Ogottogott! Anmerkungen zum neuen Gault&Millau-Magazin

Man wird nicht umhinkönnen, das neue Gault&Millau-Magazin weitgehend konzeptlos, überflüssig und im Detail auch noch ärgerlich zu finden. Man findet nichts, das es nicht seit vielen Jahren auch in anderen Magazinen gibt, epigonale Standards also. Es wirkt so, als ob man aus den üblichen Versatzstücken etwas zusammengepuzzelt hätte, dazu noch die öde, anämische Titelbild-Ästhetik von „Salon“ kopiert und mittels Layout-Moden (viel weiße Flächen) nebst dickem Papier schließlich auf scheinriesenartige 186 Seiten gekommen wäre.

Zu Beginn sieht es erst einmal wie ein Frauenmagazin aus einer mühsam erkrampfen Schickeria-Abteilung aus, Überschrift: „Was wir uns für den Frühling wünschen“, ein paar Blümchen, etwas Geschirr, irgendwie scheint es immer mehr um die Bilder als um Inhalte zu gehen. Schon beim Titelbild, das ja gerade bei einem ersten Heft prägend sein soll, gibt es allerlei mitkommunizierten Inhalt, der so gar nicht zu dem (ich nenne es „scheinintellektuellen“) Bild passen will, das man sich bei Freunden des Gault&Millau-Führers so gerne zusammenschmiedet. Das Bild zeigt weder ein Restaurant noch einen Koch, kein Produkt oder angerichteten Teller, es zeigt… eine Livestyle-Szene (Anmerkung: das Cover der Null-Nummer, mit der man Werbung gemacht hat, zeigte noch Hans Haas). Es gibt ein etwas älteres Paar unterschiedlicher ethnischer Herkunft (und da soll keiner sagen, dass wäre keine Absicht…), die Frau kocht, der angegraute, aber scheinbar schlanke und fitte Mann küsst sie auf die Wange wie als Dank dafür, dass sie sich – Achtung! Doppelemanzipation! – mit der Küche beschäftigt und er das nicht machen muss. Wer genauer hinsieht – aber auch nur der – wird entdecken, dass es sich wohl kaum um eine private Küche, sondern um eine Restaurantküche handelt, was aber nicht unbedingt einen Unterschied macht.

Der Untertitel des Magazins ist übrigens „Entdecken, Staunen und Genießen“, und dazu passt auch, was im Editorial steht: „Wir machen unseren Lesern die schönen Dinge des Lebens schmackhaft, zeigen Trends, aber auch Orte der Tradition und Beständigkeit in der Welt der Kulinarik, des Weins und des Lifestyles.“ Also der Versuch einer „Salon“-Kopie. Wenn man sich das Heft unter diesem Aspekt ansieht, darf man vermuten, dass bei den Verantwortlichen ein Richtungsstreit existiert, der noch nicht ausgetragen ist. An der Oberfläche hat schon mal die Lifestyle-Fraktion gesiegt, während man im Detail immer noch sozusagen Dinge mit sich herumschleppt, die viel zu komplex und textlastig sind (wird die Lifestyle-Fraktion sagen). Es ist klar, wie das ausgehen wird – der Feinschmecker fing schließlich sogar einmal als eine Art kulinarisches Feuilleton an…

Immer noch vorab muss ich noch einmal auf den Komplex „Lifestyle“ und „Orte der Tradition“ zu sprechen kommen und zwar wegen einer vierseitigen Geschichte über die „Auberge de l’Ill“, die in ihrer ganzen Dummheit schon geradezu unverschämt ist. Ich fürchte, das wird die Zukunft des Heftes sein. Unter dem Titel „Frösche, Pfirsich und Queen Mum“ schreibt eine Autorin etwas über dieses gerade kulinarisch so markante Restaurant und schafft es, in dem ganzen Text die Küche quasi gar nicht zu erwähnen. Statt dessen geht es wie in einer Art kulinarischen Regenbogenpresse um Schickimicki, also Promis, „Geschichtchen“, illustriert mit Promi-Fotos. Aus. Punkt. Sonst nichts. Kurz, knapp und verfälschend. Es ist unfassbar.

Das Heft
Die immer wieder auftauchenden Kurztexte im Lifestyle-Modus (Zitat: “Bitte keine Harmonie! Warum Nervensägen, männermordende Schönheiten und trinkfreudige Künstler für die gelungene Gästemischung so wichtig sind.“) möchte ich jetzt einmal beiseite lassen und die großen Features erwähnen. Sie beginnen auf Seite 30 mit einem Text von GM-Chef Wirtz über seinen Koch des Jahres Thomas Schanz, der damit zitiert wird, dass er sich um aromatische Eigenständigkeit bemühe. Ich persönlich hatte das Restaurant nicht unbedingt für eine gute Wahl gehalten, weil ich exakt diese Eigenständigkeit im aromatischen Bereich vermisst habe und Schanz immer in Mainstream-Nähe sehe. Danach geht es um Fleisch und Reife, dann um Martin Fauster, den es von München nach Freiburg getrieben hat. Auf Seite 50 erscheint das erste Rezept des Heftes – ebenfalls Handwerkliches ohne wirklich prägnante aromatische Ebenen. Dann geht es um Hartkäse, dann um Artischocken, in auf Kultur getrimmten, nicht wirklich kulinarischen Texten. Eine junge Küche kommt nicht vor.

Auf Seite 83 geht es um Wein. Auch hier zunächst um den Winzer des Jahres im Gault&Millau-Führer. Es folgt ein Text über Alex Koblinger von „Döllerers Genusswelten“ in Golling, meinen „Sommelier des Jahres“ in der FAZ vom November 2020. Dann kommt Fritz Keller zu Wort und die Gault&Millau Sommelière des Jahres 2020, Nancy Großmann (meine Sommelière des Jahres 2019, pardon… ich kann mir diese Bemerkungen nicht verkneifen…) stellt ihre drei aktuellen Lieblingsweine vor.

Auf Seite 123 beginnt sozusagen der Reiseteil. Es geht in die Champagne, (alle Texte wieder mit viel weißen Flächen), nach Sizilien, und nach Südtirol.

Ab Seite 159 heißt es „Gestylt“, u.a. mit einer Strecke über Stefanie Hering und ihr Geschirr.

Fazit
(Siehe oben). Wenn man gutwillig ist, würde man sagen: abwarten. Hier kommt nichts substantiell Neues, das muss noch werden, wird bald verschwinden oder ganz in Richtung Salon gehen. Mit dem vor Jahren erschienenen und dann eingestellten Vorläufer gibt es übrigens kaum konzeptionelle Übereinstimmungen.

Das Magazin bekommt 1 rotes B.

10 Gedanken zu „Ogottogott! Anmerkungen zum neuen Gault&Millau-Magazin“

  1. Diese Kritik kann ich nicht nachvollziehen. Das Magazin ist besser als Fallstaff oder Der Feinschmecker jemals war. Ich halte diese Kritik fûr “verschmokt” Da bin ich ganz bei Hellmuth Karasek. Der kritisierte im Juni 2015 im Hamburger Abendblatt die FAZ-Kolumne des von ihm als „FAZ-Gourmet-Papst“ bezeichneten Dollase, die er „sonst im Jahr zu lesen vermeide, […] weil es [ihm] sonst den Magen umdreht, [ihm] die Galle hochsteigt und der Kragen platzt.“ Im weiteren Verlauf bezeichnete Karasek Dollase, als „hoch überschätzten Kollegen“. Weitere Zitate aus Dollases Kolumne unterbrach er mit Spottaussagen wie: „Aber es kommt noch besser, noch verschmockter“.[6]

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  2. Mein Mann hat mir als Kochbegeisterte dieses Magazin mitgebracht. Ich kann Herrn Dollase nur zustimmen, für mich war nichts in diesem Magazin zu lesen, was mich interessiert hätte. Nett aufgemacht erinnert es mich an Coffetable-Bücher, die man schön auslegen, aber denen man keinen Informationswert entnehmen kann.

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  3. Bringen sie doch einen eigenen Führer raus,alle anderen haben ihrer Meinung nach ja eh keinen sinn,und Ahnung hat ausser ihnen ja sowieso keiner,…ihrem Verständnis nach zumindest was natürlich absoluter Quatsch ist.

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  4. Ich finde das GM Magazin super , und viele mir bekannte gourmets auch,.. Nun ist es ja so herr dollase, dass ihre polarisierung nur einen Zweck erfüllen soll…. Keiner hat Ahnung nur sie und es hat auch nur eine Küche zugeben nämlich ihre kreativ küche,… Sie sind lächerlich herr dollase und keineswegs der kulinarische Papst.

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