Als ich gestern die Biotonne an die Straße stellte, wehte noch ein einziges, halb vergilbtes, Kohlrabiblatt heraus. Vom Kohlrabi-Kartoffel-Gratin mittags, das herrlich mundete. Gartenfreaks heben jetzt vielleicht drohend die Hacke und vor ihren Augen fokussiert sich die Bemerkung: Biotonne? Kohlrabireste? Pfui, sowas wird kompostiert. Ja! Wird es auch. Nur nicht in meinem Garten, sondern in der Grünabfallsammelstelle, von der ich mir dann fertigen Kompost kostenlos abholen kann. Und schon bin ich im Dilemma zwischen Pesto und Kohlrabi. Aber Felix Schäferhoff lächelt vielleicht still in sich hinein. Kompostiert? Nein. Daraus lässt sich wunderbares Pesto stampfen. Natürlich nicht aus trockenen oder angegammelten Blättern. Die Blätter aus den Gemüseabteilungen der Märkte würde ich wegen derer unklaren, chemisch behandelten Vergangenheit, eh nicht verwenden. Und ob der kostenlose Grünabfallkompost chemisch unbedenklich ist, sei mal dahingestellt. Ich bin beim Durchblättern zuerst auf das Blattpesto von Kohlrabi gestoßen (Seite 45) und es hat mich erstaunt, dass mit einer geringen Menge Blätter (100 g) eine nennenswerte Menge hergestellt werden kann. Ich befürchte, dass in meinem Mixer alles an der Glaswand klebt. Welcher Mixer bei Felix im Einsatz ist, lässt sich auf Seite 82 erahnen. Also riesige Mengen lassen sich damit nicht fertigen, eher was für den Sofortgenuss. Ein Tipp zur anderen Verwendung von Kohlrabiblättern hätte mir heute geholfen, als ich beim Angrillen für dieses Jahr die Dorade etwas trocken wurde, da ich die Alufolie im Haus vergessen hatte. Hätte ich Kohlrabiblätter gehabt, also als Ersatz dafür, wäre das wohl nicht passiert. Ein super Tipp, Kohlrabiblätter zum Warmhalten als Alufolienersatz. ABER: Frische Kohlrabiblätter hatte ich nicht. Denn zu dieser Jahreszeit (Mitte April) fristen die Pflänzchen noch ein bescheidenes Dasein beim Lieblingsgärtner. Und der bin ich selbst. Fast alle Grundstoffe für Pestos, die im Buch präsentiert werden, könnte ich im eigenen Garten gewinnen bzw kultivieren. Von Bärlauch, über Mangold, Möhrengrün, Äpfel, Nüsse ja und sogar ein paar Oliven. Und nach Lesen des Buches kommen immer mehr Gedanken in die Birne, die sich um die Frage winden: Warum eigentlich nicht? Ich habe mich nämlich entschlossen, einige langweilige Wiesenstücke in Bienen- und andere Insektenparadiese umzuwandeln. Und habe es auch schon arbeitstechnisch erledigt. Die Einsaat fehlt noch, die Kaltluftfronten nerven dieses Jahr. Aber zwischen den Blühpflanzen werden eben verschiedene Gemüsesorten stehen. Und ich habe mir alte Tomatensorten bestellt, die ich Mitte Mai einpflanzen werde. Das Buch hat mich wirklich inspiriert. Die Pflanzstellen sind schon vorbereitet. Kräuter und Blumen sollen gegen Krautfäule wirken. Und gegen meine Kompostierungsabsichten.
Fazit:
Was mich etwas verwundert hat, ist, dass Schäferhoff auf die Herkunft des Wortes Pesto oder den geschichtlichen Hintergrund nicht eingeht. Folgt sicher in der zweiten Auflage. Das Pesto alla genovese (Seite 59) wird es immerhin als Klassiker unter den Würzsoßen herausgestellt. Und eigentlich wird es ja mühsam im Mörser zerstampft. Der ist allerdings bei Felix auch im Einsatz. Nach dem Vorwort steht die Inhaltsangabe und die ist sehr übersichtlich gegliedert, nach Jahreszeiten. Und seine fleischlichen Lieblingsgenüsse stehen gleich am Anfang. Die Anleitungen zur Pestoherstellung sind wohltuend einfach gestaltet, was die eigene Initiative sehr erleichtert und eben nicht abschreckt, weil leicht zu beschaffende Zutaten Anwendung finden. Bravo! Die zur jeweiligen Jahreszeit passenden Mischungen sind für Normalgärtner auch logisch. Die sehr gelungenen Bilder machen Appetit. Auf dem Rückendeckel wird klar: Das Buch ist für Gartenbesitzer geschrieben worden. PESTO SELBST MACHEN – MIT DER ERNTE AUS DEM EIGENEN GARTEN. ABER: Muss ich aber wirklich GartenbesitzerIn sein, um die tollen Anleitungen kulinarisch zu verwirklichen? Eindeutig Nein. Habe ich den Entschluss gefasst, mich in die Pestoproduktion hinein zu mixen, tauchen auch in der dichten Wohnbebauung so viele Quellen gemüselastiger Landfreunde, Wochenmärkte, Balkone oder Biohöfe auf, die frische, unverwelkte Pflanzen und Kräuter (übrig)haben. In einem einzigen Samentütchen schlummert kiloweise Pestogrundstoff. Aber auch die Kleinwiesenjunkies könnten auf die Idee kommen, ihre vertrocknende Sommerwiese hinter dem Reihenhaus, in blühende Kleinode zu verwandeln, mit Mangoldsprengseln. Es ist fast einfacher aufzuzählen, aus was man kein Pesto fertigen kann. Jede Jahreszeit hält eben wichtige Zutaten bereit, man muss sich nur trauen oder überwinden. Und diese Ideen würden durch dieses Pestobuch nachhaltig beflügelt. Felix bedeutet glücklich und ich bin sicher, er ist es auch. Und für alle, die Pesto erleben wollen, gibt es im Buch sehr schmackhafte Hinweise. Der Erwerb dieses Werkes schlägt mit 18,00 € zu Buche. Es ist nicht billig, allein schon wegen der Gestaltung des Inhaltes, aber preiswert. Für den Preis bekomme ich in meiner Lieblingsmanufaktur drei Gläser Wildkräuterpesto. Die sind innerhalb einer Woche eingeatmet. Vom Buch habe ich viel länger etwas.
Frank Krajewski