Michelin Frankreich 2022,Teil 2: Die Abwertungen. Souveränität und Unabhängigkeit sehen anders aus

Im Zusammenhang mit der bizarren Abwertung von Joachim Wissler vom „Vendôme“ hatte ich geschrieben, dass man in Frankreich dann im Grunde ungefähr ein Drittel der Drei Sterne-Restaurants abwerten müsse. Nun liegen die Ergebnisse vor und es ist quasi überhaupt nichts in Sachen „Rückstufung“ (wie man das in Frankreich meist nennt) passiert. Bei der Recherche bin ich allerdings auf einige interessante Texte gestoßen. Dazu muß man wissen, dass in Frankreich in einem weitaus größeren Ausmaß als bei uns über das spekuliert wird, was der neue Guide bringen könnte, sollte oder müsste. In einer ganzen Reihe von Medien tauchen Namen für einen möglichen dritten Stern auf und gleichermaßen Namen für den Verlust des dritten Sterns. Daran will ich mich nicht beteiligen und habe mich auch nicht beteiligt. In Frankreich nimmt der Einsatz für die Verleihung eines dritten Sterns an bestimmte Restaurants manchmal sogar die Form einer Art Lobbyarbeit an. Es wird da richtig daran gearbeitet, bestimmte Köche in die Diskussion zu bringen. Das wichtigste Beispiel in den letzten Jahren ist zweifellos Olivier Nasti vom „Chambard“ in Kaysersberg im Elsass, der allerdings nach wie vor „nur“ zwei Sterne hat (was ich verstehen kann). Ein großer Teil der kreativen Topköche plädiert übrigens für Alexandre Gauthier vom „La Grenouillière“ (auch das kann ich verstehen).

 

 

In den Texten einer Website, die normalerweise über erstaunlich viele Informationen verfügt, die – sagen wir: ein enges Verhältnis zu Köchen und Mitarbeitern von Führern verrät, wurde auch über mögliche Abwertungen diskutiert. Es wurde daran erinnert, dass die Abstufung des Restaurants von Paul Bocuse im Jahr 2020 für viele berühmte Köche ein Schock gewesen wäre, obwohl – um einen Satz von Bocuse abgewandelt zu verwenden – sozusagen nach seinem Tod die gleichen Leute das Essen gekocht haben wie vor seinem Tod. In diesem Zusammenhang wurde erwähnt, dass man Informationen aus Tester-Kreisen hätte, die da besagen, dass mehr als ein Dutzend französischer Drei Sterne-Restaurants nicht mehr wirklich auf Drei Sterne-Niveau kochen. Das wäre fast ein Drittel (bei damals 29 Adressen), also exakt das, was ich im Zusammenhang mit Wissler gesagt habe. Meine eigenen Erlebnisse in französischen Drei Sterne-Restaurants entsprechen dieser Einschätzung. Ich habe viele große Momente erlebt, aber nur wenige Essen, die mich von Anfang bis Ende überzeugt haben (z.B. Olivier Roellinger oder Pierre Gagnaire). In der Regel gab es aber überall neben den Höhepunkten auch erstaunlich klare Ausfälle (inklusive Ducasse im Plaza Athénée), so dass ich schon früh an den Bewertungssystemen gezweifelt habe.

Was der französische Guide nun an Wertungen für 2022 präsentiert, wird vor allem als sehr klassisch, sehr konservativ und als sehr vorsichtig bezeichnet. Das sei „gut für die Köche, die da so ihre Befürchtungen hatten“. Ein durch und durch aggressiver Akt wie die Herabstufung von Joachim Wissler hat in Frankreich nicht stattgefunden. Bei der Veranstaltung in Cognac konnte man dann wieder allerlei Bilder beobachten. Ich kenne eine ganze Reihe der besten Köche und hatte den Eindruck, dass sie sich nicht wirklich wohl fühlten. Sie wohnten da einer Veranstaltung bei, deren Irrationalität sie genau kennen, der sie aber gleichzeitig beiwohnen, weil es einfach wichtig fürs Geschäft ist. So oder ähnlich kann man es auch von ihnen erfahren – wenn sie denn einmal unter vier Augen darüber reden. Dass der Guide Michelin in Frankreich ein Lämmchen war, hat sicher auch darin seine Gründe, dass man zu Hause dringen wieder eine neue Form der Zuverlässigkeit und Zustimmung braucht, ein Standing ohne Zweifel und eben ganz entschieden auch mit Rückendeckung der alten Meister. Die neue Souveränität, die man perspektivisch zweifellos braucht, hat man in diesem Jahr bei weitem noch nicht gefunden. Da helfen auch ein paar kleine positive Aspekte zugunsten junger und, kreativer Köche nicht grundsätzlich weiter. Wenn allerdings das Gegenteil dieser Zurückhaltung (um das Wort „Feigheit“ nicht zu benutzen) ist, besinnungslos einen der besten deutschen Köche zu beschädigen, dann wird der Weg zur Zuverlässigkeit nur immer größer.

 

Die Abwertungen

Ein beträchtlicher Teil der Abwertungen in Frankreich betrifft Corona-Opfer, also Restaurants, die im Zuge der Lockdowns geschlossen oder umstrukturiert wurden. Die drei Sterne von Ducasse im Plaza Athénée sind natürlich weg, sein Nachfolger hat nur noch einen, darüber braucht man nicht zu reden. Auch bei den zwei Häusern, die von zwei auf einen Stern herabgestuft wurden und den 3 Adressen, die von zwei auf Null kamen, handelt es sich mehr oder weniger um von den Lockdowns bestimmte Folgen. Es gibt 49 Restaurants, denen man ihren einen Stern genommen hat. Auch dort dominieren – bis auf wenige Ausnahmen, die aber ebenfalls oft mittelbar mit den Problemen der Seuche zu tun haben – die Corona-Folgen.

 

Diskussion

Insgesamt entsteht das ja durchaus nicht zwingend falsche Bild einer gewissen Schonung der Gastronomie in schweren Zeiten. Ein solches Verfahren ist natürlich problematisch, weil es einen weiteren Abstrich bei der Zuverlässigkeit der Aussagen bedeutet: das Essen ist zwar nicht so gut wie immer, aber dafür muss man Verständnis haben, weil dem Koch die Mitarbeiter fehlen. Das ist natürlich gar nicht gut, wenn man darauf baut, dass der Guide Michelin Hinweise veröffentlicht, die zuverlässig ermittelt sind und eine tragfähige Orientierung versprechen. Ob Krise oder nicht: es schmeckt, wie es schmeckt. Um aus dieser Sackgasse herauszukommen, hätte es im Prinzip nur einen Weg gegeben, nämlich den Verzicht auf eine neue Ausgabe des Führers, ein Aussetzen der Bewertungen bis es wieder eine stabile Grundlage für eine lückenlose Bewertung gibt. Mit einer solchen Entscheidung ist natürlich nicht zu rechnen, obwohl schon immer viele Leser gesagt haben, dass sie den Guide nur alle paar Jahre kaufen, weil sich ja kaum etwas ändert. Online hätte man da alle Möglichkeiten, andere Führer machen das vor. Ein Führer in Buchform könnte in etwa alle zwei Jahre erscheinen. Aber – es geht ja nicht darum, was am besten zu machen wäre, was am Zuverlässigsten sein könnte oder gegenüber den Restaurants wirklich fair wäre.

Der Guide Michelin France 2022 ist „sehr Michelin“. Leider.

 

 

12 Gedanken zu „Michelin Frankreich 2022,Teil 2: Die Abwertungen. Souveränität und Unabhängigkeit sehen anders aus“

  1. Ersetzen wird den Guide Michelin doch durch den Guide Dollase.

    Scherz beiseite, Restaurant-Kritik ist wichtig, Restaurant-Kritik ist subjektiv (ja, auch die Auswahl objektiver Massstäbe ist ein subjektiver Vorgang), und sowohl der Guide Michelin wie auch Herr Dollase haben nicht zu Unrecht eine grosse Reputation in diesem Feld.

    Manchmal ist Restaurants kritisieren ja wie Fussball – jeder weiss, wie es besser geht; doch die wenigsten würden einen Ball über eine Torline befördern können. Sowohl die Kritiker des Guide Michelins wie auch Herr Dollase würden es schaffen, auch kulinarisch anspruchsvolles auf den Tisch zu bringen.

    Doch dann gibt’s den beliebten Trick: Wenn ich einen anderen Kritiker kritisiere, dann stelle ich mich sozusagen über ihn. Und so erklärt Herr Dollase auch immer, was der Guide Michelin & Co richtig bewertet hat, oder eben auch falsch bewertet hat.

    Dabei zeigt sich wahre Grösse doch aus dem Respekt vor unterschiedlichen Meinungen und Auffassungen. Und auch aus dem Reflektieren können, unter Einbezug anderer Meinungen, was man selbst vielleicht richtig oder falsch gemacht haben könnte.

    Aus dieser Perspektive sind „ich weiss es besser“ Artikel – wenn sie auch für Klicks sorgen und damit das Herz jedes Bloggers höherspringen lassen – eigentlich überflüssig und unnötig.

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    • Es sei mir erlaubt zu ergänzen: der Ritterschlag ist es, kritisiert zu werden. Hat eigentlich der Guide Michelin schon die Ausführungen von Herrn Dollase kritisiert?

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  2. Sehr geehrter Herr Dollase,
    als ich meiner Verwunderung über ihren höchstpersönlichen Einsatz zur Ehrenrettung des dritten Sterns von Joachim Wissler geschrieben habe, war ich überhaupt nicht im Bilde dass sie diesen in einer ihrer zahlreichen Kolumnen gerade erst zu Koch des Jahres befördert haben! Da erklärt sich natürlich so einiges! Wie kann der Guide Michelin es wagen ihnen zu widersprechen? Nun, Sie legen weiter munter darauf los, den Guide in den Dreck zu ziehen, denn offensichtlich haben sie gerade nichts besseres zu tun oder Sie ertragen nicht das die Fachleute Aufmerksamkeit bekommen und Sie davon offenbar nicht genug! Ich würde sagen sie sind inzwischen Zeit nur noch absolut voreingenommen, Ihnen fehlt jedwede Art von Objektivität und ich wünsche Ihnen viel Spaß beim weiteren Kreuzzug gegen den Guide! Übrigens, wenn ich Joachim Wissler heißen würde, wären mir Ihre Tiraden nur noch unangenehm und peinlich!!!

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  3. Doch es gäbe schon etwas zu sagen, da Herr Dollase im oben genannte Gründe ja durchaus sachliche Argumente vorbringt, die man natürlich nicht teilen muss. Verzweiflung kann ich da nicht herauslesen.
    Eher aus Ihrem Kommentar, da es Ihnen offenbar an Argumenten fehlt. Sie wollten wohl mal Ihrem Ärger Luft machen – absolut kindisch und lächerlich, wie ich finde.

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    • da muss ich Ihnen widersprechen- mich stört lediglich die tatsache, dass herr dollase keine klare ansage trifft bzw für mich einfach nicht die zusammenhänge ersichtlich sind, wie die abwertung wisslers mit der michelinvergabe in frankreich zusammen hängen soll. ausserdem führt in meinen augen die ganze debatte auch dollases kürzlich geäusserten vorschlag ad adsurdum, einzelgerichte zu besternen. ( das „stern in klammern“- prinzip, wie er es exemplarisch für gemischte gastroformate wie den „papa rhein“ und henkel forderte) . das würde ja dann bei wissler heissen, dass die 3 sterne zwar blieben, einzelgerichte aber auf 2 oder einen stern abgewertet werden könnten.

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  4. hallo herr dollase, je mehr Sie zum michelin im allgemeinen und im speziellen schreiben, desto weniger nachvollziehbar und verständlich werden Ihre ausführungen, auch und gerade in bezug auf die causa wissler. fing es damit an, dass der skandal in wisslers abstufung darin bestand, dass der michelin damit eine unzulässige stilkritik vornehmen würde, ist plötzlich jetzt die rede von französischen grossköchen, bei denen es auch nicht immer nur dolle schmeckte und dann kommt noch die coronageschichte und ihre negativen auswirkungen auf die gastro ins spiel. ja, was denn jetzt?! ist wissler der 3. macaron entzogen worden, weil sein stil nicht mehrheitsfähig ist, weil er in grossmeisterroutine erstarrt ist oder weil er im zuge von corona suboptimale arbeitsbedingungen hatte? welche aussage möchten Sie denn damit treffen? und wenn wisslers abwertung ungerechtfertigt war, „bizzar “ und “ aggressiv“ war sie wohl nicht.

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  5. Wieder einmal ein verzweifelter Versuch den Michelin schlecht darzustellen, und wieder einmal lächerlich und absolut kindisch, mehr gibt es da auch nicht mehr zu sagen.

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  6. Eine Korrektur (zum noch bemerkenswerteren):
    „mehr als ein Dutzend“ sind nicht „fast ein Drittel“ von 29 Restaurants, sondern deutlich mehr — nämlich mehr als 41 Prozent.

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