The Gourmand: The Gourmand’s Lemon. A Collection of Stories and Recipes. Taschen Verlag, Köln 2024. 257 S., geb., Hardcover, 40 Euro
Dieses Buch ist das zweite, das der Taschen-Verlag in Kooperation mit dem britischen Magazin „The Gourmand“ herausbringt. Nummer 1 war dem Ei gewidmet und zeigte bereits deutlich den Ansatz, den dieses halbjährlich erscheinende „Food and Culture Journal“ vertritt. Wie immer bei Taschen ist das Buch optisch sehr sorgfältig editiert und erscheint in englischer Sprache. Diese kleine sprachliche „Hürde“ muss man heute mehr denn je verstehen. Während sich „lokale Verlage“ (also solche, die ihre Bücher nur in einem Land verkaufen) im Moment sehr schwer tun, selbst Bücher der besten Autoren des Fachs herauszubringen, geht es bei Taschen um einen internationalen Markt, der vorwiegend in den großen Städten dieser Welt vertreten ist. Diese Basis ist eine andere, aber sie ist auch – was die Inhalte angeht – bei Kochbüchern nicht ganz unproblematisch, was damit zu tun hat, dass die Orientierung an angelsächsischen Seh- und Präsentationsweisen eine große Rolle spielt.
Das Buch
Das handwerklich gut und aufwändig gemachte Buch (das gleichwohl „normal“ ist und nicht zu den spektakulären Objekten des Hauses Taschen gehört ((und….im Inhaltsverzeichnis eine Type für Zahlen verwendet, die eine dreistellige Zahl mit einer doppelten 1 am Anfang wesentlich schmaler macht als mit anderen Ziffern….aber das nur am Rande)) ist in zwei große Blöcke aufgeteilt. Bis zu Seite 123 gibt es „Stories“, ab Seite 125 Rezepte und am Schluß noch „Lemon Accessoires“. Die „Stories“ sind kulturgeschichtliche Aspekte, die allerdings nicht wirklich wissenschaftlich, sondern in einer Art britisch-angelsächsischem Schnodder-Feuilleton-Stil (besonders in den Überschriften) präsentiert werden: „Money, Power and Lemons. How Citrus Shaped the Medici Dynasty“, oder „How Lemons Made the Mob“. Als Journalist sind mir solche Manierismen spätestens seit einer frühen Zeit verdächtig, in der ich den Eindruck gewann, man wolle mit solchen Dingen irgendwelche Journalisten-Preise gewinnen, obwohl solche Versuche, den Texten TV-Moderatoren-Slang zu geben eigentlich fast immer Nonsense sind. In der Form bleibt man aber streng und arbeitet mit vielen Abbildungen, die vorzugsweise aus der Kunst stammen und eine im positiven Sinne angenehme Coffeetable-Atmosphäre entfalten. So etwas möchte man gerne lesen. Bei den Rezepten geht es ganz dann klassisch zu mit einer Seite Gericht und einer Seite Rezept, dem jeweils eine kleine Einleitung vorangestellt ist. Die Foodfotografie ist meist eher schlicht bis sehr schlicht.
Die positiven Aspekte
„Food and Culture“ ist natürlich immer eine sehr gute Kombination, die – — siehe oben – für gute Bilder sorgt und im übrigen eigentlich etwas Selbstverständliches macht. Im Gegensatz zu Büchern mit Kochrezepten und vielleicht ein wenig Historie oder Region dazu, steht hier im Mittelpunkt, wie ein Produkt in der Gesellschaft seinen Platz gefunden hat oder auch wie es instrumentalisiert wurde. Die diversen Stillleben als Abbildungen sind eben nicht nur ganz normale historische Quellen, sondern haben eine Konnotation, die bedeutet: Essen, Produkte, Kochen usw. sind Teil unserer Kultur und das auf einem essentiellen Level. Es geht quasi immer um Alltagskultur wie Hochkultur, es gibt viele Überschneidungen, es gibt eine Unzahl von Entwicklungen und Details, die man mit einem anderen Bewußtsein beachten sollte, als man es üblicherweise beim Lesen einer Rezeptsammlung entwickelt. Hier leistet dieses Buch, The Gourmand als Ideengeber und der Taschen-Verlag als entscheidender Gatekeeper eine sehr gute Arbeit, für die man dann dort, wo man schon bei einem bisschen Kultur im kulinarischen Buch auch gleich Preise bekommt, sicher sehr reüssieren wird. Gleichwohl sollte man einmal einen Blick auf die Arbeit tun, die Ferran Adrià und seine Mannschaft für das „Bullipedia“ – Projekt entfaltet. Da müsste man dann auch bei Taschen sehr bescheiden werden, weil Adrià gerade diesen Zusammenhang – vielleicht etwas wild – aber doch neu definiert.
Die nicht ganz überzeugenden Aspekte
„Schöne Bücher sind schöne Bücher sind schöne Bücher“ möchte man an dieser Stelle sagen, ein wenig, um zum Lesen dieses Buches aufzufordern, auch wenn der Blick auf die kulinarischen Details abermals eine alte Krankheit der angelsächsischen kulinarischen Literatur aufscheinen lässt. Man würde sich bei einem solchen Thema normalerweise vorstellen, dass die Verantwortlichen in der Rezeptabteilung zwei Schienen fahren. Einmal klassisches Material zum Thema Zitrone, dann aber auch das, was in der großen, weiten Welt der Kochkunst an faszinierenden Dingen mit ihr angestellt wird. In diesem Buch bekommt man wieder einmal angelsächsische Hybris der kulinarischen Art, die davon ausgeht, dass man im Vollbesitz der kulinarischen Wahrheit und der Rest der Welt eher uninteressant ist. Diese Hybris ist so ausgeprägt, dass sich irgendwelche Autoren an die Arbeit machen, die – wie die vielschreibende Kochbuchautorin Maxine Clark – selbstverständlich zu absolut jedem Thema Rezepte in jeder Stückzahl absondern können. Diese Trennung der Rezepturen von der Kochwelt entspricht im übrigen auch nicht dem restlichen Duktus des Buches oder – anders formuliert – macht im Nachhinein auch wieder klar, dass auch der kulturhistorische Teil eher durch eine britische Brille gesehen ist. Unter Kennern der Szene kursiert – sinngemäß – das geflügelte Wort, dass man Briten oder Amerikanern nie davon abhalten kann, nach Frankreich zu ziehen, ein Restaurant aufzumachen und den Franzosen beizubringen, was richtige französische Küche ist.Fazit
Fazit
Das Buch ist schön, aber… Ich muss jetzt hier einmal etwas aus dem Nähkästchen erzählen. Es kommt häufig vor, dass man neue Bücher in die Hand bekommt und sie nach einem ersten Durchblättern mit einem durchaus positiven Eindruck zur Seite legt. Vielleicht sind es bestimmte Signale, die man dekodiert und die man erst einmal vorläufig bewertet. Ich freue mich zum Beispiel immer über Bücher, die nicht nur aus Aneinanderreihungen von Rezepten bestehen, sondern mehr Kontext haben: mindestens rund um die Köche (wenn es denn sehr gute sind), gerne mit etwas Region, vor allem auch gerne mit einem größeren kulturhistorischen Zusammenhang.
Dann kommt der Entschluß, das Buch genauer zu besprechen und – so auch hier – ein differenzierterer Blick. Als Kritiker, der seit vielen Jahren alle möglichen kulinarischen Bücher in allen möglichen Formen und Zeitungen rezensiert hat, werde ich bei meiner Linie bleiben und die Eindrücke wiedergeben, die ich gewonnen habe. Das kann – wie auch hier – in Teilen sehr kritisch ausfallen. Und dennoch kann man zu einem Fazit kommen, das eine Empfehlung ist, weil ein Buch in der kulinarischen Landschaft einen guten Platz besetzt. Die Kritik im Detail ist für mich immer auch eine, die über das vorliegende Buch hinausgeht und Tendenzen im Auge hat, die vielleicht als Kritik anregen möchte, den Weg zu möglichst guten und besseren Publikationen immer im Auge zu behalten.
Danke für die präzise Beschreibung der Problematik bei angelsächsischen Kochbüchern, die wohl mit dem nicht verarbeiteten Verlust des kolonialen Weltreiches zu tun hat. Man ist es halt gewohnt gewesen, sich die Welt anzueignen, ob man sie versteht oder nicht. Schön reicht mir dann nicht mehr, da bin ich oft genug von fehlgeleitet worden. Das hat zwar seinen optischen Reiz, aber so ein Buch hat keine Tiefe und am Ende keine Funktion in der Küche. Schade, denn das Herausheben von Grundprodukten könnte tatsächlich reizvoll, lehrreich und funktional sein, also alles was bei weniger spezialisierten Titeln nicht geht.