Meinung, Macht, Meinung: Die OAD-Zahlen Europe Top 100 2019

Es ist müßig, darüber nachzudenken, ob ein Ranking nun wirklich die Restaurants in einer sinnvollen Hierarchie abbildet oder nicht. Es ist auch müßig darüber nachzudenken, ob man über Rankings schreiben sollte oder nicht. Am besten nimmt man sie wahr und zieht Schlüsse, die man ziehen kann und unterlässt jene, die eher wenig Sinn machen. In der Publikumsabstimmung von „Opinionated About Dining“ für 2019 führt Björn Frantzén aus Stockholm die Liste an. In diesem Fall wird es zum Beispiel schwerfallen, diese Position als ungerechtfertigt und die Einstufung als naiv abzutun. Frantzén ist in exzellenter Form und dürfte es auch in den „The World’s 50 Best Restaurants“ sehr weit nach vorne schaffen.

Was zählt sind erst einmal Meinungsbilder und Tendenzen
Die Liste ist kein Abbild großer klassischer Qualitäten, aber auch keineswegs die Folge einer hektischen Jagd nach Novitäten. Die „neuen“ Großmeister vom Typ Frantzén, Caminada, Quique Dacosta oder auch René Redzepi setzen sich nach wie vor durch, die „alten“ vom Typ Gagnaire und Co. sucht man meist vergebens. Interessant ist der Anteil der Länder in den Top 100. Es führt Spanien mit 21 Köchen, wobei davon ein großer Teil auf Barcelona entfällt. Wer einmal mitte drin ist, besucht eben auch gleich noch ein paar andere Restaurants… Auf Platz zwei folgen Frankreich, Italien und Großbritannien mit 12 Nennungen, dicht gefolgt von Deutschland mit 11. Dänemark hat 8, Schweden und Österreich je 6 Köche unter den ersten 100. Auffällig ist, dass ein an Gourmetrestaurants reiches Land wie die Schweiz mangels moderner Küchen mit Andreas Caminada nur einen einzigen Koch in der Liste hat.

Zu den in Deutschland bisher eher weniger bekannten Namen in der Spitze zählen Daniel Berlin vom gleichnamigen Krog in Skane Tranas in Schweden (5), Alexandre Couillon von „La Marine“ auf Noirmoutier in Frankreich (8) und „Chambre Separée“, das neue Restaurant von Kobe Desramaults in Gent in Belgien (13). Desramaults liegt einen Platz vor dem bestplatzierten deutschen Koch, Christian Bau von „Victor’s Fine Dining“ in Perl. Bau, der in den 50 Best nie wirklich gewürdigt wurde, kann sich also gewissermaßen auf sein Publikum verlassen.

Die Deutschen halten sich gut
Die Platzierungen der deutschen Restaurants sind gut – auch wenn sie nicht in den Top Ten mitmischen. Für absolute Spitzenplätze scheint da noch ein kräftiger Schub an Profil und Individualität nötig zu sein. Die Stabilität der Küchenleistungen wird auch im Vergleich zur letztjährigen Platzierung klar. Bau ist Nummer 14 und war im Jahr 2018 Nummer 16. Es folgt das „Ernst“ in Berlin mit einem kräftigen Sprung von 62 auf nun 18. Hier zahlt sich sicherlich ein kräftiger internationaler Hype aus, der durch eine profilierte, kontrovers diskutierte Küche bei gleichzeitiger Verknappung des Platzangebotes und das in Berlin gefördert wird. Das „Ernst“ ist in gewisser Weise „this years Nobelhart & Schmutzig“…Auf Platz 20 folgt Klaus Erfort (Vorjahr 26), auf Platz 24 Joachim Wissler (Vorjahr 31), auf 28 Sven Elverfeld (Vorjahr 40). Große Sprünge haben Tohru Nakamura von „Geisels Werneckhof“ (von 77 auf 37), Tim Raue (von 56 auf 38) und Jan Hartwig (von 85 auf 39) gemacht. Das lässt auch auf Platzierungen in den 50 Best hoffen – auch wenn, siehe oben, immer ein wenig das Profil-Problem mitschwingt. Nach diesen Namen wird es etwas weniger dicht. Christian Jürgens folgt auf 61 (Vorjahr 74) und Yves Ollech und Andrée Köthe trotz aller Zurückhaltung endlich auch auf 87 in den ersten Einhundert. Platzverluste gab es – außerhalb der Top 100 für Felix Schneider vom „Sosein“ (103 nach 86 im Vorjahr) und vor allem für Kevin Fehling vom „The Table“ in Hamburg (109 von 45 im Vorjahr).

In den OAD Top 100 für Europa fehlen vor allem jene Köche, die dem eher klassischen Fach angehören und in der „European Classical“ Liste verzeichnet sind. Es fehlen aber auch jene Köche, die gut, aber eher im Mainstream-Lager arbeiten. Anders als in den Listen für „Gourmet Casual“ oder „European Heritage“ hat die hier besprochene Liste der „European Restaurants“ allerdings eine klare Verbindung zu den Michelin Bewertungen, steht also in einem eher realistischen Verhältnis zu den professionellen Bewertungen des wichtigsten Restaurantführers.

Fazit
Man sollte sich das ansehen (alles im Netz unter www.opinionatedaboutdining.com) und als Trend wahrnehmen. Genau so werden das die Köche auch sehen und im Moment sicher feststellen, dass die Zeiten für eine handwerklich hochwertige Küche gut sind und Gags aller Art beim Publikum nicht mehr automatisch das Mass aller Dinge sind. Sie werden aber auch feststellen können, dass man gut daran tut, eine Küche zu machen, die man eindeutig dem eigenen Restaurant zuordnen kann. Profil ist nicht nur kulinarisch interessant, sondern bringt eben auch internationale Anerkennung und internationales Publikum.

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