Maria Groß von der „Bachstelze“ in Erfurt „bespielt“ eine kulinarische Welt, die in Deutschland einerseits sehr viele Anhänger hat, andererseits im engeren kulinarischen Sinne oft sehr diffus gerät. Die sehr oft sehr fröhlich-freundlich aussehende Köchin hat wichtige Begriffe ihrer Arbeit auf ihrer Website veröffentlicht. Es geht ihr primär um „Natürlichkeit“, „Qualität“, „Tradition“ und „Gastfreundschaft“, also um Inhalte, die quasi in den Kreisen von Freunden guten Essens nicht diskutabel erscheinen.
Denkt man eine Sekunde nach, sieht das etwas anders aus. „Natürlichkeit“ etwa kann auch mit mini-invasiven Rezepten und wenig Garung radikal realisiert werden (wie es in der Nova Regio – Küche oft zu finden ist). Wenn man „Qualität“ eng sieht, gibt es fast überall etwas zu kritisieren, von „Tradition“ haben wir oft nur schwammige Überlieferungen, die sich oft nur auf kochtechnisch-kommerziell weichgespülte Dinge beziehen, und nur die „Gastfreundschaft“ ist wahrscheinlich rundum unbestritten. (Anmerkung: aber auch da muss ich immer daran denken, dass etwa Olivier Roellinger in der Bretagne sehr viel von Gastfreundschaft geredet hat und man dann auf die Preise sah und sich fragt, ob da nicht ein Koch vor allem Leute meint, für die ein paar Hundert Euro für sein Essen irgendwie nur Kleingeld sind).
Nun denn: Maria Groß vermittelt ihre Grundsätze in der regel entspannt und – sagen wir: glaubwürdig. Und so ist man auch auf das neue Buch gespannt, das sozusagen gleich hinter ihrem Restaurant stattfindet, im eigenen Garten. Auch da gibt es natürlich eine große Spannbreite der Möglichkeiten. Es gibt die Show-Gärten vieler Restaurants, mit denen man eigentlich nicht mehr anfangen kann, als ab und zu ein paar Kräuter zu pflücken. Und es gibt so etwas wie „La Chassagnette“ in der Camargue, wo man demonstriert bekommt, dass ein Garten, aus dem man tatsächlich fast sein gesamtes Material bezieht, riesig sein muss. Maria Groß zeigt in ihrem Buch aber ohne weiteres, dass sie sich ernsthaft damit dem Thema Garten befasst, kenntnisreich und systematisch an die Sache herangeht. Hier also der Titel des Buches:
Maria Groß: Mein Garten, meine Rezepte. Anbauen, Ernten, Geniessen. ZS Verlag, München 2022. 201 S., geb. Hardcover, 24.99 Euro
Das Buch
Maria Groß ist mit ihrem Buch beim ZS Verlag, also einem „Major Label“, wie man das in der Musikindustrie sagen würde. Das hat eine Buchherstellung der systematischeren, betreuten Art zur Folge und oft auch die Mitwirkung von Autorinnen und Autoren. Im Impressum ist die Köchin jedenfalls nur als Autorin der Rezepte und für das Foodstyling erwähnt. Das nur zur Information.
Das Buch befasst sich bis Seite 87 mit dem Garten, danach mit „rund 50 Rezepten“. Der Gartenteil ist ein Mix aus sehr genauen Sachinformationen und sprachlich aufgelockerten Beschreibungen der Arbeit, die oft in der Ich-Form gehalten sind, aber – siehe Impressum – trotzdem möglicherweise nicht von Maria Groß selber stammen. Im Zusammenhang mit der Sprache muss man auch erwähnen, dass dieses Buch sprachlich konsequent emotionalisiert wurde. Maria Groß redet quasi zum Leser, hält nie mit ihren Gefühlen zurück und kommentiert immer sehr persönlich. Als Beobachter der kulinarischen Literatur muss dabei auffallen, dass Laien und Fans so etwas vermutlich für „natürlich“ halten, während Profis eher an Marketing und Meetings denken werden. Nun ja, Schwamm drüber, in diesem Fall sind sich die Realität und das Marketingkonzept sicher sehr viel näher als das bei dem ein oder anderen prominenten TV-Koch üblich ist.
Man merkt im Gartenteil jedenfalls deutlich, dass es um Wiedergabe dessen geht, was Maria Groß beschäftigt hat und beschäftigt, was dem Rahmen entspricht und was machbar und sinnvoll ist. Die Kapitel lauten „Auf die Zutaten kommt es an“ (darin u.a. : Handwerkszeug, Pflanzplan, Düngen, „Von der Natur lernen“), „Mein Gartenjahr in zehn Jahreszeiten“, „So klappt’s mit Anbau und Ernte“ (z.B.: „Richtig ernten und lagern“), „Ordnung im Garten hat erfreuliche Folgen“ (z.B.: „Richtig kompostieren“) und „Gemüseparadies auf dem Balkon“. Im Verlauf der Kapitel werden die Lieblingsgemüse/-früchte der Autorin detaillierter und mit vielen Sachhinweisen vorgestellt.
Die Rezepte interessieren hier natürlich besonders. Sie haben eine große Spannweite zwischen einfachen Kleinigkeiten bei den Vorspeisen und elaborierteren Arbeiten bei den Hauptgerichten. Das geht von den „Schnellgurken mit Dill“ (die quasi roh mariniert sind) und einem „Tomaten-Möhren-Aufstrich auf die Schnelle“ über ein „Gurken-Kirsch-Tatar mit frischen Gartenkräutern“ oder ein „Zucchinicarpaccio mit Berberitzen“ bis zur „Gebratenen Hühnerleber mit Rhabarbergemüse“, „Kalbstafelspitz mit gemischtem Bohnengemüse“, einem „Pesto von Karottengrün mit Mandeln“ oder einem „Gebratenen Lammrücken mit Aprikosen“. Um den Charakter der Rezepte etwas einzuschätzen hier ein paar Details. Die „Schnelle Gurkensuppe mit Kerbel und Borretsch“ wird ohne Fond mit Sauerrahm und etwas Säure von Essig und Zitrone realisiert. Das Pastinakenpüree bekommt Honig, Cayennepfeffer und Muskatnuss – also keine Sahne o.ä. „Das Saiblingsfilet an Vanillezwiebeln“ zeigt im Bild ungewöhnlich starke Röstnoten. Die Kalbsbacken werden vergleichsweise normal geschmort, dann aber mit einem Zitronenpüree und als „Topping“ versteckten Himbeeren und rohen Steinpilzscheiben deutlich anders gefärbt. Süße findet sich auch beim Lamm mit recht viel Aprikosen, der Entenbrust mit Erdbeeren und anderen Rezepten. Der Verzicht auf Fonds und Saucen schafft eine Direktheit vieler Aromen, die man als eher natürlichen Zugang interpretieren könnte – wenn er denn nicht bisweilen allzu sehr an die oft etwas oberflächliche BloggerInnenküche erinnern würde. Anders formuliert: die Summe an Dingen, die originell sind und aus dem Rahmen fallen, ist eher gering, Finesse im traditionellen Sinn wird ebenfalls eher selten erreicht, so dass sich die propagierte “Qualität“ eher im mittleren und mittelbaren Bereich findet. Das Buch liefert einen machbaren Schlüssel für Leute, die Produkte aus dem eigenen Garten verarbeiten möchten und kochtechnisch nicht allzu stark strapaziert werden wollen. Insofern ist dann der Gartenteil auch auf keinen Fall schwächer als der Rezeptteil.
Fazit
Mit diesem Buch sucht man einen populären Weg, gleichzeitig den Verkauf einer Person, einer Art „lockeren“ Herangehensweise, eine Natürlichkeit, die sich manchmal etwas zu schnell mit den Ergebnissen zufrieden gibt, also mit den Dingen zwar umgeht, sie aber nirgendwo wirklich auch nur annähernd ausschöpft. Das Buch ist also kein Fall für Profis oder Höchstinteressierte (wie etwa die Bücher sehr guter Köche, die da immer etwas liefern), es ist keine wirkliche kulinarische Stellungnahme, sondern gehört eher in den Bereich der vielen Bücher, die vielleicht „leckeres Essen“ anbieten wollen, in denen aber im Grunde eher auf die Bremse getreten wird, die vor allem funktional bleiben wollen und deren Inhalt irgendwie nicht so richtig anmacht.
Weil der funktionale Aspekt vor allem im Gartenteil recht gut gelungen ist, bekommt dieses Buch ein grünes B
Fotos der Gerichte im Buch von Adrian Liebau
Kurz überlegt, ob es der Mühe wert sei. Lebenszeit zu investieren in eine Antwort auf den selbsternannten Kritiker der lukullischen Genüsse in unserem Land. Und dann eben doch gesagt, getan: Genuss muss schließlich gelernt sein. Mystifiziert werden. Besserwisser meinen- alsgleich gelehrt werden. Erklärt werden. Bloß kein intuitives Verstehen. Keine Sinnlichkeit.
Getrieben von einer Emotionalität, die für jeden zugänglich sei. Genau so sensitiv, sympathisch soll dieses Buch auch sein und wirken. Ja- tatsächlich: Keine fremden Federn- sondern nach Rücksprache mit dem Verlag natürlich auch geschulte Blick des „gelernten“ Gärtners als Korrektiv für meine Sicht des Gärtners. Nicht nur Marias Weissagungen durch den Zyklus des Mondes. Selbst eine Ökotrophologin habe ich darüber schauen lassen- damit die Richtung stimmt und ich eben kein Buch produziere, welches zwar bewundernd von Kritikern begutachtet wird (weil sie ein kostenloses Belegexemplar erhalten und eben nicht viel zu investieren haben – außer ihren „Senf“ dazuzugeben)- sondern ein Gartenbuch, was nachvollziehbar und klar ist. Kein Orakeln, kein Mystifizieren- kein Hokuspokus -um den Geniesser in der ersten Welt weiterhin- mit auf den Weg zu geben- wie weit aus defiziler und vielschichtig- gar philosophisch- kochen sei.
Anbauen, verarbeiten und genießen sind elementare Bausteine, um den Menschen echte Küche wieder näher zu bringen. Den Spagat zwischen der Entfremdung von Produkt und Konsument entgegenzuwirken. Das sollten sich viel mehr Leute in der Foodbranche als Fakt in ihre Agenda schreiben. Menscheln & Genießen in „Laubenpieperidylle“ zu feiern- sind der Schlüssel, um mehr Leser zu begeistern- Dinge auszuprobieren, zu experimentieren und zu erleben. Leben- auch das von Mutter Natur- zu beoabachten, zu huldigen und mit einfachsten Mitteln- Genuss zu erleben. Genau- das ist meine Interpretation und insbesondere meine Intension.
Es ist nicht mein Anliegen- Kunstkochbücher zu schreiben, um Menschen zu beeindrucken- wie hoch kompliziert Kochen sein kann. Explizit diese „erste- elitäre Weltsicht“ ist Mitschuld an der Mystifizierung des Kochen und all dem, was sich darum rankt.
Eine Annährung an die Natur. Das Pure erleben. Einfachheit feiern. Mit der Schlichtheit begeistern- das ist für mich die weit aus größere Gabe- wie die Egos in meiner näheren Umgebung zu befriedigen und zu beklatschen für die Dinge, die ich inhaltlich nicht teile.
Augenhöhe, Toleranz und echter Mut- nicht mächtiger zu sein wie das eigene Ego.
Dinge, die zweifelsfrei im Schatten stehen in unseren Breitengraden!
Um so positiver bin ich gestimmt, dass sich der „große Dollase“ die Mühe gemacht hat zwar mein Buch zu bewerten, nicht aber jemals mein Refugium- die Bachstelze- jemals besucht zu haben… Ein Schritt nach dem nächsten.
Nicht für die Kritiker wurde dieses Gartenbüchlein in wunderschön-emotionalen Bildern und Texten gestaltet und geschrieben- sondern für all die- die bereit sind: Natur zu erleben, auszuprobieren und sich entertainen zu lassen vom Analogen. Mutter Natur feiern- auf dem Balkon, im Schrebergarten oder eben doch nur in Gedanken, wie es Kritiker tun.
Ich freue mich sehr- Sie hier im wilden Osten mal als meinen Gast begrüßen zu dürfen. Und seien sie gewarnt: Ich kann kochen.
Liebe Frau Groß (und andere Antworten), Sie scheinen nicht zu verstehen, wie Kritik funktionieren muss und welche Aufgabe sie hat. Ich befasse mich hier mit dem Buch und sonst garnichts, also mit dem, was dieses Buch kommuniziert bzw. kommunizieren soll. Und da sehe ich – es ist ja nicht das einzige Buch seiner Art – ganz klar die Marketing-Gedanken des Verlages. – Ihre Antwort wirkt sehr aufgeregt und nicht unbedingt überlegt. Gestatten Sie mir deshalb hier ein paar kleine Anmerkungen, sozusagen „aus dem Nähkästchen“. Als ich mit meiner Band ende der 70er Jahre recht viel Erfolg hatte, habe ich meinen Musikern gesagt: Glaubt nicht an das viele Lob, das wir bekommen. Glaubt an die kritischen Stimmen. Sie haben in der letzten Zeit sehr viel Lob bekommen und reagieren ein wenig so, als ob sie noch nie kritisiert worden wären… Meine Musiker haben übrigens meinen Hinweis nicht so recht befolgt, was uns dann etwas später wieder einige Schwierigkeiten brachte… – Nummer zwei aus dem Nähkästchen hat etwas mit meinen eigenen Büchern zu tun. Ich habe mich bei meinen diversen Büchern komplett dagegen gewehrt, dass an meinem Manuskript irgendetwas geändert wird. Ich wollte, das meine Bücher ausschließlich das wiedergeben, was ich denke – ohne Marketing-Sitzungen und sonstige Maßnahmen, die für stromlinienförmige Kommerzialität sorgen. Das hat mich sicherlich Einiges an Umsatz und an freundlichen Stimmen gekostet. Und – ich habe nie auch nur einen Deut „für Kritiker“ geschrieben…Anders als Sie das wohl im Moment erleben, stand und stehe ich als Kritiker, der sich nie scheut, auch bei Freunden anzuecken, immer mitten im Wind. Wenn man seinen Überzeugungen folgt, ist dass ganz normal.
Mit freundlichen Grüßen. Jürgen Dollase
Lieber Herr Dollase, vielen Dank für Ihre Ausführungen. Leider sehen wir das ganz anders. Im ersten groben Drittel geht es nicht um das Buch, sondern um die Dekonstruktion unserer Internetseite. Ein weiterer großer Teil sind Vermutungen und offene Fragestellungen über das Marketing des Verlages und die Erstellung des Inhaltes, um (ich drücke es mal in Ihrem Sprachgebrauch aus) „möglicherweise“ von Ihrer Seite aus eben „nicht“ anzuecken. Nochmal: Das Buch ist nicht für die Hochküche und deren Egos erstellt worden. Sondern für Menschen, die Spaß am Kochen und ihrem Garten haben. Die Gerichte haben nichts mit den Gerichten in unserem Restaurant zutun. Sie werden doch nicht wahrhaftig denken oder fordern, oder bewirken wollen, dass Köche nur Türmchen und Gemälde auf den Teller bringen und sollen? De facto, passt es dann nicht in Ihr Portfolio. Wie wir das werten sollen, wissen wir nicht. Und jetzt noch ein kleines Anekdötchen aus dem normalen Gastroleben. Neulich buchte ein Gast und gab uns für alle 4 Personen die gleichen, nicht wenigen, Unverträglichkeiten durch. Unter anderem Schwein, Wild, heimischer Fisch und Innereien. Uvm. Vegetarisch wollten die Gäste nicht essen. Hummer, Austern, Krustentiere, Meeresfrüchte und Gemüse, welches es zu der Jahreszeit und bei uns gar nicht nicht gibt, waren mit Nachdruck gewünscht. Wir antworteten sehr freundlich, dass das bei uns nicht möglich sei, weil das nicht der Idee von Gastronomie entspricht, die wir bieten. Wir mussten uns von der buchenden Person jede Menge negative Kritik anhören. Und jetzt meine Frage laut Ihres Rates: Sollen wir ab jetzt etwa oder auch nur für diesen Gast Produkte, von einer uns nicht bekannten Herkunft anbieten, um dieser Kritik gerecht zu werden?
Sie sollten sich, meiner Ansicht nach, mit den wirklichen Problemen der Gastronomie beschäftigen. Personalmangel, Kochtechniken bei der Ausbildung (ohne Konvektomaten und Fritte) und die Produktherkunft. Mit Verlaub und großem Respekt Ihnen gegenüber, das ist meine Kritik. Mit freundlichen Grüßen Matthias Steube
Sehr geehrter Herr Dollase, man merkt, dass Sie sich nur mit den Überschriften und weniger mit dem Inhalt des Buches beschäftigt haben. Dann wüssten Sie auch, warum, wann und wie es entstanden ist. Vor allem, dass die im
Buch veröffentlichten Gerichte, wenig mit den Gerichten im Restaurant zu tun haben. Ihre Vermutungen bezüglich der Erstellung der Inhalte, entspricht ebenso nicht der Wahrheit. Wir beginnen an Ihrem journalistischen Können zu zweifeln. Liebe Grüße
Lieber Herr Dollase, Sie scheinen noch nicht dort gewesen zu sein. Denn weder Ihre Vermutung vom unprofessionellen Anbau noch von der minderen Qualität der Speisen stimmt. Da Sie selbst kein Koch sind ist es umso schwerer aus der Ferne zu urteilen. Einen schönen Sonntag wünsche ich.
Das sie ihre Probleme mit tv Köchen haben ist ja nun hinreichend bekannt, viele andere haben diese Probleme nicht und erfreuen sich am Abendprogramm mit diesen tv Köchen. Leben und Leben lassen. Herr Dollase denn ihre art der Beschreibung findet ja auch nicht jeder gut.
Habe die ersten zeilen gelesen und mich gewundert!!! Aber dann kam ja doch noch die Journalistische königsdisziplin TVKöche, Applaus Herr dollase.
Lieber Klaus Kenner,
das mit der „journalistischen Königsdisziplin TV-Köche“ würde ich abstreiten. Viele von ihnen sind kulinarisch sozusagen gar nicht satisfaktionsfähig. Was soll man sich an ihnen abarbeiten? Das muss unbedingt so klar werden. Zweitens haben wir da die oft für die Kochkunst verheerende, für die jeweiligen TV-Köche aber kommerziell sehr erfreuliche Medienwirksamkeit. Dort – aber eigentlich nur dort – muss man einschreiten und deutlich machen, dass das eine nicht mit dem anderen verwechselt wird. Gruß JD