Taschen Verlag (Hrsg.): The Gourmand’s Egg. A Collection of Stories and Recipes. Taschen Verlag, Köln 2022. 288 S., geb., Hardcover, 40 Euro. (in englischer Sprache)
Ganz am Ende des Buches steht dieser ganz besondere Satz von Groucho Marx, dessen überaus trockenen Witz ich irgendwie für ein echtes Mantra halte, das man sich in unserer Zivilisation und angesichts des weit verbreiteten Halbdenker-Syndroms eigentlich jeden morgen erst einmal ansehen müsste. Also:
„Mein Bruder denkt, er wäre ein Huhn – wir reden ihm das nicht aus, weil wir die Eier brauchen“.
Es kommt nicht von ungefähr, dass man beim Taschen-Verlag diesen Satz ans Ende dieser recht neuartigen Betrachtung eines kulinarischen Themas gestellt hat. Man hat immer wieder den Eindruck, als ob in diesem Verlag mit sehr viel sensibler Distanz auf die Dinge gesehen wird – egal, ob man sich mit historischen Themen befasst, mit der großen bunten Popwelt, die sich vor allem im 20. Jahrhundert entwickelt hat, oder ob man mitten in einem Leben steht, das immer ein wenig staunend die Ikonen der Moderne erkennt oder manchmal sogar begründet.
Auch das Kulinarische spielt sich nicht so ab, wie man es immer meint. Sein Ort ist weder allein das Restaurant noch das, was in Kochbüchern steht. Sein gesellschaftlicher Ort wird nur sehr selten überhaupt erfasst, und sein individueller Ort, die Verankerung der vielfältigen Dinge rund um das Essen in unserer Psyche, wird noch seltener begriffen. Ich habe vor vielen Jahren begonnen, im Zusammenhang mit Essen nicht nur die Prima Materia zu erfassen, sondern auch und immer das, was ich „assoziativen Kontext“ genannt habe. Mit diesem Begriff wollte ich unter anderem klären, dass sich Essen nicht nur positiv über „Emotionen“ vermittelt, sondern es – erstens – sehr viel verschiedene Emotionen rund ums Essen geben kann und eben nicht nur gute, sondern auch – zweitens – über eine Vielzahl von Assoziationen, die sich im Grunde ständig und in großer Anzahl bei jedem von uns rund ums Essen ergeben.
An dieser Stelle setzt dieser Typus von Buch an und vermittelt endlich einmal eine kulturell komplexere Sicht auf ein Produkt, eine Sicht, die sich sozusagen mitten im Leben ergibt. Das dann bescheiden mit „Eine Kollektion von Geschichten und Rezepten“ zu beschreiben, trifft die Sache einerseits präzise. Andererseits wird der Leser schnell merken, wie sich eine solche Betrachtung in sein Gehirn bohren kann, wie sich eine andere Sicht erschließt, die viel komplexer ist, und die sich trotz aller Komplexität irgendwo ganz in der Nähe entfaltet. Das ist ein Kunststück, und außerdem eines, das ohne jeden akademischen Zeigefinger auskommt. Dies ist in gewisser Weise ein Fachbuch, dem man es nicht anmerkt. Wohl gemerkt: im Prinzip.
Das Buch
Es beginnt mit einer Art kulturgeschichtlichem Abriss (als „Einleitung“ bezeichnet) unter der Überschrift. „Eggs Are Everywhere“ – wie im ganzen Buch illustriert mit Bildern aus der Kunst. Den Anfang macht das Bild einer Wandbemalung aus Pompeii, auf dem eine Schale mit Eiern zu erkennen ist. Dann geht es an den bunten Reigen von Bildern und Geschichten, bei denen Eier eine Rolle spielen, wobei die Texte durchaus nicht nur die Bilder beschriften. Es geht zum Film, dann zu Pop („Eggs Go Pop“, u.a. mit einer frühen Illustration von. Andy Warhol), zu den Eiern in den Gemälden des früh verstorbenen, für viele Beobachter ziemlich genialen Jean-Michel Basquiat, zu Anthony Bourdain, zu Gertrude Stein und Lou Reed. Dem naheliegenden Zusammenhang mit frühem Breakfast-TV folgen die Surrealisten rund um den sehr häufig den Symbolwert des Eis benutzenden Salvador Dali, eine ebenfalls sehr naheliegende Geschichte über Mr. and Mrs. Benedict, die Namensgeber des nämlichen Gerichtes, oder die chinesischen 100-jährigen Eier. Die Illustration zu den „Feminist eggs“ ist übrigens eine junge Frau mit T-Shirt, die auf beide Brüste ein Spiegelei gelegt hat, und natürlich fehlt auch ein Ausflug ins Londoner „Savoy“ – Hotel nicht, u.a. wegen der Escoffier-Eier.
Dann folgt die Enttäuschung. Auf Seite 129 beginnt der Rezeptteil – aufgemacht mit dem Spiegelei vom Titel, das ich persönlich so nicht als Bild genommen hätte, weil man der Meinung sein könnte, es wäre wegen einiger unter- wie übergarter Stellen nicht so richtig perfekt. – Wie dem auch sei: es gibt auch noch einige weitere Anmerkungen zu diesem Rezeptteil zu machen, dem man irgendwie anmerkt, dass er aus dem angelsächsischen Raum kommt, was dem frankophilen Kenner sofort auffallen wird, weil das Ganze doch überraschend alltäglich bleibt und die ganz überragend schmeckenden Dinge aus der avancierteren Küche so gut wie keine Rolle spielen. Man meint unterschwellig zu spüren, dass hier irgendwie die Kunstszene die Finger im Spiel hat, und deren Bemühungen um Nähe zur Kochkunst fällt nun mal fast schon traditionell inhaltlich eher bescheiden aus. Die Bildende Kunst und ihre Anhänger finden Kochkunst auf ebenfalls hohem künstlerischen Niveau merkwürdiger Weise irgendwie nie wirklich satisfaktionsfähig – vielleicht weil sie eher mit der visuellen Symbolkraft von Dingen spielen und den substantiellen Eigenwert von Kochkunst nie wirklich erkennen. Der Vollständigkeit halber sei aber erwähnt, dass man allerlei Rezepte zusammengetragen hat und diese auch zum größeren Teil in einem ansprechenden Zustand sind.
Fazit
Der interessante – um nicht zu sagen: sehr gute Ansatz des Buches endet aus der Sicht des Kulinarikers in Banalitäten, die das Ganze dann doch eher zu einem Kunstbuch mit den oben erwähnten Schwächen machen. Um so etwas einmal wirklich auf durchgehend hohem Niveau hinzubekommen, müsste man vielleicht Leute beschäftigen, die ein Crossover zwischen Bildender Kunst und Kochkunst schaffen. Davon – soviel ist sicher – wird man nicht viele finden. Insofern erlebt man in diesem Band einen hoffnungsvollen ersten Teil, dessen Transfer ins Kulinarische aber nicht so recht gelingen will. Vielleicht wußten die Autoren auch gar nicht, was sie da im Prinzip anstoßen und enden deshalb kulinarisch nur mehr oder weniger in den Banalitäten der täglichen Verpflegung.
Das Buch bekommt 1 grünes B
Nun denn Herr Dollase, das Fundament für eine Geschmacksschule „Ei“ scheint gelegt, frisch ans Werk! Ich profitiere immer noch vom Tomatenkochlehrbuch.
Sehr ge- und verehrter Herr Dollase,danke für Ihre liebevolle Beschreibung.Freue mich auf meinen nächsten Parisbesuch und auf den Besuch vieler wunderbarer Restaurants,auch in Gedenken derer,die es nicht mehr gibt.Natürlich auch den alten „Bauch“,in dem ich noch 2 Jahre schwelgen durfte.
Und auf den Besuch des Geschäftes der Fa.Taschen,in dem man alle Werke des Hauses geniessen kann.
Mich spricht das besagte Foto sehr an.
Danke für Ihre Zeilen!
Sehr ge- und verehrter Herr Dollase,danke für Ihre liebevolle Beschreibung.Freue mich auf meinen nächsten Parisbesuch und auf den Besuch vieler wunderbarer Restaurants,auch in Gedenken derer,die es nicht mehr gibt.Natürlich auch den alten „Bauch“,in dem ich noch 2 Jahre schwelgen durfte.
Und auf den Besuch des Geschäftes der Fa.Taschen,in dem man alle Werke des Hauses geniessen kann.
Mich spricht das besagte Foto sehr an.
Danke für Ihre Zeilen!