch was heutzutage in der Ausbildung eines Koches geboten wird? Ähm nein! Weder Jürgen W. noch S. Hensl. oder sonst Jemand. Super arbeit die letzten dreißig Jahre von euch! Dafür das kein Landgasthof mehr überleben kann…