Old-Timer

Immer wenn sich die ersten richtigen Sonnenstrahlen des Jahres blicken lassen, muss ich an meine Kindheit denken. Ich erinnere mich daran, wie sehr ich mich darüber gefreut habe, wenn ich endlich wieder mit meinen Freunden draußen spielen und herumtollen konnte. Wenn ich an früher denke, dann kommt mir unweigerlich das Bild des rostroten Opel Kadett Caravan meines Vaters in den Sinn. Es war ein wundervoller Wagen, mit Felgen, die für mich immer wie stilisierte Sterne aussahen. Er hatte eine beige Inneneinrichtung, oft waren Gepäckträger auf dem Dach montiert und das Auto kam mir als Kind immer riesengroß vor. Die Gasdämpfer der Heckklappe waren nicht mehr intakt und mein Vater hatte einen Besenstiel im Kofferraum, den er zwischen Stoßstange und Heckklappe klemmte, wenn er etwas einladen musste. Als Kind habe ich mich immer gefragt, warum er nicht einfach einen neuen Gasdämpfer einbaut, um das Problem ein für alle Mal zu lösen. Heute habe ich ebenfalls ein altes Auto und eine Handvoll andere Projekte und frage mich eher, wann der Mann mit drei Kindern und zwei Oldtimern überhaupt die Zeit gefunden hat, den Besenstiel auf die richtige Länge abzusägen. Dieser Wagen hatte einen Geruch, den nur ein Opel Kadett haben kann und jedes Mal, wenn ich auf Oldtimermessen oder Ausstellungen einen ähnlichen Geruch wahrnehme, schließe ich die Augen und bin wieder der kleine Junge mit dem Siku-Auto, das einfach überall fahren konnte, ganz gleich ob der Untergrund horizontal oder vertikal war.

Es gibt Dinge, die wir nie vergessen, ganz gleich wie lange sie schon her sind. Ich bin sogar der Meinung, dass Gerüche und Geschmäcker Erinnerungen am besten einfangen, detailreicher als eine Fotografie, realer als eine Videoaufnahme. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum ich Koch werden wollte. Die schönsten Momente sind vergänglich. Ein Essen mit der Liebsten, ein Drink mit dem besten Freund. Der erste Schluck Whisky in einer Destille. So vergänglich sie auch scheinen mögen, so schnell sie an uns vorüberziehen, ohne dass wir es merken, sind sie doch aber unvergesslich. Wenn wir diesen Geschmack wiederaufleben lassen, selbst Jahrzehnte später, dann kommen die Erinnerungen zurück und wir sind wieder im Restaurant, wieder in der Bar, wieder in der Destille.

Der Duft des Kadetts, der Geschmack der Kirschblüten-Kaugummis, die mir ein Mädchen geschenkt hat, in das ich als Junge verliebt war. Der Geruch und Geschmack von aufgewirbelter Asche auf dem Bolzplatz, auf dem wir hin und her rannten, wir schrien, wenn wir uns die Knie und Schienenbeine aufgeschürft hatten und wir uns so sehr einen Rasenplatz herbeiwünschten.

Der Geschmack von früher ist das, was uns regelmäßig in die Heimat treibt, zu Familie und Verwandtschaft. Es ist möglich (und sogar wahrscheinlich), dass heute alles anders aussieht, wenn wir in unserer alten Nachbarschaft spazieren gehen. Ein Waldstück wurde für ein Einkaufszentrum gerodet, ein alter Weiher wurde zugeschüttet. Das ist der Lauf der Zeit und so verändert sich natürlich unser Bild von damals. Aber irgendwo – auch wenn wir es uns nur einbilden – können wir mit unserer Nase noch eine der Liguster-Hecken von früher erahnen. Auf irgendeinem Dach ist noch immer der dicke Moosteppich, der in den ersten Sonnenstrahlen seinen arteigenen Duft abgibt. Vielleicht ist auch noch hinter irgendeinem Zaun ein Kirschbaum, dessen Blüte bereits in vollem Gange ist. Auch wenn wir sie nicht sehen, glauben wir, dass sie noch da sind. Warum? Weil es in unserer Erinnerung für immer so bleibt. Das ist der Grund, warum uns der fachlich völlig falsch zubereitete Sauerbraten unserer Oma immer besser schmecken wird, als das perfekteste Gericht eines jeden Küchenmeisters. Ob er in einer Vergleichsverkostung noch immer bestehen würde ist zweifelhaft, aber im Grunde auch gänzlich irrelevant. Die Nostalgie tut ihren Teil dazu und ich glaube es ist gut, dass es so ist.

Zugegeben; auf das Wesentliche heruntergebrochen, ist unser dieswöchiger Drink ein alter und verstaubter Hut. Aber manchmal, mit einem Kniff und etwas Phantasie kann auch ein alter Hut wieder in vergessenem Glanze strahlen. Für unseren Drink brauchen wir einen kräftigen, geschmacksintensiven Rum und ein schönes Highballglas, das mit Eiswürfeln gefüllt ist. Wir geben 5 cl des Plantation Original Dark Rums, sowie einen Barlöffel Cocktailkirschsirup und 1 cl des Sudachi Saftes über die Eiswürfel in das Glas. Mit einem Barlöffel wird das ganze circa 30 Sekunden kaltgerührt, bis die Wände des Glases leicht beschlagen. Wir geben zwei Limettenachtel dazu und füllen mit frischem Eis auf. Aufgegossen wird das Ganze mit der Curiosity Cola. Zum Schluss wird noch eine Limettenzeste über dem Glas ausgedrückt und mit einem Stück Ingwer über den Glasrand gefahren.

Noch bevor ich einen Schluck von diesem fabelhaften Drink nehmen kann, kitzelt mich die aufsteigende Kohlensäure an der Nase. Wenn ich einen Schluck trinke, dann überkommt mich sofort ein Gefühl von Nostalgie – kurios, denn ich habe im Einzelnen natürlich keine Verbindung zu den jeweiligen Zutaten. In seiner Gesamtheit wird mich dieser Drink aber immer an meine erste Kirschcola erinnern, auf dem Bolzplatz in einer Halbzeitpause. Oder an eine, die ich trank, als ich meinen Vater bei der Arbeit besuchte, bevor wir in den rostroten Opel Kadett stiegen – und nach Hause fuhren.

Auf die Erinnerung,

Der heilige Helge

Zutaten bei BOS FOOD zu bestellen: 5 cl Plantation Original Dark Rum • 1 BL Cocktailkirschsirup (Art. Nr. 11341) • 10 cl Fentimans Curiosity Cola (Art. Nr. 48461) • 1 cl Sudachi-Saft (Art. Nr. 48853) • 2 Limettenachtel • Limettenzeste • 1 Stück Ingwer

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