Iwan Driesen, Stephanie Lücken, Pieter Smits: Rijsel. Het Kookboek. Fontaine Uitgevers, Amsterdam 2022. 288 S., geb., Hardcover, ca. 35 Euro. (in niederländischer Sprache, Foodfotografie: René Mesman)
Gute Kochbücher aus den Niederlanden sind bei uns meist kaum ein Thema. Im Land selber leider auch nicht, weil der Buchhandel in einer wirklich höchst bedenklichen Weise nur noch an der Nadel weniger internationaler AutorInnen hängt, deren Namen zu nennen mir meist schon schwerfällt, weil ich ihre zutiefst populistische Arbeit für eine schiere Katastrophe halte. In den Buchhandlungen findet man kaum jemals ein Buch aus der Spitzenküche des Landes. Die Bücher von Jonnie Boer und seinen Kollegen scheinen wie verdrängt – wenn denn überhaupt noch Bücher aus dieser Ideen-gebenden Szenerie erscheinen. Restaurants gibt es derweil durchaus viele und von seriöser Qualität – alles kein Thema.
Wie dem auch sei: mit dem Buch, über das ich hier berichten will, hatte ich wirklich nicht gerechnet. Es gibt hier zwar überall im Lande eine breite Szene von recht zuverlässig-modernen und zugänglichen Küchen, und gerade in Amsterdam natürlich besonders viel. Das „Rijsel“ ist da allerdings eine auch in den Niederlanden selten zu findende Ausnahme (das Wort „Rijsel“ ist übrigens der Name für die flämisch-französische Stadt Lille, im „Rijsel“ gibt es eine Art flämisch-französische Küche). Warum mir das Buch aufgefallen ist, liegt ganz klar an der Stilistik. Es gibt viele Bistros und Brasserien, die sich an Traditionsküche versuchen, und vor allem gibt es auch eine ganze Menge von Büchern in dieser Richtung (bei uns allerdings etwas weniger…). Mittlerweile wird in diesen Büchern der Anteil von kulinarischem Schnickschnack immer größer und die traditionellen Qualitäten nehmen ab. Insofern wirkte das „Rijsel“ – Buch auf mich ein wenig wie Anarchie. Das Konzept des Restaurants ist dabei eigentlich eher modern – es handelt sich also nicht um eine alte Kneipe, sondern eher um ein Restaurant im Cafeteria-Stil mit offener Küche. Die Küche aber hat einen wirklich markanten Zugriff auf Traditionelles. Und das macht das Buch über das „Rijsel“ zu einem speziellem Erlebnis.
Eine Anmerkung zur niederländischen Sprache. Ich wohne nicht weit von der Grenze und habe in meinem Leben – gerade in früheren Jahren – sehr viel niederländisches Fernsehen gesehen. Wir profitieren hier am Niederrhein von der Ähnlichkeit zwischen unserem Platt und der niederländischen Sprache. Insofern verstehe ich sehr viel bis fast alles und lese Bücher ohne Probleme. Ich glaube aber, dass sich auch Leser aus anderen Landesteilen sehr schnell in diese Sprache einlesen können und das Buch insofern sprachlich kein großes Problem ist.
Das Buch
Man stellt hier zunächst das gastronomische Konzept dar – mit ersten Texten über die Protagonisten und dann ihrem kulinarischen Konzept. Man kann – das kommt gleich und groß gedruckt – darauf hinweisen, dass es ein gewaltiges Gefühl sei, Gäste zufrieden nach Hause zu schicken und wenn man Starköche wie Sergio Hermann ein simples Côte de Boeuf genießen sieht. So etwas kann man anhand dieses Buches nachvollziehen: hier geht es um die traditionellen Sachen, und wenn die richtig gut sind, sind auch die besten Köche als Gäste nicht weit…
Ungewöhnlich ist ein Abschnitt, in dem über die Mengen berichtet wird, die man hier bei den Gängen praktiziert, also etwa 150 – 250 ml Suppe pro Person, beim Hauptgericht 90 – 120 gr. Fisch oder Fleisch und 20 – 40 gr. Sauce. So etwas liest man üblicherweise nur in Fachbüchern für die Kochausbildung…Im Verlauf des Buches gibt es dann noch eine Reihe von kleinen Texten zu diversen gastronomischen Themen wie etwa „Über Perfektion“, über „Lecker Essen“, oder über „Das perfekte Restaurant“. Im Kern stehen aber die üblichen Dinge plus einige Basisrezepten am Schluß des Buches.
Es gibt sehr, sehr Bodenständig -Traditionelles mit einem oft klaren flämischen Twist, der vielen Lesern vielleicht nicht viel sagt. Er ist – sagen wir es so: noch einen Tick rustikaler und manchmal sogar etwas brut. Schon das erste Gericht macht das ganz deutlich. Es gibt ein spezielles Kartoffelpüree mit pochiertem Ei, Garnelen, frittierter Petersilie und Kapern und man hat sofort diesen Mix aus Süffigkeit, Bodenständigkeit und einem Hauch von Brut-Würze. Auch der extrem knapp gegarte Kabeljau danach bekommt nicht nur mit Lauch und Beurre blanc Süffiges, sondern auch wieder die frittierte Petersilie. Die Interpretation vom Saumon a l’oseille aus dem Hause Troisgros konzentriert sich nicht unbedingt auf das Hauptprodukt: es ist hier sehr dünn geschnitten, so dass man vor allem den Akkord hat. Die Kalbszunge bekommt eine Petersilienvinaigrette mit frischem Meerrettich, die Foie Gras-Terrine ist mit Ochsenschwanz angereichert, das Parfait von Hühnerleber gibt es tatsächlich mit sauren Gürkchen und der Toast mit Pilzen wird mit Cognac angereichert.
Bei Fisch und Muscheln weiß man sehr genau um die Wirkung von Staudensellerie (in Belgien/Flandern sehr populär zu Muscheln und Fisch) und schafft oft ganz allgemein eine Art Metropolen-Brasserie-Geschmack der alten Art, aber mit einem verbesserten Handwerk und immer guten Produkten. Über die Röstnoten, die hier manchmal im Spiel sind, kann man sicherlich diskutieren – sie sind oft eine Folge des hier eben etwas kräftigeren Zugriffs, der keine Verfeinerung in Form von Verdünnung zu kennen scheint. Es ist klar, dass man beim Fleisch dann den ganz festen Zugriff hat. Aber – das Spektrum zieht sich eben von einem wundervoll anzusehenden Côte de boeuf bis zur gefüllten Wachtel mit Morcheln, einem flämischen Fasan mit Kohl und Speck und sehr produktnah gehaltenen Nieren. Selbst den vegetarischen Gerichten verleiht man hier eine rustikal-süffige Note: es soll eben richtig kräftig schmecken – auch wenn man das Fleisch weglässt.
Fazit
Irgendwie kommt man hier aus dem Schmunzeln kaum heraus. Man ahnt die Absicht und sagt sich unweigerlich, dass es eben hin und wieder auch einmal die „volle Dröhnung“ sein muss. Und weil es hier einen Mix aus Rustikalität und durchaus seriöser Kochkunst gibt, hat dieses Buch – auch hier in den Niederlanden, die wir so selten auf dem Schirm haben – etwas von Dingen im Elsass, vom Baskenland, von Asador Etxebarri usw. usf. Es geht um den interessanten Punkt, wo es eben nicht Brauhaus ist, sondern eher eine traditionelle gute Küche, die man erst handwerklich gut behandelt und dann wieder ein Stück in Richtung von Rustikalität dreht. Ein Kunststück.
Das Buch bekommt 2 grüne BB
Es ist klar, was sie gemeint haben, aber die „neue Schreibweise“ ist nicht korrekt, sondern ideologisch. Der Duden gibt die korrekte Schreibweise vor.
Wo sind das traditionelle Niederländische Rezepte???
Ich rede nicht von „traditionellen Niederländischen Rezepten“. Ich rede von einer französischen Küche mit flämischen Einflüssen.
Gruß JD
Die korrekte Schreibweise ist nach Rat der deutschen Rechtschreibung – und nur dessen Regeln sind verbindlich – „Autor“.
Alles andere (Autor*innen, AutorInnen, Autor/innen) ist ein von der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung abgelehnter ideologischer Unfug, und sonst nichts.
Gibt es Kochbücher nur von Autorinnen?
Warum verwenden Sie die deutsche Sprache PC -konform, Herr Dollase?
Das frage ich mich leider auch. Es stört die Lesefreude…
Ich habe „AutorInnen“ geschrieben, also die korrekte neue Schreibweise benutzt… Ich habe nicht „Autorinnen“ geschrieben…Insofern sind männliche und weiblich Personen gemeint. Gruß JD
Bleiben Sie beständig fortschrittlich modern lieber Herr Dollase! Gendern ist wie Sterneküche: Abwechslungsreich und inspirierend! Vielen Dank für die schöne Rezension des niederländischen Kochbuch!
Sprachverhunzung, die obendrein noch Missverständnis produziert, ist kein Fortschritt und unter Abwechslung verstehe ich auch etwas anderes als Texte sinnfrei mit * zu überwürzen.
Es ist klar, was sie gemeint haben, aber die „neue Schreibweise“ ist nicht korrekt, sondern ideologisch. Der Duden gibt die korrekte Schreibweise vor.
Nein, der Duden gibt sie nicht vor. Da wird mittlerweile auch behautet ein Autor sei ein ausschließlich männlicher Schreiber. Da sitzen auch Ideologen in der Redaktion.