Meine lieben Leser, ich denke es ist an der Zeit ehrlich zu sein. Ich glaube unsere Beziehung ist so weit, dass ich Sie an einen gewissen Ort entführen kann. Es ist ein Ort, der vielleicht etwas erschreckend sein mag. Es könnte sein, dass Sie sich unwohl fühlen und darum bitten, sofort wieder gehen zu dürfen. Es ist kein Problem und ich nehme es Ihnen auch nicht übel. Falls Sie schwache Nerven haben oder schnell aus der Ruhe zu bringen sind, dann schlage ich Ihnen vor nicht weiterzulesen. Bis zum nächsten Mal, in diesem Falle.
Für alle Übrigen, die tapfere Handvoll, wird es nun ernst. Ich möchte nicht drum herumreden, auch wenn ich mich in dieser Disziplin als besonders begabt erweise: Es geht um meinen Keller.
Ich glaube, dass ich an der ein oder anderen Stelle erwähnt habe, wie es um meinen Keller bestellt ist. Doch bevor es um meinen im Speziellen geht, möchte ich mich mit Ihnen über das Phänomen Keller im Allgemeinen unterhalten.
Prinzipiell gibt es zwei Arten von Menschen: Auf der einen Seite gibt es die Leute (die ich persönlich immer schon beneidet habe), die ihren Keller in ein gemütliches Reich verwandelt haben. Ob es eine urige Kellerbar ist, in der die Dame des Hauses ihrer Cocktailleidenschaft nachgeht oder der Eisenbahnkeller, in dem der Hausherr wieder zum Kind werden darf, während er mit Lokführerhütchen am Trafo sitzt und Zugdurchsagen imitiert. Es gibt Leute, die haben wunderbare Werkstätten in ihrem Keller, wo sie Holzschalen drechseln oder Bibelgeschichten mit einem Lötkolben in Sperrholz brennen. Ich habe schon Keller von Familien gesehen, die mit Lagerregalen bestückt waren, in denen Lebensmittel fein säuberlich verstaut waren, mit selbigen man jahrelange Hungersnöte hätte überstehen können. Wie gesagt, seit meiner Kindheit beneide ich diese Menschen. Immer, wenn ich früher bei einem Freund oder einem Bekannten zu Besuch war und wir aus irgendeinem Grund in den Keller mussten, überkam mich die pure Bewunderung beim Anblick dieser wundervoll genutzten Wohnfläche.
Auf der anderen Seite stehen Menschen wie ich – und jeder, der mit mir verwandt ist. Die Tür meines Kellers besteht aus einigen maroden Kesseldruckimprägnierten Dachlatten, die lieblos aneinander gezimmert worden sind. Die Türe ist mit einem schweren Vorhängeschloss versehen, wobei erwähnenswert ist, dass die Dicke des Schlossbügels oder das reine Gewicht des Schlosses an sich keinerlei Rolle spielt. Das Schloss ist für den Riegel nämlich schlichtweg zu groß, sodass man ihn einfach aufschieben kann, ohne das Schloss überhaupt zu öffnen. Natürlich konnte man jetzt sagen, dass es unvernünftig ist, so etwas zu verraten, aber ich habe in diesem Keller ebenfalls etwas geschaffen, nichts worauf ich wirklich stolz bin, aber der Keller scheint sich auf diese Weise selbst zu sichern. Es ist wie in einem Indiana Jones Film. Treten sie auf den falschen Flecken Fußboden meines Kellers, setzen Sie ihr Leben aufs Spiel. Wenn man die quietschende Türe aufgeschwungen hat, gibt es nur einen einzigen Pfad, den man entlangkrakseln kann. Wenn man den Keller wieder verlassen möchte, kann man nur denselben Weg verwenden. Am besten, wenn man rückwärts wieder herausgeht und gar nicht erst versucht sich umzudrehen. Während linke Hand mit einem Weinregal, das großzügig bestückt ist und einem weiteren, in dem sich einige Dosen Sardinen, Leberterrine und Rilette befinden, der Versuch gestartet wurde, einen normalen Keller einzurichten, findet man sich rechte Hand schnell dem blanken Irrsinn gegenüber. Ein regelrechter Berg, so erhaben und ehrfurchterregend, dass man es schnell mit der Angst zu tun bekommt und man gar nicht weiß, wohin man zuerst blicken soll. Erst beim zweiten Blick merkt man, dass dieser Berg aus einzelnen, alltäglichen und zum Teil banalen Gegenständen besteht. Während der massive Fuß maßgeblich aus Möbelkisten und Bananenkartons gebaut ist, finden sich filigranere Dinge, je weiter unser Auge höher schreitet. Zwischendurch sind ein paar Obskuritäten zu finden, die zum Teil die Stabilität dieses Monuments gewährleisten. Neben einem Schminktisch im Barockstil finden sich eine Schneiderpuppe, ein Waschbrett, ein altes Schifferklavier, sowie die Replik eines nichtlizensierten Protonenbeschleunigers – das Übliche eben.
Es ist alles mit Bedacht und Vernunft gestapelt, sodass dieser Berg solide steht. Interessant wird die ganze Angelegenheit erst, wenn man etwas sucht oder etwas braucht, von dem man zwar weiß, dass man es besitzt und dass es sich auch im Keller befindet, man aber nicht sagen kann in welcher dieser Kisten es sich verstecken könnte. Soll ich Ihnen sagen in welcher? In der Untersten, soviel ist sicher. Diese Gewissheit überkommt mich jedes Mal, wenn ich in den Keller gehe und entsprechend unmotiviert begegne ich solchen Situationen. Es ist furchtbar, wenn mir bewusst wird, dass sich etwas im Keller befinden könnte, was ich suche und dabei auch noch zeitnah brauche.
Wissen Sie was viel schöner ist, als diesem fürchterlichen Ort einen Besuch abzustatten? Na, was schon!
Für diesen wunderbaren Cocktail geben wir 5 cl des Rye Whiskey in einen zweiteiligen Shaker. Dazu kommen 4 cl des Streuobstwiesen Apfelsaftes, 2 cl Zitronensaft, 1 cl Ingwersirup und ein Zweig Thymian. Zum Schluss geben wir noch einen Dash Jerry Thomas Own Decanter Bitters und einen Barlöffel Eiweißpulver dazu. Mit der Spirale des Strainers shaken wir zunächst ohne Eis, bis das Ganze schaumig ist. Wir holen die Spirale wieder aus dem Shaker und geben Eiswürfel dazu. Nun shaken wir, was das Zeug hält, bis das Metall beschlägt.
Mit dem Hawthorne Strainer und einem Barsieb seihen wir das Ganze doppelt in ein schlankes, hohes Glas, das mit Eiswürfeln gefüllt ist.
Ich drehe mich noch ein letztes Mal um, während ich im Türrahmen stehe. Irgendwo muss sich das Gesuchte hier verstecken. Ich weiß, dass es hier ist und lasse meinen Blick noch ein letztes Mal durch den Keller schweifen. Ich werde es sicherlich finden. Aber nicht heute.
Licht aus – Türe zu.
Auf das kontrollierte Chaos,
Der heilige Helge
Zutaten bei BOS FOOD zu bestellen: 5 cl Jack Daniel’s Tennessee Rye Whiskey 45% • 4 cl van Nahmen Streuobstwiesen Apfelsaft (Art. Nr. 30738) • 2 cl Zitronensaft (Art. Nr. 26906) • 1 cl BOS FOOD Ingwersirup (Art. Nr. 15640) • 1 Zweig Thymian • 1 Dash The Bitter Truth Jerry Thomas Own Decanter Bitter • 1 BL Eiweißpulver (Art. Nr. 22452)