New Kid on the Blog

Über alte, köstliche und heilige Geister
Wer mich kennt, der weiß, dass es mir oft schwerfällt, am Anfang einer Geschichte zu beginnen. Aber Sie kennen mich ja gar nicht. Sehen Sie? Genau das meine ich. Wieder versagt.

Ich bin einfach sehr enthusiastisch, vielleicht hängt es ja damit zusammen. Außerdem langweilen mich Geschichten, die linear und strukturiert ablaufen. Ich sehne mich nach Abenteuern, nach feurigen Gemütern und unerwarteten Wendungen. Ich möchte Geschichten hören, bei denen der Erzähler in der Kneipe auf den Tisch haut und dabei alle gespannt an seinen Lippen hängen.
Es ist ganz egal, wo man anfängt und wo man aufhört, ganz gleich, was die Anderen erzählen. Und wie sie es erzählen.

„Man darf keinen Satz mit einem ‚und’ beginnen.“
Dürfen darf man alles. Genau aus diesem Grund sitze ich hier und schreibe Geschichten über Drinks und Menschen, die mir diese zubereitet haben, oder mir als Inspiration für einen solchen dienten. Das alles, hat mit dem Weg, den ich einmal eingeschlagen habe nur noch ziemlich wenig zu tun. Nachdem ich mit Mathematik und Religion im Abitur brilliert habe, erwarteten wohl nur die wenigstens Menschen meines Umfeldes, dass ich den Wunsch äußerte, eine Ausbildung als Koch anzutreten. Aber genau das war es, was mich gereizt hat.

„Abitur und dann eine Ausbildung?“
Na und? Auf diesem Wege habe ich den Querschnitt der Menschheit kennengelernt und bin zu einem regelrechten Herzblut-Gastronomen geworden. Es gibt kaum etwas, das Menschen so sehr miteinander verbindet, wie der alltägliche Kampf im à la Carte Geschäft, eines unterbesetzten Restaurants – also eines beliebigen Restaurants in diesem Land. Die familiäre Gemeinschaft der Angestellten und der Mikrokosmos, den ein Hotel darstellt, haben mein Interesse an guten Tropfen und Spirituosen mehr und mehr geweckt. Als Feierabendgetränk im Kühlhaus gab es da mal ein Schlückchen Banyuls, stilecht aus einer Timbalform genossen, während die Grundbestellung in zittriger Schrift auf einem Klemmbrett notiert wurde. Nach langen, anstrengenden Tagen brauchte man vielleicht auch nur eine örtliche Betäubung, damit man sich für den harschen Ton bei seinem Postenkollegen entschuldigen und Streitigkeiten begraben konnte. Doch weil einem die kulinarische Welt in einem Hotel offen steht, wächst die Angelegenheit plötzlich zu einem tatsächlichen Interesse an der Sache selbst. Es eröffnet einem die Möglichkeit, von guten Tropfen zu kosten, die man sich nicht einmal hätte leisten können, wenn man seine Ausbildungsvergütung des gesamten Monats in die Hand genommen hätte.

Ich bin also recht schnell vom Pfad abgekommen, den mir Eltern, Bekannte und Lehrer ans Herz gelegt haben; dem Himmel sei Dank. Ob Zeitungen austragen, Lager aufräumen, Dächer decken, Gärten auf Vordermann bringen, im Sternerestaurant kochen oder am Würstchengrill stehen und fragen, ob Ketchup oder Senf gewünscht ist. Mein merkwürdiger Lebenslauf mündete hier, an dieser Tastatur und das erscheint mir für alle Beteiligten mehr als in Ordnung. Nun mixe ich also Cocktails und schreibe Geschichten. Eine Kombination, die ausgesprochen gut funktioniert, wie ich festgestellt habe. Ob ich dabei immer alles richtig mache? Den Barkeepern und Mixologen unter euch würde sicherlich schwindelig werden, vor lauter Kopfschütteln. Aber ob ich deshalb auf der Liste der am meisten gesuchten Barverbrecher auftauche? Ob mich die Cocktailpolizei mit Barlöffeln bewusstlos knüppelt, wenn sie mich erwischt hat?

Möglich. Ich glaube allerdings eher nicht. Barkeeper sind im Vergleich zu Köchen von einem ruhigen und gelassenen Gemüt und betrachten das Ganze mit einem Augenzwinkern. Genau das mache ich auch. Man sollte viel öfter über sich selbst schmunzeln und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Denn wenn man mit einem Augenzwinkern durch die Welt läuft, bleiben einem halb so viele fürchterliche Anblicke erspart. Mindestens.

Vielleicht ist dies ein gutes Stichwort, um wieder zum Ursprung meiner Geschichte zurückzukehren; nämlich der Grund, warum ich überhaupt hier bin. Ich möchte Ihnen einen Drink vorstellen. Das werde ich in Zukunft öfter tun. Ich beschränke mich allerdings nicht nur auf Drinks im eigentlichen Sinne. Vielleicht schreibe ich einmal über eine mir besonders ans Herz gewachsene Spirituose oder einen besonderen Brenner, vielleicht sogar einmal ein Weingut. Wie gesagt – wir wollen die Sache ganz entspannt angehen. Doch zurück zu meinem Drink. Es ist vielleicht nicht der Originellste, nicht das Neuste vom Neuen. Vielleicht ist er auch nicht „hip“ oder „lit“, oder was in Gottes Namen die jungen Leute heutzutage sagen würden. Aber er ist ziemlich lecker und für mich persönlich zu einem Drink geworden, der öfter mal in meinem Glas landet. Und ist es nicht das, worum es geht?

Wenn Sie möchten, dann könnte die Sache hier nun eine Art Telekolleg-Charakter entwickeln. Sie sind herzlich dazu eingeladen die Drinks nachzumixen. Für unsere zukünftige Zusammenarbeit brauchen Sie dann aber unbedingt ein paar grundlegende Dinge: ein Barshaker wäre nicht schlecht, genauso wie ein Barlöffel, ein Barsieb und ein kleines Barmaß. Das gehört zur absoluten Grundausstattung, die Sie sich anschaffen sollten, für den Fall, dass das mit uns eine ernsthafte Angelegenheit werden soll. Außerdem kann man es sich leicht merken, weil alles mit der Silbe „Bar“ beginnt.

So wie „wunderbar“. Nur am anderen Ende.
Jetzt, meine verehrten Leserinnen und Leser, kann es endlich mit dem heutigen, unserem ersten gemeinsamen Cocktail losgehen. Sie füllen ein langstieliges Cocktailglas mit einigen Eiswürfeln, damit es vorkühlen kann, während wir den Rest zusammenrühren. Sie füllen den Zitronen- und Grapefruitsaft, sowie den Heidelbeersirup in einen mit Eis gefüllten Shaker. Danach messen Sie 4cl des Velho Barreira Cachaca ab und geben ihn ebenfalls dazu. Ein Zweig Rosmarin wird ein paar Mal auf die glatte Handfläche geschlagen, sodass sich einige der ätherischen Öle freisetzen. Anschließend wandert der Zweig auch mit in den Shaker. Sie setzen den Deckel auf und dann schütteln Sie, was das Zeug hält. Wenn nach einigen Sekunden das Metall des Shakers beschlägt und es Ihnen beinahe unangenehm erscheint, ihn länger in den Händen zu halten, ist dies der richtige Moment, den Shaker zu öffnen. Am allerbesten, nachdem Sie aufgehört haben zu schütteln. Das Eis aus dem Glas kann entfernt werden, weil es seine Dienste geleistet hat. Anschließend seihen Sie mit dem Barsieb (Strainer) den Cocktail in das vorgekühlte Glas. Ein Streifen Grapefruitschale wird über dem Drink ausgedrückt, sodass die ätherischen Öle freigesetzt werden und den Drink benetzen. Der ganze Raum sollte anschließend von diesem Grapefruitduft erfüllt sein. Sie können die Schale noch ein paar Mal in den Drink tauchen und anschließend wieder herausnehmen. Und nun möchte ich Sie nachdrücklich bitten, in Ihrem Lieblingssessel Platz zu nehmen, sich zurückzulehnen und alle schlechten Gedanken, alle Sorgen und jeden Kummer zu vergessen.
Mal ist es Sterneküche, mal sind es Grillwürstchen. Irgendwann sind es vielleicht Drinks. So geht es doch mit vielen Dingen im Leben, habe ich Recht?
„Some Days are Diamonds, some Days are Rocks…“, wie ein großer Philosoph zu sagen pflegte.

In diesem Sinne… Der heilige Helge

New Kid On The Blog
4 cl Velho Barreira Cachaca (erhältlich bei BosFood, Art. Nr. 47938)
1 cl Zitronensaft
2 cl Grapefruitsaft
2 cl Monin Heidelbeere
1 Zweig Rosmarin
Grapefruitzeste

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