Marc Haeberlin: Die Kochlegende Marc Haeberlin. Tre Torri-Verlag / Süddeutsche Zeitung Edition 2017. 248 S., geb., 39.90 Euro
Marc Haeberlin von der „Auberge de l’Ill“ in Illhäusern im Elsaß ist eigentlich weniger eine „Legende“ als eine „Institution“ der klassisch-französischen Küche. Anders als z.B. Michel Troisgros hat er die Arbeit seiner Familie (also vor allem die von Paul Haeberlin) konsequent fortgesetzt, was u.a. bedeutet, dass sich die besten Rezepte des Hauses nach wie vor auf der Karte befinden – wenn auch in einer behutsam modernisierten Form. Marc Haeberlin ist einerseits ein sehr freundlicher, umgänglicher und bodenständiger Mensch, den man an seinen freien Tagen mit ziemlicher Sicherheit in einem der elsässer Restaurants der näheren Umgebung finden kann. Auf der anderen Seite erinnere ich mich an seine Auftritte in einer französischen Kochsendung, bei der er die Leistungen von Nachwuchsköchen zu bewerten hatte. Er tat das mit einer geradezu unerbittlichen Vorstellung von handwerklicher Präzision. Haeberlin steht heute für eine klassisch orientierte französische Küche, die von ihren Grundwerten in Sachen Kochtechnik, Produktqualität und Produktbehandlung nicht abweicht, sich aber einen offenen Blick auf die mittlerweile weltweit kommunizierte und diskutierte kulinarische Landschaft erarbeitet hat.
Das Buch
Das klassisch aufgebaute Kochbuch beginnt nach einigen Foto-Impressionen mit Informationen zu Person und Restaurant und einem Interview mit Marc Haeberlin, in dem er in großer Klarheit seine Positionen darlegt. Hier zwei Beispiele. Zitat 1: „Die Rezepte sind schlanker geworden, wir verwenden weniger Butter für die Saucen. Und die Portionen sind kleiner geworden….Dafür ist aber auch die Küchentechnik viel präziser geworden, der Garpunkt ist viel exakter.“ Zitat II: „Heute fuchteln viele nur noch mit dem Temperaturfühler herum. Ich kehre immer mehr zu traditionellen Garmethoden zurück, für die man natürlich mehr Erfahrung braucht.“
Es folgen 35 Rezepte, unterbrochen nur von einigen zusätzlichen Texten im Stile einer Art älteren Gastrosophie, also nicht besonders nah am Material und schon gar nicht am Puls der Zeit. Da wird dann z.B. noch davon geredet, dass Blumenkohlpüree (bei Haeberlin zum Steinbutt mit Champagnersauce) ein „Understatement“ sein könnte und als Beweis für das Gegenteil Robuchons Kaviargelee mit Blumenkohlcreme zitiert. – Es gibt Vorspeisen, „Gericht mit Fisch, Froschschenkel und Krustentieren“, „Gerichte mit Fleisch, Geflügel, Innereien und Wild“ und Desserts. Den Abschluß bilden Grundrezepte und einige Impressionen aus Haeberlins Brasserie „Les Haras“ in Straßburg. Alle Gerichte sind für dieses Buch neu gekocht worden und repräsentieren den aktuellen Stand der Küche der „Auberge de l’Ill“. Es finden sich Klassiker wie der „Spargel im Blätterteig mit frischen Morcheln und Vin Jaune-Sauce“, natürlich die Gänsestopfleberterrine, der „Saumon soufflé“, der hier „Lachs-Soufflé Auberge de l’Ill“ genannt wird und natürlich auch das „Côtelette de Pigeon“, das hier in der Fassung und Bezeichnung „Tournedos von der Taubenbrust mit Trüffeln und Wirsing“ aufgenommen ist. Andere Kreationen kann man schon zu den Marc Haeberlin-Klassikern zählen, zum Beispiel die „Sardinenbüchse „L’Auberge de l’Ill mit Kaviar“, wieder andere zeugen von den in Japan gewonnenen Eindrücken des Meisters (wo er mit drei Restaurants vertreten ist), wie etwa das „Croustillant von Aal, frisch und geräuchert, und Schnecken mit einer Sake-Wasabi-Emulsion“ oder der „Lackierte Seeteufel mit Gamba-Kohl-Ravioli und einer asiatischen Bisque“. Wer die oft hervorragende Produktqualität und -behandlung in der Auberge kennt, wird sie z.B. beim „Gebratenen Lammkarree aus dem Aveyron mit Polenta und Kichererbsen-Schaum“ in fast minimalistischer Inszenierung bewundern können.
Bei noch genauerer Betrachtung findet man oft überraschend kurze Zubereitungen, die ein Dokument der hohen Produktqualität und der Präzision der Küche sind (man braucht dann einfach nicht mehr). Besonders interessant ist die Weiterarbeit an Klassikern wie etwa dem Saumon soufflé, bei dem ganz klar zu erkennen ist, wie sich die Proportionen der Elemente und der Anteil der Fette im Laufe der Zeit verändert haben – hin zu der genannten größeren Leichtigkeit unter Bewahrung des klassischen Geschmacksbildes und hin zu mehr sensorischer Finesse.
Fazit
Dass Küchen wie die der „Auberge de l’Ill“ für jüngere Köche nicht mehr im Mittelpunkt des Interesses stehen ist im Grunde ein Problem. Auch die aktuelle Küche hat in vielen Bereichen durchaus Bedarf an klassischen Qualitäten – egal ob bei den Garungen oder zum Beispiel den Saucen. Nach wie vor empfehle ich deshalb dringend den Besuch von Institutionen wie der „Auberge de l’Ill“ und ein genaues Studium insbesondere der Klassiker des Hauses. Wie hier etwa eine Beurre blanc oder die diversen Sahnesaucen schmecken, muss man unbedingt erlebt haben, um zu verstehen, welches Niveau Küche bei solchen und anderen Zubereitungen erreichen kann. Insofern ist natürlich auch das Buch dringend zur Lektüre empfohlen und seine Veröffentlichung eine ausgesprochen gute Idee. Es wäre allerdings schön gewesen, wenn man bei der Beschreibung der Gerichte präziser am Geschmack geblieben wäre und die Küche Marc Haeberlins besser in ihren Zusammenhang mit der aktuellen Szenerie gesetzt hätte. Er ist eben keine „Legende“ aus irgendwelchen Vorzeiten, sondern eine sehr lebendige Institution.
Das Buch bekommt 2 grüne BB