Man kann es drehen und wenden wie man will, man kann die guten Beispiele – wie etwa das „Fischereihafen Restaurant“ in Hamburg -ausnehmen, und trotzdem wird der Blick auf das, was man an norddeutschen Küsten mit dem Fisch macht, nicht besser. Man denkt vielleicht sogar an die bayerische Küche oder die in Schwaben und wird zu dem Schluss kommen, dass man deren oft gute Qualitäten mit der norddeutschen Fischküche leider nicht vergleichen kann. Im Süden kann es ohne weiteres passieren, dass man irgendwo auf dem Lande und ohne jeden Pomp und ohne jede Notiz in irgendeinem Reise- oder Gourmetführer ein gutes, angenehmes Essen bekommt. Im Norden muss man die meisten Fischgerichte fürchten, weil sie schlechte Garungen und/oder eine schlechte Würze haben – wenn man denn überhaupt etwas von einem Fisch mitbekommt, der unter dicken Hüllen und Bergen von Bratkartoffeln verschwindet.
Ich versuche es immer wieder und gerate meist nach wenigen Tagen norddeutsch-bürgerlicher Fischküche in einen Zustand, in dem ich der nächsten Probe völlig ohne Hoffnung entgegensehe. Ich rechne mittlerweile meist mit dem Schlimmsten. Dabei habe ich klare Vorstellungen davon, was erreicht werden könnte, und es sind nicht zuletzt Köche im Norden, die mir gezeigt haben, wie wunderbar traditionelle Zubereitungen schmecken können. Aber warum haben sie so wenig Einfluss auf den Gang der Dinge? Warum hält sich beharrlich eine so schlechte Küche, die anscheinend auch noch voll zum kulinarischen Profil der Gäste passt? Wie kann es sein, dass ich auf den Bänken vor dem „Klibfisch“-Imbiss-Schiff in Bremerhaven sitze und den Backfisch mit Kartoffelsalat noch für eine der besseren Varianten halte, weil der Akkord zwar mit Fisch nur bedingt zu tun hat, aber mit dem milden Kartoffelsalat und der Backkruste eine recht entspannt schmeckende Sensorik entfaltet?
Hier ein paar Gedanken zum Thema. Nicht abfällig oder polemisch, sondern – sagen wir: besorgt.
Fischküche oder Küche unter Verwendung von Fisch?
Es fällt zunächst einmal immer wieder auf, dass nicht nur die Auslagen in norddeutschen Fischgeschäften von den vielen Räucherfischen farblich dominiert werden, sondern dass ganz allgemein der Eigengeschmack vieler Fische nach der Behandlung durch Räuchereien wie Köche eine eher geringe Rolle spielt. Um die Qualität der Fische erkennen zu können, muss man sie regelmäßig erst einmal freilegen. Dabei kann man durchaus zu dem Schluss kommen, das Material sei „mehr oder weniger frisch“, also nicht übel. Die Garungen in der Pfanne, mit oder ohne Panierungen oder Eihülle tragen regelmäßig dazu bei, dass das Eigenaroma des Fisches oft bis zur Unkenntlichkeit kaschiert wird. Eine „Fischküche“ im engeren Sinne, bei der es darum geht, aus diesem kostbaren Naturprodukt etwas adäquat Gutes zu machen, ist nicht zu erkennen. Das gilt oft auch dann, wenn sich die Gerichte moderner zeigen und mit asiatischen oder auch diversen süßlichen Aromen gearbeitet wird. Darüber hinaus kann man auch häufig Übergarungen feststellen, die die Struktur des Fisches zusätzlich zerstören. Eine aktuell gegessene Kutterscholle mit dicker, aber nicht besonders gut schmeckender Kruste, zeigte ein Fleisch, das eine faserige, an feuchte Watte erinnernde Textur hatte. In der überwiegenden Zahl von Fällen findet man auch keinerlei adäquate Würze, die dem Fleisch etwas aromatische Struktur geben könnte. Gerichte, bei denen man den Eindruck hat, sie würden das Produkt in einen passenden, guten Rahmen stellen, sind kaum jemals anzutreffen.
Hat man „den Schuss nicht gehört“? Ist die norddeutsche Fischküche in eine Isolation geraten, die auch einer Art kulinarischem Populismus geschuldet ist?
Man kann Vergleiche heranziehen. An den französischen Küsten oder auch in Belgien, von der Küste bis zu den großen Brasserien der Städte, hat die klassisch-französische Küche deutliche Spuren hinterlassen. Natürlich gelingt auch dort Vieles in den „normalen“ Restaurants nicht wirklich gut. Aber tendenziell stehen die Produkte eher im Vordergrund und werden nicht grundsätzlich schon von den Konzepten der Gerichte her in einem solchen Ausmaß bedrängt, dass man nichts von ihnen schmecken kann. Eine Beurre blanc und ihre Varianten tun da eben eine ganz andere Arbeit. Außerdem sind auch oft Garmethoden wie Dämpfen, Pochieren oder Ofengarung im Einsatz, die dem Fisch etwas mehr Charakter lassen.
In der norddeutschen Fischküche scheint der französische Einfluss kaum angekommen zu sein, und zwar weder bei den Rezepturen noch bei der Kochtechnik. Insofern kann man oft auch den Eindruck gewinnen, in der norddeutschen Fischküche seien weitgehend eher schwächere Köche im Einsatz als etwa an französischen Küsten. Unabhängig davon, wie weit man Köche für diese Schwächen verantwortlich machen kann, muss man sich die Frage stellen, warum im Norden so wenig vom heilsamen Einfluss der französischen Küche zu spüren ist. Verfolgt man die Entwicklung im süddeutschen Raum, so ist klar zu beobachten, wie schnell in den 60er und 70er Jahren die Region vor allem im Badischen von neuen (französischen) Einflüssen durchsetzt wurde. In dem Maße nun, in dem die räumliche Distanz zu Frankreich im Norden eine Rolle spielte, konnte sich dort eine bürgerlich-vergröberte Küche verfestigen, der bis auf den heutigen Tag eine qualitätssteigernde „Belüftung“ weitgehend zu fehlen scheint. Dazu kommt dann noch ein Publikum, das selten oder nie andere Maßstäbe kennengelernt hat oder – bei den jüngeren – einen Eklektizismus liebt, der ohnehin sein Heil in intensiven Aromen aus aller Welt, nicht aber in gesteigerter Finesse sucht. Man macht, was ankommt, und es kommt an, was immer gemacht wurde oder ganz allgemein populär ist. Wenn eine solche Lage dominiert, setzt sich regelmäßig eine nach unten führende Qualitätsspirale in Gang.
Dass übrigens der Vergleich mit süddeutscher Regionalküche vergleichsweise schlecht für die norddeutsche ausgeht, hat natürlich auch damit zu tun, dass Fleisch sehr viel geduldiger ist, und eine fleischlastige Küche mit einem Schwerpunkt bei Braten und Würsten einfacher zu realisieren ist, als eine gute Arbeit mit den empfindlichen Fischen. Das muss man sehen. Wenn gleich gute oder gleich schlechte Köche aus beiden Regionen an der Arbeit sind, muss man damit rechnen, dass die Fischgerichte schwächer ausfallen.
Tarnen und Täuschen als kulinarische Programm? Warum kulinarische Traditionen eine schwere Last sein können
Man wird angesichts der norddeutschen Fischküche den Eindruck nicht los, dass kulinarische Traditionen eine schwere Last sein können. Das Räuchern war eine Form der Haltbarmachung von Fisch, der ansonsten – vor allem wegen mangelnder Kühlmöglichkeiten – nicht besonders gut aufbewahrt werden konnte. Dieses Problem gibt es nicht mehr – aber immer noch Massen von per Räucherung geradezu neutralisiertem Fische. Noch heute kann man in namhaften Fischräuchereien zu Hauf Fische bekommen, bei denen man eigentlich vor allem Rauch schmeckt und etwas Textur bekommt. Ein Hauch von frischem Rauch auf einem fast rohen Seesaibling, bei dem man vielleicht noch die ganze jodige Frisch schmeckt, ist davon Welten entfernt.
Vielleicht gab es auch einmal gute Gründe, den Fischen so zu Leibe zu rücken, dass man nicht so richtig durchschmeckt, wie frisch sie eigentlich sind. Ich habe im Laufe der Jahre unter dicken Panierungen und Eihüllen immer wieder Fisch vorgefunden, der eigentlich nicht mehr auf den Tisch gehört hätte. Vulgo: arbeitet man grob und tarnend, hat man viel länger etwas von den Fischen. Wenn der Mund mit krossen Partikeln eines Backfisches beschäftigt ist, wird er nicht feststellen können, dass dieser vielleicht besser nicht mehr pur genossen werden sollte.
Was sich also irgendwann einmal aus Gründen einer guten Praktikabilität entwickelt hat, sollte nicht zwingend als eine wertvolle kulinarische Tradition durchgehen. Es gab und gibt Traditionen, die geben nicht viel her und sind in einer Zeit, in der man längst neue, sensiblere Vorstellungen und Techniken entwickelt hat, eher kontraproduktiv.
Derweil kann man sich wundern, dass selbst dort im Norden, wo bestes Material ankommt und verkauft wird, keine gute Fischküche existiert oder gezielt angeboten wird. Die „Deutsche See“ in Bremerhaven hat riesige Anlagen, aber weder ein eigenes Restaurant, in dem man einmal präzise demonstrieren könnte, wie sich eine hohe Wertschätzung für Fisch in der Küche niederschlagen könnte, noch ein ganz normales Fischgeschäft vor Ort. In den lokalen Geschäften kann man eher den Eindruck bekommen, dass immer zuvörderst jener Fisch verkauft wird, der gerade „weg“ muss… Und in Cuxhaven, einem ebenfalls beträchtlichen Anlaufpunkt für viel guten Fisch, spielt sich das Angebot in Unmengen fast identischer Restaurants ab, in denen kaum jemals ein Hauch von Präzision oder dem echten Fisch-Potential zu erkennen ist.
Es wird sehr schwer sein, jemals aus dieser verfahrenen Ecke herauszukommen.
Ich arbeite seit vielen Jahren als Mietkoch in Norddeutschland in den verschiedensten Restaurants. Auf Grund meiner sehr guten Ausbildung und Fortbildung ireicht das Spektrum von Sterneniveau bis Landgasthaus. Und ja, es gibt viele sehr ambitionierte Köche/Restaurants die versuchen, handwerklich gut gekochtes Essen mit einer tollen Stilistik an den Gast zu bringen. Doch genau hier beginnt das Problem. Der Gast. Gerade in den ländlichen Gebieten kann man keinerlei kulinarische Vorbildung, oder gar den Willen Neues zu entdecken, erwarten. Hier zählt lediglich: Muss nicht schmecken, muss reichen. Da MUSS der Fisch durchgebraten sein da er ja sonst sofort tödlich ist. Und es MÜSSEN Bratkartoffeln dazu sein, eine Polenta oder gar keine Sättigungsbeilage geht gar nicht!
Trotzdem hat jeder Gast natürlich die sensorische Fähigkeit als größter Kritiker aller Zeiten zu agieren und seine nichtgewollte Meinung kund zu tun. Dabei können sie oftmals nicht zwischen zu Brei gekochtem TK und frischem Gemüse unterscheiden. Mein liebster Fisch? Schweinelachs. So lange so viele Menschen sensorisch unterirdisch agieren und den Preis über alles setzen wird sich nichts ändern.
Ich habe es gewagt in meinem Restaurant keine Bratkartoffeln anzubieten, den Fisch glasig zu servieren, ab und an mal italienische Gerichte OHNE Sahnesauce zu geben. Die Kritiken waren in 80% vernichtend bis persönlich. Egal. Die meisten Deutschen haben kein Verständnis für Essen. Wenn sich das nicht ändert wird es auch nur in norddeutschen Großstädten gute Fischgerichte geben.
Ja, Fisch-Böttcher ! Seit meinem 7. Lebensjahr kaufe ich dort. Früher gab´s daneben dann auch noch „Kuthe“ mit bürgerlicher Küche und norddeutsch-freundlicher Atmosphäre. Der Niedergang der Fischläden und familiären Schlachtereien liegt offenbar an uns, den Kunden : Mein 2. Fischmann konstatiert, dass die Kunden nur noch mit Filets umgehen können und manche Fische (Makrelen, frische Heringe) ganz verschmähen. TV – Kochen ist eben offenbar kein Ersatz für gute kulinarische Erziehung und für Vorbilder, wie meine kochende Großmutter und die ganze Familie es waren. Aber wie ändern ??
Im „Osten“ sind die Müritzfischer mit ihrem Laden in Waren ein Paradies. Und Ausflüge zum Hecht- und Maränenkauf an den Schaalsee könnte man auch heute noch machen.
Vielen Dank für den an sich deprimierenden Artikel, Herr Dollase.
Als geborener Hamburger sah ich über die Jahrzehnte, wie ein Fischhändler nach dem anderen in der Elbmetropole aufgab. Gründe ?
Nun, Fisch wurde immer teurer, Schwein und Geflügel immer billiger. Rechnet man als Hauptgericht mit 200 Gramm Fleisch pro Person, sind es bei Fisch 400 Gramm. Der Freitags-Rotbarsch für eine vierköpfige Familie wird da zum kleinen Luxus, denn Rotbarsch-Filet wird online zur Zeit zwischen 22 und 30 Euro pro Kilogramm angeboten. Kein Wunder, dass günstige Aqua-Kultur-Kreationen wie Lachs, Zander, Pangasius-Wels, Tilapia-Buntbarsche und der geschmacksarme Köhler, vulgo Seelachs, die Tiefkühltruhen und Convenience-Produkte beherrschen.
Ein fabelhaftes Fischgeschäft ist der alteingesessene Familienbetrieb Böttcher am Mühlendamm 17 in Hamburg-Winterhude, knapp gegenüber der Einmündung der Gertigstrasse. Seit 1913 werden im kleinen Laden des 5-stöckigen Jugendstilhauses Fische verkauft. Trotz rustikaler Öffnungszeiten (montags geschlossen, samstags von 8-12, Montag bis Freitag von 8-12 und von 15-18 Uhr) stehen die Kunden auf dem Gehweg geduldig in der Schlange, wenn sie denn nach langer Suchfahrt einen illegalen Parkplatz gefunden haben.
Hinter dem rechten Tresen berät und handhabt der Chef Wilhelm Böttcher, 76, sein Frischfisch-Sortiment auf Eis und kontrolliert sein Hälterbassin. Linker Hand werden von drei Mitarbeitern Fischmarinaden und Räucherfische gewogen und über den hohen Kühltresen gereicht.
Ich bin süchtig nach Böttchers weissem Heringssalat, nach seinen Sahne-Heringfilets in dicksteifer Crème mit Gemüsezwiebelringen, nach seinen Gambas in Knoblauchöl, nach seinem Brathering in sauer, nach seinem (echten) Matjessalat, nach seinem – wie alles andere auch – hausgemachten Kartoffelsalat, egal, ob süddeutsch mit Speck/Essig/Öl oder norddeutsch mit Mayonnaise und Gurke. Auch die dicken Fischfrikadellen sind einen Besuch wert, die im historischen „Altonaer Ofen“ selbstgeräucherten Fische sowieso.
Der Chef erzählte mir, dass er die „Lappen“, also die Bismarck-Filets, selber herstellt. So bleiben sie mild-säuerlich. Die Industrieware ist aus Haltbarkeitsgründen nach rund 20 Tagen im billigen Brandweinessigbad sodbrandverdächtig sauer. Bei Fisch-Böttcher nimmt man sich die Zeit, die Heringe und andere Zutaten für die Salate hübsch klein zu schneiden. Andere Fischhändler und Supermarkt-Fischtheken schneiden die Filets husch-husch zweifingerbreit. Das gibt Kleckerei beim Abbeißen vom Brötchen und ungerechte Ecken auf dem Butterbrot, in denen nur Sauce liegt.
Selbstredend gibt es bei Böttcher in der Saison ( in diesem Jahr ab dem 16. Juni ) auch die erstklassigen Primtjes – bereits fettgefutterte, zartschmelzende Matjes aus Holland, jahreszeitlich bedingt aber noch ohne Ausbildung von Milch und Rogen (Spermien und Eier), ab Ende Mai bis Anfang Juli im Nordatlantik gefangen, Doppelfilets mit Schwanzflosse, mit dem körpereigenem Enzym Pankreatin gereift, deutlich milder gesalzen als Matjes aus deutscher Produktion, mit mindestens 16 Prozent Körperfett. „Deutsche See“ bietet online ein 550 g-Gebinde Primtjes für 23,62 Euro das Kilo an.
Ein befreundeter Küchenmeister und Chefkoch in Schleswig-Holstein weiß um die Qualität der Primtjes, hat aber nach der 2. Matjes-Saison aufgegeben und sich der Gastkritik gebeugt. Zu oft monierten Gäste das vermeintlich blutige Areal um die Hauptgräte, störten sich am Schwanz, an Hautresten und kleinen Seiten-Gräten, changierenden Farben von elfenbein über rosa, marzipanfarben bis hin zu grau-beige. Jetzt serviert er die billigen „Matjes nordische Art“ , also Einzel-Filets mit einheitlicher Färbung, ohne jede Hautreste, ohne Schwanzflosse, mit chemisch aufgelösten Gräten, künstlich mit dem Enzym Papain gereift (proteolytische Proteinspaltung) und in Pflanzenöl eingelegt um zu kaschieren, dass für diese Möchtegern-Matjes Hering jeden Alters und jeden Fettgehalts rund ums Jahr gefangen und verarbeitet wird. So kennen es die Kunden vom 3,50-Euro-Matjes-Fischbrötchen an der Küste, so wollen sie es haben, so bekommen sie es auch. Schade.
Dabei ist die Fischzubereitung kein Hexenwerk. Einen guten Bio-Lachs auf der Haut gegrillt, dazu vorzügliches Ostseesalz und frisch vermahlenem weissen Muntok und Penja Pfeffer. Dazu ein bunter Salat ohne Körner und Käse aber mit gutem Essig und Öl. FERTIG
„Warum hält sich beharrlich eine so schlechte Küche, die anscheinend auch noch voll zum kulinarischen Profil der Gäste passt?“ – Wahrscheinlich ist das der Kernsatz des ganzen Artikels! Und in gewisser Weise auch schon die Antwort auf Ihre Frage. Denn die meisten Köche/Gastronomen bieten aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen zunächst das an, was ihre Gäste bestellen und essen. Und bei einer undifferenzierten Marktbearbeitung – wie sie insbesondere in den touristischen Destinationen üblich ist – kommt man mit diesem Verhalten auch halbwegs klar. Wer eine andere, höherwertige und natürlich oftmals auch teurere Küche anbieten möchte, der muss über den Rand von Topf und Pfanne hinausblicken, auch an anderen unternehmerischen Stellschrauben drehen. Denn nur so lassen sich in Abhängigkeit von den Erwartungen der Gäste „Wow-Erlebnisse“ und eine erhöhte Zahlungsbereitschaft erzielen. Sagen wir es kurz: Die von Ihnen wahrgenommene Fischküche ist Ergebnis einer unzureichenden Differenzierung in der Gastronomie sowie oftmals das Fehlen des dafür erforderlichen Problembewusstseins und Wissens.
Guten Morgen aus dem gescholtenen Cuxhaven.
Gerne laden wir die Redaktion zu einem kleinen Traineeprogramm in unserer Fischwelt in Cuxhaven ein.
Einen kleinen Eindruck können Sie sich ja schon unter http://www.meeresfruechte.de oder
http://www.cuxfisch.de machen.
Beste Grüße aus Cuxhaven
Michael Ditzer
Ich muss ihnen voll und ganz zustimmen.
Ich habe selber in hamburg gelernt und die ursache des Ganzen dilemmas erst letzens mit freunden erläutert.
Ich habe damals bei einem gastromen gelernt, der unter anderem für seine fisch küche bekannt war. Dort wurde absolut fische, minderer qualität verwendet. Ob es überall so ist weiss ich nicht.
Ich denke eines der großen problemen ist erstens die bereitschaft auch das nötige geld für ein gutes essen auszugeben.
Desweitern und das sehe ich als bestätigt, gibt es in Hamburg einfach einen pool an köchen, die immer in den gleichen restaurants gearbeitet haben. Es gleichen sich einfach die meisten Konzepte der profitablen restaurants. So geht der eine koche nach 6 monaten im einen restaurant ins nächste sehr ähnliche. Und so geht das schon ähnliche. Und durch diesen Austausch von gleichbleiben Wissen bleibt das angebot irgendwie immer gleich.
Im klar text: sie können in 10 restaurants gehen und bekomme wahrscheinlich 8 mal einen sehr ähnlichen kabeljau mit senfsauce, petersilien Kartoffeln auf spinat und fritiertem Rucola.
Der ideen austausch dreht sich einfach im kreis.
Ein recht ähnliches phänomen habe ich in paris erlebt, nur natülich auf einem ganz anderen niveau. Die köche dort bleiben ewig in der stadt und wechseln alle paar jahre das restaurant. Ich habe mich dort 1,5 jahre aufgehalten und mir kamen bestimmte gerichte einfach immer wieder vor augen. ( st jaques mit brunnenkresse püree und trüffel zum bespiel)
In paris klappt das ganze ab ganz gut weil einfach die qualität stimmt und die gäste dort kein problem haben 80 euro für eine vorspeise zu zahlen. Die Motivation ist dort eine ganz andere.
Die Verfügbarkeit von top produkten ist dort einfach wahnsinnig. In hamburg müsste ich mich mit der metro streiten, dass sie einsehen, dass ein Kabeljau mit parasiten im fleisch nicht verkauft werden kann. Währenddem ich in Paris um 18h den fischlieferanten anrufen konnte und noch eben frischen st. Pierre um 19 bekommen habe.
Ich habe keine lösung für das problem in hamburg, wobei es so schade ist, dass diese stadt, die mal für ihre fischküche bekannt war, nun nicht mehr als zander auf spitzkohl zu bieten hat. Wie sehen sie das. Was müsste passieren?
Danke für ihren artikel.
Touché… Auf den Punkt gebracht! Erschwerend ist auch der Personal mangel den wir in D-land nun mal haben. Schnell darf jeder Hilfskoch an den Herd und da die Speisen seit ja Jahren nichts Kosten dürfen, muss man sich nicht wundern über die Geiz-ist-Geil Auswüchse vom Herd bis auf den Teller.
Ich empfinde einige Dinge als Störend in der Darstellung und/oder Interpretation der Norddeutschen Fischküche, eventuell aber auch nur falsch von mir aufgenommen:
Warum sollte eine Französische Küche „heilend“ wirken – ich denke das geht in eine falsche Richtung – versucht man hier doch nur eine subjektiv gefühlt bessere Küche in einen belehrenden Zusammenhang zu bringen mit einer Norddeutschen Küche die nicht aufgeschlaut is?. Sollte man sich nicht viel eher darauf berufen, die vorhandenen Gerichte mit Achtung zur Historie zur Perfektion zu bringen, gegebenfalls mit Einflüssen aus anderen Deutschen Regionen?
Zudem: Muss ein frittierter Fisch immer schlecht sein? Lässt sich nicht auf in diesem (oft als Standard und generell schlechten) Rezeptgrundlagen wunderbare Abwandelungen erschaffen – wie öfters auch in Fernöstlichen Küchen zu finden? Andere Fette, clevere Panaden mit Pfiff …
Sicher haben Sie recht, der Schuldige ist der Gast. Ich meine, der Süddeutsche ,isst‘ sehr viel kritischer als der Im Norden.
Der Bayer weiß einen guten Leberkäse zu schätzen, der Gast im Norden kauft den billigsten Brathering
Für die meisten Bayern ist Forelle“ blau „oder “ Müllerin “ in Sachen Fisch schon Kulinarik. Ansonsten besteht bei vielen der Eindruck Fischstäbchen und die Produkte von “ Nordsee“ wären norddeutsche Fischküche. Deshalb werden im Urlaub auch die von Ihnen geschilderten Produkte so gerne verzehrt. Man denkt tatsächlich, dass dies die wahre echte Hausmannskost des Nordens wäre. Das entschuldigt natürlich nicht den Umgang mit Fisch, erklärt aber vielleicht ein bisschen, warum man so im “ Alten“ verhaftet bleibt.
„Für die meisten Bayern ist Forelle“ blau „oder “ Müllerin “ in Sachen Fisch schon Kulinarik.“ So ein Kokolores…
Kein Kokolores , sondern bittere Wahrheit. Natürlich gibt es viele , die gehobene Küche schätzen, Aber in der breiten Bevölkerung ist das, was ich geschrieben habe GENAU SO! Wie viele Fischgeschäfte außerhalb von Städten gibt es? Und gekauft wird in der Regel aus der Supermarktstheke Seelachs oder Pangasius.
Touché… Auf den Punkt gebracht! Erschwerend ist auch der Personal mangel den wir in D-land nun mal haben. Schnell darf jeder Hilfskoch an den Herd und da die Speisen seit ja Jahren nichts Kosten dürfen, muss man sich nicht wundern über die Geiz-ist-Geil Auswüchse vom Herd bis auf den Teller.
Zum Norden gehört ja such der Nordosten, und da wird es mit der Fischkulinarik noch gruseliger. Es gibt überwiegend Räucherfisch im Brötchen, Hering eingelegt und Matjes aus Holland. Beilagenvariante Bratkartoffeln oder Kartoffelsalat. Auch kann man das Desaster in der eigenen Küche nicht heilen, weil es kaum noch Fischer gibt, die Frisches anbieten. Der Fisch in den wenigen Geschäften kommt als Zuchtlachs aus Norwegen oder reist weit und lange aus dem Atlantik an. Da ist man nun wochenlang am Meer und dann das … Da kommt in der Tat Sehnsucht auf nach den unterschiedlichen Küchen und den Austern aus der Hand an der französischen Atlantikküste.
Meine These ist, dass das Dilemma immer am Grundprodukt liegt. Die Norddeutschen identifizieren sich nicht (mehr) mit dem Fisch als ihr ureigenes Gut. Ich weiß von meinem Mann, der das aus seiner bremischen Kindheit ganz anders erinnert. Da gab es den fliegenden Fischlieferanten, der Fisch und Granat in frischester Qualität bis ans Haus lieferte, und in bremischen Familien gab es selbstverständlich wöchentlich Kochfisch. Mit gebratenem oder frittiertem Fisch kann mein Mann nichts anfangen, weil der pure Fischgeschmack dann verfälscht ist.
Anders als beim Fleisch scheint es auch wenig Veränderung hin zum Besseren zu geben. Nur Austern sind heutzutage einfacher und in guter Qualität zu bekommen.
Schlimmer noch ist, dass es ja nicht beim Fisch aufhört. Die Brotqualität im Nordosten spottet jeder Beschreibung. Aber das ist ein ganz anderes Thema …