Tanja Grandits vom „Stucki“ in Basel ist eine der besten Köchinnen der Welt. In den letzten Jahren hat sie sich vor allem mit markanten kulinarischen Schwerpunkten profiliert, die sie zum Teil auch in Büchern zusammengefasst hat – etwa „Gewürze“ von 2013 und „Kräuter“ von 2015. Beide Aspekte finden sich nach wie vor auch deutlich in ihrer Arbeit und sind keine „isolierten“ Themen, wie man das bei manchen populären Köchen findet. Am auffälligsten waren in den letzten Jahren ihre monochromen Gerichte, bei der sie jeweils ausschließlich Produkte und Zubereitungen verwendet hat, die der gleichen Farbgruppe zugehörig sind. Das schien eher ein Gag zu sein, entpuppte sich dann aber als eine kreative Variante, bei der sich Tanja Grandits auferlegte, nur mit jeweils einer Farbe zu arbeiten und dann einerseits sehr viel länger nachdenken musste, um dann – zweitens – zu oft besonders kreativen Lösungen zu kommen. Auch mit diesem neuen Thema sieht es so aus, als ob hier besonders konzentriert und konsequent an einem Thema gearbeitet worden wäre, ohne dass freilich die Leichtigkeit des Seins verloren ginge.
Das Buch
Das Buch hat erst einmal viel mit dem täglichen Leben bei Familie Grandits zu tun und da viel mit Tochter Emma Grandits. Man isst zu Hause vegetarisch und so hat sich ganz automatisch ein Fundus für dieses Buch entwickelt. Um es vorwegzunehmen: Man sollte sich da in Sachen Qualität der Rezepte nicht täuschen. Hier hat immer alles Hand und Fuß. Die Kapitel entsprechen dem Tageslauf und der Praxis. Es geht um das Frühstück, Snacks und Sandwiches, Salate, Suppen, Hülsenfrüchte, Gemüse und Kartoffeln, Reis und Pasta, „Aus dem Ofen“, Desserts und Käse und die „Schatzkammer“, worunter hier allerlei Spezialzubereitungen wie Fonds, Gewürzöle, Konserviertes und Eingemachtes verstanden wird. Was tatsächlich kulinarisch passiert, eröffnet sich dann bei den Details. Der in vegetarischen Kochbüchern häufig anzutreffende Bezug auf die mediterrane Küche (im weiteren Sinne, also auch den östlichen Bereich betreffend) ist da, hält sich aber in Grenzen. Speziell die ansonsten oft zu findende Überwürzung, die immer einen Teil der möglichen Wahrnehmungen blockiert, ist dabei nicht zu finden.
Es gibt zum Beispiel „Gedämpfte Shiitake-Buns mit Karamell-Schalotten“, einen „grünen Spargelsalat mit Minze und Bulgur“ (plus weiteren Kräutern) oder einen „Blaukraut-Grapefruit-Salat mit Dill“, der u.a. eine „Zaubermarinade“ enthält, die z.B. aus Himbeeressig, Sojasauce, Granatapfelsaft, Koriandersamen, Sternanis und Ingwer besteht. Gleich danach kommt „Mein perfekter Karottensalat“ mit den „Karamell-Schalotten“ (eine ihrer beliebtesten Grundzutaten) mit u.a. Ahornsirup, Misopaste, Zitrone und Sojasauce im Dressing. Das Wurzelgemüse-Dal hat auch einmal eine hochkomplexe Zusammensetzung, die aber im besten Sinne sehr routiniert wirkt und verrät, dass Tanja Grandits ihre Gewürze wirklich aus feinster Praxis beherrscht. Der interessierte Leser wird bei diesem Buch immer wieder hängen bleiben und über viele Details nachdenken. Und wenn man dann einfachere Rezepte kommt (also etwa die Fenchel-Biscotti oder selbst die Kartoffelbrötchen mit brauner Butter), wird die Achtung immer weiter steigen. Auch die Richtung dieser Achtung wird klar: Irgendwie erinnert die souveräne Arbeit auch im Detail von Kleinigkeiten handwerklich ganz klar an das, was Alain Ducasse macht. Oder einfacher: Da kann jemand wirklich sehr gut kochen.
Der Input kommt von der Spitzenküche
Man muss an dieser Stelle wieder einmal eine kleine Zwischenbemerkung machen. Ich weise immer wieder darauf hin, dass die Ideen für alle möglichen Küchen heutzutage vor allem aus der kreativen Spitzenküche kommen. Die vielen Bistros oder selbst Systemgastronomien mögen ihre Gerichte mit mehr oder weniger Kreativsitzungen entwickeln: Tatsächlich nutzen sie fast ausschließlich das, was aus der Spitzenküche kommt. Dass diese Feststellung auch dann gilt, wenn sich kreative Köche mit „einfacheren“ Konzepten oder auch spezifischen Küchensparten (wie hier die vegetarische Küche) beschäftigen, ist allerdings nicht immer der Fall. Für die Reduktion auf gut nachkochbare und dennoch effektive Ideen sind offensichtlich nicht alle KöchInnen gleichermaßen talentiert. Viele halten für einfach, was nicht einfach ist oder halten sich für so überragend gut, dass sie meinen, selbst karge Rezepturen aus ihrer Hand seien etwas Besonderes. Tanja Grandits ist da eine klare, positive Ausnahme. Vor allem mit ihrem Wissen aus der Gewürz- und Gemüseküche ist sie in der Lage, auch einfachen Rezepten einen „Hook“ zu geben, die kleine Besonderheit, die es speziell macht. Das gelingt hier sehr überzeugend.
Fazit
Tanja Grandits hat in ihrem Restaurant über eine beständige Arbeit eine hervorragende Sachkenntnis zusammengetragen, mit der sie für alle möglichen kulinarischen Aufgaben gewappnet ist. Da wird dann auch ein scheinbar „harmloses“, sehr praktisch orientiertes Buch plötzlich zu einem interessanten Objekt nicht nur für Leute, die das Thema interessiert, sondern auch für Profis oder fortgeschrittene Privatköche, die jede Art von Fortschritt und guten Leistungen an jeder Stelle wahrnehmen und schätzen können. Unnötig zu sagen, dass das vegetarische Fach von einer solchen Arbeit aus dem Spitzenküchen-Bereich gerade deshalb profitieren kann, weil hier mit souveränem Know How gearbeitet wird.
Das Buch bekommt 2 grüne BB
Fotos © AT-Verlag (abfotografiert von Jürgen Dollase)
Bitte beachten Sie doch auch die Eleganz der Sprache. Über „KöchInnen“ stolpert man nicht gerne, wenn man sich mit Genuß beschäftigen will.