Die Gastromesse Internorga findet jedes Jahr im März in Hamburg statt. Sie gilt als Pflichttermin der deutschen Hotellerie und Gastronomie und fast 100.000 Besucher folgen diesem Ruf. In jedem Jahr halten die Platzhirsche unter den Ausstellern an ihren angestammten Plätzen fest und nur wenige Teile der Messe werden von Erstlingstätern in Beschlag genommen. Da ist es auch kein Wunder, dass es neben der Suche nach Neuigkeiten auch immer wieder zu Treffen mit alten Bekannten kommt. In den verschiedenen Abteilungen der Messe separiert sich auch das geneigte Fachpublikum. Während die Kneipenwirte mehr in den Bierhallen, die Hoteliers sich eher in den Hallen für Hotelausstattung und die Systemgastronomen auffallend oft in den Abteilungen für Kontrollsysteme und elektronische Orderhilfen aufhalten, findet man unsere Kernkundschaft, die gehobene Gastronomie gerne in den Hallen für Kulinarisches und den Hallen für Küchentechnik.
So kommt es auch, dass man sich in diesen Hallen manchmal wie auf einem überdimensionalen Klassentreffen fühlt.
Die Trends in diesem Jahr waren so ziemlich, alles was mit dem Thema Grillen zu tun hat und passend dazu das Thema „Craft Beer“.
Wenn man sich für diese Themenbereiche interessierte, war man auf der Internorga wirklich gut aufgehoben. Auch in vielen anderen Bereichen gab es Weiterentwicklungen, aber eher in kleinen Schritten. Freundlich ausgedrückt: „same procedure as every year.“
In der Küchentechnik haben sich nur die Verkaufsargumente drastisch geändert. Während in den vergangenen Jahren Funktionalität, Design und Preis-Leistungs-Verhältnis noch die viel zitierten Schlagwörter waren, wurden in diesem Jahr Fähigkeiten proklamiert, vor denen ein Koch vor einigen Jahren noch Angst hatte.
Es geht ums Protokollieren. Aufgrund von gravierenden Gesetzesänderungen ist aus dem Beruf des Kochs eine Art von Listenführer geworden. Es handelt sich dabei zum einen um die Beweisführung der Einhaltung der neuen Arbeitszeit- und Mindestlohngesetze, die zwar gut gedacht, aber in der Gastronomie einfach nicht umsetzbar sind. Zum anderen um die völlig weltfremden Nahrungsmittel Deklarationsverordnungen, die den Koch dazu verdonnern zu jeder Speise, sei sie auf dem Teller angerichtet oder auf dem Buffet einen Beipackzettel mit allen Allergenen und Zusatzstoffen mit zu liefern. Das geht so weit, dass die Gewürzmischungen, die in den Speisen Verwendung finden, aufs Feinste zerlegt werden, um diese zum Beispiel auf Spuren von Sellerie zu untersuchen und dann als Allergen auf dem Frühstücksbuffet an dem dort servierten Eiersalat zu deklarieren. Das sind Arbeiten, die in einem wissenschaftlichen Labor sicher angebracht sind, aber nicht in der Küche eines Restaurants. Mit jedem Gericht, das neu auf die Karte kommt oder sonst wie herausgegeben wird, sind damit stundenlange Recherchearbeiten verbunden, und jede, noch so kleine Rezeptänderung muss aufs Genaueste durchdacht und in deutscher Gründlichkeit protokoliert werden. So ist es kein Wunder, dass Küchengeräte mit eingebautem Computer, die diesen Job zumindest teilweise übernehmen, hoch im Kurs stehen.
Das Hauptthema der Branche war aber mit Sicherheit der Fachkräftemangel. Mittlerweile ist diese Situation dermaßen eskaliert, dass an Ferienorten, in denen sowieso nur an vier Monaten im Jahr Geld verdient werden kann, selbst in dieser kurzen Saison ein oder zwei Ruhetage eingeführt werden müssen, weil man einfach kein Personal mehr findet. Verschärft wird diese Situation durch die Tatsache, dass aufgrund der neuen Arbeitszeitverordnung Überstunden quasi verboten sind.
Da ist es wirklich nicht erstaunlich, dass Kulinarisches auf dieser Messe im Dialog eine eher untergeordnete Rolle spielte. Wenn es auf dem Messegelände mal zu diesem Thema kam, dann immer mit dem Unterton der Verfügbarkeit von Spezifikationen. Diese Spezifikationen sind notwendig, um die neuen Programme und computergesteuerten Küchengeräte mit Daten zu füttern, die diese brauchen, um ihren Job machen zu können. Am besten noch in einem Format, das von dem jeweiligen Gerät auch noch gelesen werden kann. Und hier ist der Punkt, an dem sich alle einig sind. Diese Daten können nur von der Großindustrie bereitgestellt werden und dann wird auch klar, wer diesen ganzen Wahnsinn angezettelt hat. Traurigerweise ist das keine Zukunftsmusik, sondern gelebte Gegenwart.
Kleine Manufakturen und handgemachte Spezialitäten sind quasi vom Handel ausgeschlossen worden. Trauriges Fazit.
Aber es gibt noch ein wenig Hoffnung und diese liegt in der Nische der ambitionierten Gastronomie. Hier können große Ketten und Konzerne nicht mitspielen, weil ihnen ihre Software hier im Weg steht.
Kleine, ambitionierte Gastronomen entfliehen diesem Regulations- und Deklarationszwang, indem sie ihr ganz eigenes Ding mit natürlichen und deklarationsfreien Produkten machen. Diese wunderbaren Gastronomen finden ihre Quellen und Inspirationen jedoch nicht auf der Internorga, sondern auf Parallelveranstaltungen, die einem Normalsterblichen auf ewig verschlossen bleiben.
Die beste und gefragteste ist mit Sicherheit die Gastro Premium Night, die am Messemontag auf dem Hamburger Süllberg stattfindet. 60 hochkarätige Aussteller zeigen dort den etwa 2.000 handverlesenen Gästen aus der Spitzengastronomie, was es kulinarisch zu entdecken gibt. Diese Veranstaltung, auf der Kaviar- und Trüffelproduzenten sich mit den besten Fisch, Fleisch und Kräuterproduzenten ein Stelldichein geben und großzügig ihre Preziosen verteilen und verkosten lassen, ist eigentlich zu schön um wahr zu sein und ein wahrer Grund Hamburg im März jedes Jahr zu besuchen.
www.internorga.com