Niklas Ekstedt: Ekstedt. The Nordic art of analogue cooking. Bloomsbury Absolute, London 2020. 303 S., geb., Hardcover (in englischer Sprache)

Die Ausgangslage für dieses Buch ist eine extreme Küche, in der komplett auf andere Hitzequellen als offenes Feuer verzichtet wird. Dazu erst einmal ein Zitat vom Rückcover:

„Wir kochen alle unsere Zutaten über einem offenen Feuer. Holzkohle und Rauch sind unsere kräftigsten Werkzeuge. Es gibt keine elektrische grillplatte, keinen Gasofen – nur natürliche Hitze, Ruß, Asche, Rauch und Feuer. Wir haben uns für diese Art der Zubereitung als einen Tribut an diese historische Art des Kochens entschieden.“

Das ist radikal – auch wenn wir natürlich zum Beispiel bei „Asador Etxebarri“ im Baskenland Ähnliches finden. Die Radikalität einer solchen Maßnahme hat große Auswirkungen, weil mit Feuer und Rauch der gesamte Geschmack aller Gerichte eine andere Richtung bekommt.
Der 42-jährige Niklas Ekstedt kommt aus Stockholm, wo er seit 2011 das „Ekstedt“ mit diesem Konzept betreibt. Während man bei seinem Drei-Sterne-Kollegen Björn Frantzén lediglich bei einigen Gerichten die Wirkung der dort überaus detaillierten Arbeit mit offenem Feuer beobachten kann, bleibt Ekstedt bis zu den Desserts seinem Konzept treu. Die Küche ist dann auch – um das vorwegzunehmen – keineswegs ein einseitiger Berg von heftig gegrillten Materialien, sondern durchaus eine variantenreiche, detaillierte Küche. Insofern wird man immer wieder auch an die Arbeit von Kobe Desramaults im damaligen „In de Wulf“ erinnert, wo ebenfalls der Anteil der Gerichte über offenem Feuer und Grill sehr hoch war.

Das Buch

Niklas Ekstedt weiß genau, dass er bei einem solchen Buchthema auf viel Atmosphärisches setzen muss, was hier in einer Mischung aus Natur, Küche und – na ja – auch etwas Pfadfinderromantik stattfindet. Weil die Natur im Norden ziemliche Extreme zwischen Sommer und Winter bereithält, ist das Buch in die Hauptabschnitte „Herbst/Winter“ und „Frühjahr/Sommer“ unterteilt – jeweils mit den entsprechenden Schwerpunkten bei den Techniken und den Rezepten dazu. Die Tools und Techniken dazu werden zu Beginn vorgestellt. Es geht um den „Holzofen“, in dem sich traditionell Brenngut und Gargut in einem gemeinsamen Brennraum finden. Es folgen kalter und warmer Rauch, Asche/Glut, Heu-Flammen, offenes Feuer mit einem Feuertisch, eine auch im Baskenland zu findende Spezialität namens „Flambadou“ (eine Garung mit heißem/brennenden Fett) und schließlich ein gusseiserner Ofen. Ebenfalls vorab wird klar, dass ein wichtiger Teil der Inspiration bei Ekstedt aus Aufenthalten in der Natur und der Verarbeitung all dessen stammt, was man dort finden kann.

Dann geht es los mit den Rezepten, und sie beginnen jeweils mit einer kurzen Darstellung der Gartechnik und ihrer Vorteile. Beim Garen im Holzofen gibt es zum Beispiel ein „Confit von Wildente mit einem über Nacht gegarten Kohl“, bei der die Resthitze des Ofens genutzt wird. Beim Räuchern ist es etwa der „Heiß geräucherte Hering mit Muscheln und alten Karottensorten“ oder ein „Schwedischer Pfannkuchen mit geräuchertem Rentierblut, gepufftem Korn und Apfelpüree“. Bei der Garung in Glut und Asche gibt es „Geröstetes Schwein mit gepickelten Kohlrabi, in Brot gebackenen Pfifferlingen und einer Grünkohl-Cocotte“ oder das „Hoch gehängte Ribeye“, bei dem das Fleisch etwa 60 cm über der Glut hängt und langsam gart – ein wenig zur Seite verschoben, damit das Fett nicht ins Feuer tropft. Das Ergebnis sieht ausgesprochen expressiv aus.

Die Garung mit Heu sieht immer vor, das Heu über dem Gargut zu entzünden und es dem frischen Rauch auszusetzen. Davon profitieren zum Beispiel die „Jakobsmuschel und Corail mit Heu“, deren Garung – wie bei einigen Zubereitungen – Step-by-Step fotografiert ist. Es geht um kurzes Entflammen und Abbrennen des Heus in einer kleinen eisernen Pfanne, das dann mit einer weiteren Pfanne gelöscht wird und den Qualm noch einen Moment über dem Gargut hält. Beim „Lachs mit Kapern von wildem Knoblauch“ wird auch eine der wichtigen Grundzubereitungen eingesetzt, ein Heu-Salz, quasi ein mit Heu geräuchertes Salz. Über offenem Feuer geht es zum Beispiel um „Spare Ribs vom Schwein mit einer BBQ-Pflaumen-Glasur und in Salzteig gebackenen, jungen Karotten“, um „Bries mit Grünkohl, Shi-i-take und Markknochen-Jus“.

Die „Flambadou“-Technik findet Anwendung bei den „Langustinen mit Kohle-Creme und kalt geräucherter Petersilienwurzel oder dem „Flambadou von arktischem Seesaibling mit crispy Haut“. Und das war dann erst Herbst und Winter. Im Frühjahr und Sommer ist der Zugriff nicht ganz so radikal, weil immer auch allerlei rohe Elemente eine Rolle spielen, wie etwa beim „Gepickelten Makrelen-Loin mit kalt gepresstem Rapsöl und essbaren Blumen“ oder einer geradezu minimalistischen Fassung einer arktischen Königskrabbe mit Holz von schwarzer Johannisbeere.

Fazit
Niklas Ekstedt hat einen Michelin-Stern und nicht etwa zwei oder drei. Man bemerkt einen klaren, hochinteressanten Ansatz, der gerade bei uns noch eine ganze Reihe von „Followern“ finden sollte. Die Rezepte haben ein unterschiedliches Ausmaß an Finesse, sind meist aber auf der eher klaren, nicht zu komplizierten Seite. Wie weit man mit den durch diese Techniken produzierten Aromen in der Finesse gehen kann, wird also nicht ganz deutlich, da wird man bei Björn Frantzén oder Kobe Desramaults oder auch bei Marco Müller eher fündig. Diese leichte Begrenzung in der Qualität der Gerichte ist aber gleichzeitig auch eine Stärke, weil das Buch eher nachvollziehbare Angebote macht, die man ohne weiteres in unsere Gefilde transformieren kann und die auch für Privatköche eine Menge von Anregungen bieten. Unter diesen Aspekten ist das Buch sehr nützlich, auch weil Ekstedt nicht – wie oft bei Büchern mit Feuer und Flamme – fast ausschließlich mit Fleisch arbeitet. Es gibt eben auch Desserts und Gerichte, die eher transparent wirken. Ein sehr schönes, unprätentiöses und sehr nützliches Buch.

Das Buch bekommt 2 grüne BB

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