Einer der wichtigsten internationalen Gastronomie-Kongresse wird in diesem Jahr wegen der in Spanien ganz besonders schlimmen Corona-Krise Online stattfinden. „San Sebastian Gastronomika“ ist am Standort San Sebastian quasi der Nachfolge-Kongress zu „Lo mejor de la Gastronomia“. In diesem Jahr nun hat man beschlossen, den Kongress und damit vor allem die Beiträge der vielen eingeladenen Köche, online stattfinden zu lassen. Start ist heute, Montag, der 4. Mai um 10.30 mit Mauro Colagreco. Das Programm für die erste Woche ist veröffentlicht.
Insgesamt werden über 50 Top Chefs zu Worte kommen – mal mit eigenen Beiträgen, mal in Interviews, mal mit Diskussionen in größerer Runde, mal mit Vorführungen. Details für die kommenden Wochen finden sich auf www.sansebastiangastronomika.com
Hier nun das Programm der ersten Woche – mit einigen kleinen Anmerkungen:
Montag, 4. Mai
10.30 Uhr: Mauro Colagreco vom Restaurant „Mirazur” in Menton/Frankreich.
Thema: „‘Mirazur‘ am Tag danach. Wie wird mein Restaurant aussehen, wenn es wieder geöffnet wird?
Die aktuelle Nummer 1 der Welt in den 50Best hat eine sehr natürlich, offenen, „down to earth“ – Denkweise und einen Betrieb, in dem im Sommer normalerweise von mittags bis abends in mehreren Services vor ausverkauftem Haus gearbeitet wird – mit entsprechend viel Personal und einer großen Organisation.
17 Uhr: Interview mit Luis Planas Puchades, dem Spanischen. Minister für Landwirtschaft, Fischerei und Ernährung.
Interviewer sind Benjamin Lana vom Veranstalter und der Präsident von Madrid Fusión, José Carlos Capel
Dienstag, 5. Mai
10.30 Uhr: Ángel León vom Restaurant „Aponiente” in Cadiz, seit 2018 mit drei Michelin-Sternen ausgezeichneter Fisch-Spezialist. Sein Thema: „Über den Fisch im Vorratsregal hinaus: Die Zubereitung von Sea Food ohne Fisch“.
León arbeitet seit 2015 mit allerlei unbekannten und seltenen Produkten aus dem Meer (bis hin zu Plankton). Insofern hat sein Thema nichts mit irgendwelchen Krisen zu tun, sondern mit seinem speziellen Ansatz.
17 Uhr: Ferran Adrià mit dem Thema „Wie man an die neue Revolution herangeht“
Der Meister ist umtriebig wie eh und je und wird auch weiterhin für Neuigkeiten sorgen. Was sich bei ihm verändert hat, ist, dass sein Blick jetzt mehr auf das Ganze und die Zusammenhänge geht. In Kürze wird es ein neues Buch geben, das ich schon vorliegen habe. Ich werde hier darüber berichten
Mittwoch, 6. Mai
10.30 Uhr: Eneko Atxa vom „Restaurant „Azurmendi” in Bilbao mit dem Thema: „Einfachheit und visuelle Poesie in der Küche“
Atxa hat nicht nur adäquate Teller, sondern auch ein Restaurant, das in seiner ganzen Anlage ein solches Thema unterstützt. Die Gerichte sind klein und konzentriert, klare Formulierungen mit tragenden Ideen.
19 Uhr: Alex Atala vom Restaurant „D.O.M.“ in Sao Paulo, Brasilien. Mit dem Thema: „Lehren aus dem Amazonas-Gebiet. Vorräte und Küche.“
Wie viele der kreativen Südamerikaner fährt auch Atala eine klare Nova Regio – Linie mit vielen für uns ungewöhnlichen bis unbekannten Produkten und einer Orientierung zwischen Regionalküche und Avantgarde
Donnerstag, 7.Mai
10.30 Uhr: Pitu Roca vom Restaurant „El Celler de Can Roca” in Girona, Spanien mit dem Thema: “Wie man die Integration eines Sommeliers in das Restaurant-Team erleichtert“
Zuerst einmal etwas zum Namen. „Pitu“ ist der Spitzname von Josep Roca, einem der Roca-Brüder und Sommelier. Das Thema wundert mich nicht, weil Pitu Roca geradezu vorbildlich in die Abläufe des Restaurants eingebunden ist. Der Kreativprozess bei den Rocas läuft zwischen den Brüdern ab, und Ausgangspunkt für neue Gerichte sind auch immer wieder einmal Weine oder eine bestimmte Kombination von Wein und Speisen.
17 Uhr: Oriol Castro, Eduard Xatruch und Mateu Casanas vom Restaurant “Disfrutar” in Barcelona mit dem Thema: “Die bemerkenswertesten Techniken, die im ‚Disfrutar‘ entwickelt wurden“.
Das 2014 eröffnete Restaurant liefert mit riesigen Degustations-Menüs so etwas wie die große spanisch-avantgardistische Oper, in der sich diverse Strömungen der spanischen Avantgarde treffen. Die drei Köche war allerdings auch nicht unbekannt. Sie stammen aus der „El Bulli“-Mannschaft und gehörten dort zum Kern-Team. Nach Schließung des „El Bulli“ im Jahr 2011 begannen sie zuerst im nahen Cadaques im Jahre 2012 mit dem „Compartir“, bevor sie 2014 auch noch das „Disfrutar“ eröffneten. Das Restaurant liegt im Moment auf Platz 9 der „50Best“.
Freitag, 8.Mai
10.30 Uhr: Najat Kaanache vom Restaurant „Nur“ in Fes/Marokko mit dem Thema: „Europäische Einflüsse in der marokkanischen Küche und umgekehrt“
Köchin Najat Kaanache ist in Spanien groß geworden und hat – man ahnt es – ebenfalls im „El Bulli“ gearbeitet. Ihr moderat-avantgardistische Küche hat starke Wurzeln in der marokkanischen Küche. Das „Nur“ gilt als das beste marokkanische Restaurant weltweit und hat bereits rund um den Globus Aufmerksamkeit erregt.
17 Uhr: Quique Dacosta vom gleichnamigen Restaurant in Denia/Spanien mit dem Thema: „Die Geschäfte neu erfinden“
Quique Dacosta ist sozusagen der Altmeister der spanischen Kongresse und von Anfang an ständig und überall vertreten. Dafür gibt es Gründe. Zum einen ist er ein extrem kreativer Koch, der nach wie vor ständig neue Ideen realisiert. Dann ist er sehr redegewandt und damit ein beliebter Gesprächspartner, von dem man über alle Aspekte des Berufes viel erfahren kann und außerdem ist er ein zunehmend umtriebiger Geschäftsmann mit vielen Aktivitäten. Das Thema scheint zur Krise zu passen. Ich habe dazu hier auf www.eat-drink-think.de und in der AHGZ ebenfalls schon geschrieben.
Soweit die erste Woche von San Sebastian Gastronomika.
Ja, das ist das Buch. Der Inhalt ist sehr breit angelegt und die Texte entsprechend. Man versucht aber erkennbar, durch viele Bilder und viel Gliederungen den massiven Inhalt anschaulich zu gestalten. Es ist kein wissenschaftliches Buch im alten Verständnis, sondern das, was Adrià „Sapiens“ nennt – das zusammengetragene Wissen der Welt.
Hallo Herr Dollase, meinen Sie mit Adrias neuer veröffentlichung “ what is cooking“, das anfang juli bei phaidon erscheinen soll? bin sehr gespannt auf diese veröffentlichung, kann aber noch nicht einschätzen, ob dieses buch auch für nichtprofessionelle köche sinnvoll und nützlich ist?