Festivals sind merkwürdige Veranstaltung, finden Sie nicht auch? Das meine ich gar nicht abwertend – ganz im Gegenteil, ich bin ich nämlich ein großer Freund derartiger Spektakel. Festivals treiben die unterschiedlichsten Leute zusammen, den Querschnitt der Menschheit, wenn man so möchte. Sie kommen zwar alle aus demselben Grund, wegen einem, einander verbindenden Interesse, aber dennoch könnten sie zum Teil unterschiedlicher nicht sein. Spärlich über das Jahr verteilt, schaffen sie uns doch einen Freiraum, die Möglichkeit aus dem Alltag auszubrechen und ein stückweit der Vernunft und aller damit einhergehenden Eintönigkeiten zu entgehen. Während ich tatsächlich von Jahr zu Jahr vernünftiger werde (ein Prozess, gegen den man sich kaum zu wehren vermag, egal, wie sehr man sich auch bemüht), habe ich auf einem Festival – also drei oder vier Tage im Jahr – die Möglichkeit, alle Vernunft und vielleicht sogar einen Teil der Realität auszusperren und über Bord zu werfen.
Spiegeleier und Speck zum Frühstück, dazu gebratenen Toast, alles auf dem Gaskocher versteht sich und alles mit einer guten Portion Heinz Ketchup oder HP Brown Sauce verfeinert. Das kann man mit einem Augenzwinkern vielleicht noch durchgehen lassen. Spätestens bei den Dosenravioli blutet das Herz des Kochs allerdings doch ein wenig. Nur gut, dass dieses obskure Frühstück mit ein oder zwei Büchsen Bier hinuntergespült wird. Seien wir ehrlich. Wir sind alle keine Kinder von Traurigkeit, auch wenn man dafür von den älteren Semestern zeitweilig einen unverständlichen Blick oder missbilligenden Kommentar erntet. „Die jungen Leute mit diesen Festivals, da geht es nur ums Trinken, Rambazamba und Chaos.“ Solche oder ähnliche Aussprüche kann man manchmal vernehmen. Kurios. Wir im Rheinland nennen das Karneval und ich kann Geschichten erzählen von ein paar alten Haudegen mit Blume am Revers, geschminktem Gesicht und einem kleinen Hütchen auf dem schütteren Haar, die sich am Karnevalssonntagmorgen mit aller Konzentration am Tresen festhalten mussten, damit derselbige nicht einfach so umstürzt. Der Tresen oder der Haudegen, je nachdem aus welcher Perspektive man den Schlamassel betrachtet.
Das Bedürfnis unserer alltäglichen Vernunft und dem allgemeingültigen Selbstverständnis des Miteinanders zu entfliehen, zieht sich also querbeet durch unsere Gesellschaft, dabei ist es ganz gleich wie man es bezeichnet. Kommen wir zurück zu unserem Festival und führen wir uns einmal vor Augen, mit welchen Strapazen ein solcher Festivalbesuch verbunden ist. Nachdem man sich aus seinem zu warmen Zelt gequält hat, merkt man schnell, dass beim Aufbau desselben irgendetwas eklatant falsch gelaufen sein muss. Beides (die Quälerei und der fehlerhafte Aufbau), sind darauf zurückzuführen, dass schon am Abend der Ankunft der eine oder andere Drink zu viel gewesen sein könnte. Das miese Frühstück erwähnten wir bereits und haben wir mit einem leichten Ziehen im Magen hinter uns gelassen. Wir haben uns in die trockensten der etwas klammen Klamotten geworfen, um uns auf den Weg zum Festivalgelände zu machen. Die Tatsache, dass wir so oder so nicht dem Wetter entsprechend angezogen sind, dass wir gar keine Chance haben, die richtige Entscheidung bezüglich der Länge und der Dicke unserer Kleidungsstücke zu treffen, weil das Universum binnen kürzester Zeit das umgekehrt äquivalente Wetter schafft, lässt sich ganz gut mit einer Büchse zeltwarmem Bier kompensieren – wer hätte das gedacht.
Auf dem Festivalgelände angekommen, werden uns eine ganze Reihe von Dingen bewusst. Rockmusikfans verlassen nicht allzu oft das Haus, ist vielleicht die erste Erkenntnis, weil wir, aufgrund der Sonnenreflektion durch die schneeweißen Extremitäten das Gefühl haben augenblicklich zu erblinden. Die nächste Erkenntnis ist mit großer Wahrscheinlichkeit, dass die Preise an den Ständen, an den Imbissbuden und Bierzelten ein weiteres Mal angehoben worden sind. „Fünf Euro für ein Bier, dass sind zehn Mark!“, kann man im Vorbeigehen hören, wie ein älteres Semester sich echauffiert, während er begierig an seinem sechsten Bier nippt. Nachdem sich alle über die Bierpreise hinreichend beschwert haben, dauert es nicht lange, bis man das erste davon in der Hand hält. Während man weiter über das Gelände läuft – man ist einstimmiger Meinung, dass die ersten Bands nicht wirklich sehens- und schon gar nicht hörenswert sind – wird einem bewusst, dass es eine ganze Welt von Köstlichkeiten gibt.
Das Dogma „Bier und Wurst“ ist schon lange gebrochen und abgelöst von einer Vielzahl internationaler Leckereien. Tortillas mit Guacamole, Lahmacun und Ayran, Falafel, Hamburger und Fritten. Wir wissen gar nicht wo wir anfangen sollen und brauchen etwas, das uns bei der Entscheidung hilft. Zur Auswahl stehen Bier, Kräuterschnaps und Tequila. Wir entscheiden uns für das einzig Richtige: Alles, in dieser Reihenfolge. Nachdem wir uns für 60 Euro einen Kapuzenpullover mit Reißverschluss gekauft haben, damit alle unsere Freunde wissen, dass wir diesem Festival beigewohnt haben, sehen wir uns schließlich ein paar Konzerte an. Überzeugen kann uns das alles noch nicht so recht und da der Tag in großen Zügen voranschreitet, suchen wir nach etwas zu essen und wichtiger noch, etwas Erbaulichem zu trinken. Es ist gar nicht mehr so leicht durch die dichter werdende Menge zu laufen, geschweige denn sich bei der riesigen Auswahl für etwas Leckeres zu entscheiden. Doch irgendwo hinter diesen vielen Leuten versteckt sich ein Bretterverschlag, auf dem der Name „Mister Melone“ thront. Von diesem merkwürdigen Namen angezogen, stellen wir uns an der schier endlosen Schlange an. „Drinks mit Wassermelone“, verspricht das Schild. Wunderbar, das klingt doch fabelhaft. Ein eisgekühlter Slushy mit Rum, ein mit viel Eis geshakter Melonen Daiquiri. Wir wissen gar nicht, was uns erwartet, als uns schließlich ein Plastikbecher vorgesetzt wird, der mit einer roten, dicklichen Flüssigkeit gefüllt ist. Tequila und Melone. Ohne Eis, aber dafür mit extra vielen Kernen gemixt. Es geht doch nichts über ein bisschen lauwarmes Melonenpüree in der prallen Abendsonne, habe ich Recht? Es überkommt uns nur eine kurze Enttäuschung, auch lediglich aus dem Grund, acht Euro für einen Becher Melonenpüree mit Kopfschmerztequila gelöhnt zu haben. Die Enttäuschung verfliegt schnell, als unsere Lieblingsband auf der Bühne steht und loslegt.
In heiterer und motivierter Stimmung überkommt mich ein Gedanke: Ein erfrischender Melonendrink – dem werde ich mich annehmen.
Die Idee festigt sich während die Stunden und Tage wieder viel zu schnell vergehen. Neben vielen weiteren verrückten und obskuren Ideen, scheint diese doch eine zu sein, die sich schnell und kostengünstig umsetzen lässt. Sie bleibt mir im Gedächtnis, bis wir schließlich am Tag nach dem Festival wieder nach Hause fahren.
Worauf also warten?
Zunächst nehmen wir eine schöne Wassermelone, möglichst kernarm. Das Fruchtfleisch wird ausgehöhlt und im Mixer fein püriert, damit es anschließend über einem feinmaschigen Sieb abhängen kann, wobei der Saft in einem Gefäß aufgefangen wird. Von diesem köstlichen Melonensaft nehmen wir 8cl, geben ihn mit 6cl Tequila und 2cl Roses Lime Juice in einen Cobbler-Shaker mit Eis und shaken, was das Zeug hält. Das Ganze wird durch ein Barsieb in eine vorgekühlte Coupette-Schale gegeben. Garniert wird der Drink stilecht mit Schirmchen und Melonenkugeln.
Darf ich Ihnen vorstellen? Mister Melone. So, wie wir ihn gerne kennengelernt hätten, eisgekühlt und einfach wunderbar erfrischend. Wir sitzen zusammen und lassen die letzten Tage Revue passieren. Anstrengend, für Geist und Seele. Eine Tortur, so stellen wir einstimmig fest … und bestellen die Tickets für das nächste Jahr.
Auf die Unvernunft – auf den Rock’n’Roll,
Der heilige Helge
Zutaten bei BOS FOOD zu bestellen: 6 cl Alacran Tequila Blanco (Art. Nr. 46555) • 2 cl Roses Lime Juice (Art. Nr. 35004) • 8 cl Melonensaft, frisch – oder für das faule Festivalvolk (Art. Nr. 31061)