Laudatio Christian Bau, „Victor’s Fine Dining by Christian Bau“, Perl-Nennig, Versandservice des Jahres, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Vorbemerkung: Am letzten Samstag im Januar findet normalerweise im Ballsaal von Schloss Bensberg die Gala der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zur Ehrung der „Lieblinge des Jahres“ statt. Es ist eine sehr schöne Veranstaltung, die weder mit Promis noch „Feinschmeckern des Jahres“ besetzt wird, sondern ganz den Köchen und Winzern gewidmet ist. Fünf der Preisträger kochen jeweils einen Gang, dazu kommen dann die von meinem Kollegen Stephan Reinhardt prämierten Weine. Für die Auswahl der „Lieblinge“ unter den Köchen, Service, Sommeliers etc. bin ich zuständig, und zwar seit 2007. Die erste Gala fand dann im Jahr 2009 im „Überfahrt“ am Tegernsee statt. Danach sind wir ins Schloss Bensberg gewechselt.

Der Ablauf der Veranstaltung ist sehr klar strukturiert. Es gibt nur eine kurze Begrüßung von einem der FAZ-Herausgeber, dann beginnt das Essen. Zwischen den Gängen werden die Preisträger geehrt, und das jeweils mit einer kurzen Laudatio, der Übergabe der Urkunde und einem Interview. Weil die Veranstaltung auch in diesem Jahr wegen Corona wieder abgesagt werden musste, gibt es natürlich auch keine Laudatio. Das finde ich sehr bedauerlich und möchte das deshalb hier auf www.eat-drink-think.de machen – zu Ehren der Preisträger. Die Urkunden an sie sind gerade versendet, und ich will nun in den nächsten Tagen hier etwas zu den von mir ausgewählten „Lieblingen“ sagen. Als die Liste am 6. Dezember in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung veröffentlicht wurde, gab es – platzbedingt – nur einen eher kleinen Text. Hier nun kann ich etwas mehr sagen und vor allem auch meine Auswahl genauer begründet.

 

Versandservice des Jahres 2021: Christian Bau, „Victor’s Fine Dining by Christian Bau”

 

 

Nachdem wir bei der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom ersten Lockdown im Jahre 2020 an auf die neue Lage reagiert hatten und uns sofort bei „Hier spricht der Gast“ mit dem befasst haben, was nach Schließung der Restaurants bleibt, war klar, dass wir nach dem besonders langen Lockdown 20/21 auch die besten Leistungen im Liefer- und Versandservice ehren würden. Ich habe regelmäßig Liefer- und Versandservice besprochen und darüber hinaus auch noch eine ganze Reihe von Boxen zusätzlich probieren können. Die Ergebnisse waren sehr unterschiedlich – um es einmal milde zu formulieren. Selbst von bekannten Köchen habe ich teilweise Essen bekommen, das unansehnlich in vakuumierten Tüten erwärmt wurde und anschließend weder gut aussah noch in irgendeiner Weise an die Qualitäten heranreichte, die man in guten Restaurants (oft eben auch Sternerestaurants) erwarten sollte. Es hat sich gezeigt, dass es professionelle Talente gibt, die tatsächlich zügig auf die technischen und geschmacklichen Anforderungen reagieren können. Es hat sich aber auch gezeigt, dass man sich gute Leistungen bei Abhol- und Versandservice nicht mal eben aus dem Ärmel schütteln kann. Wer meinte, eine Art „andere“ Küche als die von ihm üblicherweise praktizierte verschicken zu können, landete dann eben bisweilen auf dem Niveau eher bürgerlicher Küche. So etwas – würde man salopp sagen – braucht kein Mensch, das bekommen viele Privatköche zu Hause auch oder sogar besser hin.

Es gab aber auch echte Lichtblicke und Sendungen, die tatsächlich Glanz ins Haus brachten, die eine ganz merkwürdige Atmosphäre erzeugten, die irgendwie kostbar wirkten (von den Preisen einmal ganz abgesehen…), bei denen man das Gefühl hatte, dass nun wirklich etwas ins Haus gekommen ist, was Spaß macht. Und weil sich herausgestellt hat, dass Abholservice und Versandservice (gemeint ist der Versand über Nacht) doch einen deutlichen Unterschied machen (abholen kann man auch quasi fertig angerichtete Gerichte…) habe ich dann beschlossen, zwei Lieblinge des Jahres in dieser Abteilung zu ehren – für den Versandservice und für den Abholservice. Weil ich glaube, dass sowohl Abhol- wie Versandservice unabhängig von Corona eine Zukunft haben, halte ich diese Ehrung auch durchaus für vorwärts gewandt. Von diesen Preisträgern kann man also auch lernen, wie man so etwas konzipiert und realisiert.

Christian Bau war der einzige Drei Sterne-Koch, der über einen längeren Zeitraum eine Box verschickt hat. Seine „Bau-Box“ gab es in limitierter Auflage (zu mehr war man einfach wegen des hohen Arbeitsaufwandes nicht in der Lage) und sie war – man ahnt es – von Anfang an sehr schnell ausverkauft. Ich habe verstehen können, warum viele Köche der absoluten Spitze nicht ebenfalls etwas angeboten haben. Ich habe einmal eine Sendung bekommen, bei der ein sehr guter Koch ein Gericht beigesteuert hatte, das definitiv nichts mit seinen Restaurantqualitäten zu tun hatte. Bau hat sich offensichtlich vor allem überlegt, was an Produkten und Zubereitungen einen wirklichen Mehrwert bringt, was also ein normaler Privatkoch kaum realisieren kann. Technisch komplizierte Sachen, die zu der minutiösen Anrichteform führt (wie Bau sie im Restaurant praktiziert), scheiden bei solchen Überlegungen schnell aus, überragende Produkte und eine präzise Garung aber nicht. Und so kam man bei der Bau-Box erst einmal in den Genuss von Produkten, an die ein privater Besteller nicht oder nur unter größeren Schwierigkeiten kommt. Ich hatte zum Beispiel einen Blanc-Grünspargel, der normalerweise ausschließlich in die Gastronomie geht, oder ein exzellentes Stück Wagyu-Beef usw. usf. Zu sehen, wie sich diese Produkte mit der sehr guten Arbeitsanweisung von Christian Bau in ein richtig gutes Essen verwandeln, machte wirklich Vergnügen. Der Grünspargel etwa wurde nicht – wie zum Beispiel bei Ducasse – auf dem Boden eines Topfes mit etwas Olivenöl und Wasser etc. al dente gegart, sondern in der Pfanne gebraten. Das Ergebnis nach genauer Anweisung brachte exakt jene an junge Nüsse erinnernde Textur, die für diesen überragenden Spargel optimal ist – plus präziser Röstnoten für eine Ankoppelung an die anderen Produkte dieses Gerichtes

Ich habe überlegt, ob ich hier meine eigenen Bilder einsetze oder die von Bau nehme. Meine Form des Anrichtens ist nicht ganz so präzise, zum Beispiel weil ich die vorhandene Sauce beim Fleisch komplett auf den Teller gebracht habe. Aber – man hat in der Box im Prinzip genau das Material, um exakt die Bau-Anrichteform zu realisieren. Deshalb hier also Bau-Fotos

Und noch Eines wurde klar: was Bau hier verschickt hat, ist ein Kochkurs bester Qualität. Mit seinen Anweisungen ist es so, als ob er neben dem Herd steht. Man lernt viel von der Kochtechnik der Spitzenküche, also auch Dinge, die man ansonsten nicht so ohne weiteres angehen würde. Diese Mischung aus wundervollen Produkten, detailreichen Kompositionen, einem überragenden Geschmack und einer gelungenen Anweisung haben mich schon einmal wünschen lassen, dass es so etwas auch in Zukunft geben möge – irgendwie, als Sonderaktion oder wie auch immer.

Christian Bau hat nicht nur geholfen, die Lockdown-Zeit zu überwinden, sondern auch den Blick auf einen neuen Aspekt der kulinarischen Zukunft eröffnet. Deshalb die Ehrung für den Versandservice des Jahres 2021.

Credits für die Bilder: Kirchgasser Photography/Christtian Bau

 

 

Schreibe einen Kommentar