Neues vom „Clan der Elsässer“

Gabriel Kreuther: The Spirit of Alsace. A Cookbook. Abrams, New York 2021. 368 S., geb., Hardcover. 60 $ (in englischer Sprache)

Es gibt in den USA natürlich eine fast unüberschaubare Menge von französischen Köchen. Unter ihnen ist eine ganz spezielle Gruppe, die häufig der „Clan der Elsässer“ genannt wird. Man kennt sich, man hält zusammen, man unterstützt sich und hat es oft sehr, sehr weit gebracht. Der Bekannteste unter ihnen ist sicher Jean-Georges Vongerichten, den man mit inzwischen über 50 Restaurants weltweit zur Riege der kulinarischen Großunternehmer zählen muss. Er hat dann auch das Vorwort zum Buch von Gabriel Kreuther geschrieben, das ich heute hier vorstellen möchte.

Gabriel Kreuther ist in Deutschland vermutlich kaum bekannt, obwohl er für sein Restaurant („Gabriel Kreuther Restaurant“) in New York 2 Michelin-Sterne bekommen hat. Gehen solche Restaurants in der schieren Masse unter? Nicht wirklich. Aber der Fokus in New York richtet sich natürlich in erster Linie auf die ganz großen, international immer wieder gehandelten Namen, Ripert, Humm, Keller usw. usf. Dabei kann man bei der Lektüre des Buches einmal wieder auf die Idee kommen, dass die Michelin-Sterne in den großen Metropolen eine andere Bedeutung als auf dem „platten Land“ haben. Was Kreuther in seinem Buch an Kenntnissen vermittelt, ist beträchtlich und – sagen wir es so: eines echten, umfassend gebildeten Spitzenkochs würdig.

Kreuther stammt aus dem Elsass, wo sein Großvater Enten und Gänse für die Foie gras-Produktion züchtete und sein Vater für die einschlägig aktive Firma Feyel arbeitete. Kurz und gut: seine ganze Biographie ist die eines Kochs, der irgendwie ganz selbstverständlich in der Küche gelandet ist. Die Schule hat ihn nie interessiert und seine Eltern haben ihn auf seinem Weg in die Küche bestärkt. Nach Stationen in Europa (u.a. im „Kronenschlösschen“ in Hattenheim unter Franz Keller) kochte er in den USA zum Beispiel auch für Jean-Georges Vongerichten. Im Jahr 2015 eröffnete er in NYC sein eigenes Restaurant, das mittlerweile bereits eine beträchtliche eine Reihe von Auszeichnungen bekommen hat.

 

 

Das Buch

Im Wesentlichen befasst sich dieses Buch mit zwei Blöcken. Einmal den „Klassischen Elsässer Gerichten“, und dann den „Rezepten aus dem Restaurant Gabriel Kreuther“. Kreuther selber versteht letztere als modernisierte Formen, sich mit der Elsässer Küche zu befassen, sie nicht zu kopieren, sondern aus dem Geist seiner persönlichen kulinarischen Sozialisation heraus zu kochen. Das klingt gut und gelingt gut – um das vorwegzunehmen. Dazu kommt eine Einleitung mit dem schon erwähnten Lebenslauf, das Vorwort von Jean-Georges Vongerichten und eines von Michael Ruhlmann, dem bekannten amerikanische Autor (und Co-Autor dieses Buches).

Im klassischen Teil gibt es Vorspeisen, Hauptgerichte, Vegetarisches und Beilagen, „Brot, Desserts und Getränke“ und ein Kapitel zum Elsässer Wein. Bei der Darstellung macht sich erst einmal sehr positiv bemerkbar, dass Kreuther jedem Rezept Vorbemerkungen voranstellt. Sie zeigen ihn als einen klaren Kenner der Materie, der das ganze Programm vom Presskopf bis zum Choucroute garnie auf einem seriös-traditionellen Niveau beherrscht. Beim Baeckeoffe etwa verwendet er selbstverständlich die wichtigen Schweinsfüsse als Bestandteil, benutzt keineswegs „edle“ Fleischteile (sie bringen nichts, weil dann z.B. Fett fehlt) und hat auch ansonsten bei diesem wichtigen Rezept beste Proportionen. Was mir hier dann auch gut gefällt ist, dass er nicht – wie das viele seiner deutschen Kollegen tun – irgendwie größere persönliche Noten ins Spiel bringt. Kreuther hat die Tradition gut durchdacht und die Versionen im Griff, die das Wesen der Rezepte am besten wiedergeben. Das muss man erst einmal können.

Vor diesem Hintergrund ist man dann natürlich auf seinen aktuellen Rezeptteil mit den Gerichten aus seinem New Yorker Restaurant gespannt. Es geht um Snacks vorab, kalte Vorspeisen, warme Vorspeisen, Öle, Suppen, Fonds und Jus, Seafood, Fleisch, Pürees und Desserts – alles mit diversen Erläuterungen – manchmal auch mit Step-by-Step-Bildern. Die Rezepte zeigen einen Elsässer Koch in New York, also keinen Elsässer Koch in Colmar oder Straßburg. Die internationalen Einflüsse sind erkennbar, nehmen aber immer wieder eine Wendung, die auf seine Basis, auf den Geschmack verweist, mit dem er groß geworden ist. Diese Form der geschmacklichen Authentizität schafft nicht nur gute Resultate, sondern auch eine Stimmigkeit, der die oft wahllose, eben auch aromatische Dekorationssucht vieler Köche weit hinter sich lässt.

Es gibt zum Beispiel eine „Variation von Hasenterrinen mit Gewürztraminer, Ysop und einem Kräutercoulis“, „Wachtel mit Foie Gras-Praline, Trüffelgelee und Kräutern“, Geräucherten Stör mit einer Sauerkraut-Tarte, Riesling-Mousseline und Kaviar“, Buchweizen-Spätzle mit Thunfisch und einer gebratenen Scheibe Foie gras, die Foie Gras mit Berawecka-Chutney und einer Bier-Redukiton, eine hochfein langsam gegarte Regenbogenforelle mit einer Chicoree-Emulsion, die Langustinen und getauchten Jakobsmuscheln mit einem gefüllten Kohl kombiniert, ein wunderbar anzusehendes Huhn in drei Teilen mit Ziegenfrischkäse und Kräuteremulsion oder eine an Haeberlins Cotelette de Pigeonneau erinnernde Wachtel mit Foie gras im Blätterteigmantel mit gerösteten Schwarzwurzeln und karamellisiertem Ingwer-Jus oder eine fast archaisch wirkende Tarte von Reh, Fasan, Trüffel und Foie gras. Das Spiel mit den traditionellen Geschmacksbildern bei etwa der Hälfte der Rezepte macht ausgesprochen viel Spass. Dass es dazu auch Zeitgenössisches gibt (also etwa Ceviche und Co., roh marinierten Fisch und insgesamt zeitgenössischer aufgefassten Fisch, mag daran liegen, dass er in New York mit dem Elsässer Fisch-Spektrum natürlich nicht reüssieren kann, sondern mehr Hummer und Langustinen, Muscheln und King Crab braucht.

Fazit

Die Nähe zu Traditionen und traditionellen Geschmacksbildern bringen das Buch auch näher an Leser, die sich zum Beispiel mit dem Gedanken befassen, wie man denn endlich einmal Rezepte deutscher Regionen in eine Spitzenküchen-Form bringt ohne dass sie komplett ihren Charakter verlieren. Gabriel Kreuther ist immer mehrheitsfähig, man ahnt, wie so etwas in New York mitten in der Stadt schmeckt, und dass eine solche Küche dort noch mehr Faszination entfaltet als vielleicht im Elsass. Sie muss wie eine Nachricht aus einer anderen Welt wirken und wird entweder faszinieren, weil sie geschmacklich tief ins Gedächtnis vieler Gäste eingreifen kann oder eben – für jüngere und amerikanische oder internationale Gäste – Ausdruck einer spezifischen Geschmackskultur voller kulinarischer Logik ist.

Weil Kreuther ein exzellenter Handwerker ist, können Profis und gute Privatköche hier aus dem Vollen schöpfen. Das Niveau ist hoch, die Rezepte haben nicht unbedingt Unmengen von Zutaten, dafür aber sehr ausführliche kochtechnische Anweisungen, die ebenfalls in dieser Form eher ungewöhnlich sind.

Das Buch bekommt 2 grüne BB

 

Credits Fotos: Abrams/ Evan Sung

1 Gedanke zu „Neues vom „Clan der Elsässer““

  1. Hallo liebe Genußfreunde,meine Frau und ich machen immer über Weihnachten eine Genußreise.Diesmal sind wir im Hotel Vier Jahreszeiten in Maurach/Eben am Achensee gelande und haben die im Hotel eingebundene Michl Stuben endeckt mit Ihrem Chefkoch den alle Richi(Richard)nennen endeckt.Richi ein Meister seines Faches,der von Leibzig nach Tirol gekommen ist und schon nach einigen Jahren perfekt Tirolerisch spricht,so perfekt wie Seine Küche ,die mehrfachausgezeichnet ist und wir würden 2 Sterne vergeben.
    Das Hotel 4 Sterne ist Sommer wie Winter eine Reise wert-Preis Leistung stimmt.Das ganze wird geführt von der italienischen Familie
    Condotta mit italienischer Freundlichkeit.

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