YAM. Le Magazine des chefs. 50e Numéro Anniversaire. 50 Grands Chefs du Monde. 50 Recettes du Patrimoine Francaise. Éditions Laymon, Paris 2019. Broschur, 328 S., 20 Euro (in französischer Sprache)
Das französische „YAM“ – Magazin hat tatsächlich schon die 50. Ausgabe geschafft. Das ist auch in Frankreich nicht so ganz selbstverständlich, weil der Untertitel „Le Magazine des chefs“ hier ziemlich ernst genommen wird. „Yam“ ist kein Heft für Hobbykoch-Banalitäten, sondern gibt präzise die Arbeit von Spitzenköchen wieder – nicht nur bei den Rezepten, sondern auch in teilweise umfangreichen Interviews. Die Sonderausgabe zur 50. Ausgabe (die eigentliche 50. Ausgabe beschäftigt sich vor allem mit dem exzellenten Arnaud Donckele aus Saint-Tropez) hat zwei Teile. Nummer eins zeigt 50 Rezepte von internationalen Spitzenköchen, Nummer zwei Klassiker aus der Geschichte der französischen (Spitzen-) Küche. Beide Teile bringen eine Vielfalt an Informationen und sind höchst interessant.
50 berühmte internationale Köche: die Deutschen fehlen
Es geht in diesem Heft natürlich nicht um ein internationales Ranking. Trotzdem fällt sofort auf, dass – um es einmal so zu formulieren – die internationale Vernetzung deutscher Köche nicht gut genug ist, um auch ganz selbstverständlich in diesem schönen Feature, das in Frankreich sehr viele Leute erreichen dürfte, vertreten zu sein. Jeder Koch wird mit vier Seiten präsentiert: ein ganzseitiges Porträt, eine Seite mit Grußkarte und kurzer Vorstellung seiner Arbeit und zwei Seiten Rezept mit Foto. Das sieht alles nicht nur gut aus, sondern hat auch noch eine Art künstlerischen Sog erzeugt. Man bekommt schnell den Eindruck, als ob die Köche mit richtig guten Rezepten glänzen wollten – zumindest weitgehend. Platziert sind sie in alphabetischer Reihenfolge von Gaston Acurio (der mittlerweile 43 Restaurants in zehn Ländern besitzt) bis zu Marc Veyrat, der sein erstes Rezept, das er vor 30 Jahren realisiert hat, abdruckt und von ihm sagt, dass es immer noch aktuell sei. Es ist ein Lamm mit Feld-Thymian/Quendel (Serpolet), das Rack komplett in einer Cocotte gegart. Es gibt zum Beispiel von Juan Mari Arzak über Holzkohle gegrillten Austern, von Massimo Bottura seine Tortellini mit Parmesan-Crème, von Andreas Caminada den filigran exekutierten Zander mit Fenchel und Zitrone und von Mauro Colagreco die in Salzkruste gegarten Rote Bete mit Kaviar-Sauce. Alexandre Couillon, der neue französische Star der Fischküche, glänzt mit einem Ikejime-Steinbutt und „Jus de tête“, Pierre Gagnaire mit der Kombination von Poularde, Foie gras, Holunderbeeren, Navets und einem Liqueur von Rote Bete und Hibiscus und Marc Haeberlin mit einer nochmals puristisch-differenzierten Version seiner Gänseleberterrine. Daniel Humm präsentiert den New Yorker Käsekuchen mit Kaviar und Spargel, Virgilio Martinez seinen „Mountain Rain“, Yoshihiro Narisawa sein Boeuf Tajima und auch Magnus Nilsson ist noch einmal vertreten, und zwar mit einem drei Jahre gereiften Hering. „Shawarma von Knollensellerie“ heißt es bei René Redzepi und „Mousse von Beaufort mit frischen Kräutern“ bei Jean Sulpice. Über viele diese Köche wurde in „YAM“ bereits ausführlich berichtet. Dennoch ist dieses Heft eine prächtige, sehr gut zu lesende und sehr informative Zusammenstellung
50 Rezepte aus dem französischen Erbe: Beeindruckendes aus einem Land, dessen kulinarische Kultur uns alle geprägt hat
Der zweite Teil hat eine ganz besondere „Versuchsanordnung“. Die Redaktion hatte die Idee, die 50 wichtigsten Rezepte des französischen „kulinarischen Erbes“ aus mehreren Jahrhunderten auszuwählen und sie nachkochen zu lassen, und zwar von Mitarbeitern des „Institut Paul Bocuse“ in Lyon, einer der wichtigsten Fachschulen des Landes für die unterschiedlichen Aspekte der Gastronomie. Diese Idee ist natürlich sehr gut und verschafft dem Leser staunenswerte Einblicke vor allem in die zeitlichen Verhältnisse: vieles, was man hier findet und was überhaupt nicht altmodisch wirkt, ist schon vor langer Zeit entwickelt worden. Die Auswahl ließe sich natürlich diskutieren. Aber – das ist normal, vor allem deshalb, weil der Überblick naturgemäß sehr schwierig zu bekommen ist.
Es beginnt gleich puristisch und extrem süffig mit dem Wolfsbarsch mit Kaviar von Jacques Pic aus dem Jahre 1971, gefolgt von der Béchamel-Sauce des Louis de Béchamel aus dem 17. Jahrhundert und der „Brandade de Morue“ von Charles Durand aus dem 19. Jahrhundert. Die „Ente Apicius“ von Alain Senderens aus dem Jahre 1985 ist immer noch ein Ausbund von Kochtechnik und natürlich fehlt auch der „Saumon à l’oseille“ von Jean und Pierre Troisgros aus dem Jahre 1962 nicht. Beim Foto dieses Klassikers bin ich mir allerdings nicht sicher, ob man damals wirklich die Sauerampfer-Streifen bräunlich angegart serviert hat. Der Artischockenboden mit Foie gras und Trüffel ist aus der Hand der Mère Brazier und stammt in etwa aus den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts, das Flußkrebs-Gratin von Marguerite Bise von 1928, die Mousseline de Grenouille von Paul Haeberlin von 1966 (mit einer der besten Sahnesaucen aller Zeiten) oder die „Taube André Malraux“, eine der typischen Pariser Widmungs-Gerichte von René Lasserre aus dem Jahre 1942. Es geht kreuz und quer durch die Jahrhunderte – wobei eines der modernsten Gericht das Kartoffelpüree von Joel Robuchon von 1980 ist. Es macht Spaß, diese Dinge zu lesen. Die Auswahl zeigt sehr deutlich, was heute droht in Vergessenheit zu geraten und dass dies nicht gut ist, weil viele dieser Gerichte auch einen großen Einfluß auf die ganz normale bürgerliche Küche haben können und sollten
Fazit
Sammelbände sind immer eine gute Idee, weil sie einen wichtigen Überblick verschaffen. Hier nun bekommt man die kulinarische Welt von heute und die von gestern, wenn nicht komplett, dann doch in bedeutenden Auszügen, die jeden Interessierten inspirieren werden. In seiner Vielfalt und Tiefe ist das prächtig gemacht und für 20 Euro dazu auch noch unschlagbar günstig. Man kann das Heft wohl noch längere Zeit im Zeitschriftenhandel bekommen, ansonsten geht es auch online.
Der Sonderband zur 50. Ausgabe von „YAM“ bekommt 3 grüne BBB
… und eine Bitte um Verzeihung für die Schreibfehler… 😉
Dieses „Heft“ schlägt so maches dicke kochbuch um Längen. Vielen Dank, Hewrr Dollase, für die Inspiration.
Vielen Dank für die Information. Es lohnt sich.
… und die digitale Ausgabe (via YAM-App) kostet sogar nur 14,99 €. Eine gute Option, wenn man gerade nicht an einem Maison de la Presse vorbeikommt bzw. Versandkosten sparen möchte.