Jörg & Nico Sackmann: Sackmann. Unser Kochbuch. Tre Torri Verlag, Wiesbaden 2019. 248 S., geb., Hardcover, 49.90 Euro

Jörg Sackmann gehört seit vielen Jahren zu den kreativsten deutschen Köchen. Als einer der wenigen Allrounder beherrscht er eine Vielzahl von Küchentechniken zwischen Klassik und Avantgarde. Dieses Talent wurde früh erkannt – zum Beispiel von Eckart Witzigmann, der schon in der „Aubergine“ wusste, womit er den aufstrebenden Kreativen beschäftigen konnte („Mach davon mal eine Terrine“). Später war er eine Stütze in Johann Willsbergers „Gourmet“. Wenn es dort ein bestimmtes Thema kreativ zu bearbeiten galt, war Jörg Sackmann häufig derjenige, der das mit Bravour erledigte. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine damals sehr ungewöhnliche Strecke mit diversen Schwarzwurzelrezepten. – Im heimischen Restaurant hatte man lange den Eindruck, als ob man bei Michelin den aromatisch dichten Stil Sackmanns nicht besonders schätzt. Erst 2014 gab es einen zweiten Michelin-Stern, der 2018 dann wieder zurückgezogen wurde. Was auch immer die Gründe für die Aberkennung des zweiten Sterns waren: sie entspricht nicht dem Potential der Gourmetküche, zumal seit 2013 auch noch Sohn Nico an Bord ist und ebenfalls klar erkennen lässt, dass er die Tradition des Hauses fortsetzen kann und will.

Dass nun ein gemeinsames Buch von Jörg und Nico erschienen ist, sieht noch sehr nach Übergang aus und ist insofern vielleicht taktisch nicht die allerbeste Lösung – egal, wie hoch der Anteil von Jörg bei den Gerichten ist. Im Buch hat man die Rezepte jedenfalls nicht als gemeinsame Rezepte angegeben, sondern sie jeweils dem Autor zugeordnet.

Das Buch
Als ich das Cover des Buches sah, war ich erst einmal etwas erschrocken, weil das abgebildete Dessert zwar ein aktuelles Crossover-Thema hat („Erbse – Champignon, Original-Beans-Nougat“), aber sehr neo-mainstreamig angerichtet ist. Das Titelbild ist also keine gute Wahl, sollte aber auf keinen Fall von der Lektüre des Buches abhalten. Es beginnt mit einem Porträt der Sackmanns (die übrigens gerade Anstalten machen, ihr Hotel deutlich zu vergrößern) und der aktuellen Philosophie ihrer Küche. Es geht um „Das Virtuose Spiel der Aromen“ (in Anspielung auf den Titel des Bandes „Aromen“ von 2008), den „ganz besonderen Menschenschlag“, um die regionalen Produkte („Die Schätze achten, die wir hier haben“), um „Yin und Yang: das Zusammenspiel der beiden Chefs“ und – vor einer schönen Bilderstrecke mit den regionalen/lokalen Produkten – um „Qualität, Nachhaltigkeit, Herkunft und die Menschen dahinter“, also das Credo der Küche.

Es folgen die Kreationen in klassischer Reihenfolge, mit einem nicht besonders regionalen Einstieg beim „Sashimi vom Färöerlachs mit gepufftem Reis und Mandarine“ aus der Hand von Nico Sackmann. Es wird schnell klar, dass hier Regionales stilistisch nicht unbedingt dominiert, sondern sich der kulinarisch vielfarbige Stil von Jörg Sackmann auch bei Sohn Nico findet – allerdings in jeweils unterschiedlicher Ausprägung. Es gibt als erstes Rezept von Jörg Sackmann „Sepia und Octopus, Buddhas Hand, geräucherte Pimiento, Kartoffel-Aioli, Mandel-Pesto“. Von ihm stammen z.B. auch : „Blauer Hummer mit Amalfi-Zephir, Korinthen und gebratenem Blumenkohl“, „Weisser Heilbutt und Gillardeau-Auster, grünes Curry, Algengremolata, Artischocke“ oder der „Somafer Lammrücken und Schulter mit Apfel-Crunch, Chorizocreme, Quinoa, Auberginensalsa“.

Bei Nico Sackmann liegen die Akzente zum größeren Teil näher an der Region. Es gibt z.B.: „Sellerietee mit Kornblume, Olivenöl, Lauch, Tomatenpralinen“, „Quendelspätzle mit Birnenconfit und Münsterkäse“, „Verschiedene Gurken mit Schafmilch-Joghurtlassi“, ein expressiv aussehendes „Schweinekinn in Trüffel-Dashi, Jakobsmuscheln, Chicoree“, „Kutteln mit Apfel-Balsamico-Schaum, gestockter Ziegenmilch, Kreuzkümmel-Crumble“, „Rebhuhn mit Trüffelmilchhaut, Blutpudding, Wurzelwerk, Einkornreis“ oder die „Bauernmilch mit Mispel, Honig, Blutwurz und Bonbon“. Diese durchaus unterschiedlichen, aber im Prinzip ähnlich vielfältigen Ansätze von Vater und Sohn Sackmann bilden zusammen ein echtes Sackmann-Kompendium mit einer großen Vielzahl an Einzelzubereitungen und Kochtechniken von der Klassik bis in die Nähe der Avantgarde. Es wird klar, dass Sohn Nico den Stil und die Qualitäten des Hauses fortführen kann – in etwa mit dem gleichen Gewicht auf zeitgenössischer Küche wie Vater Jörg Klassisches einsetzt.

Fazit
Das Buch ist also aus verschiedenen Gründen interessant, wobei man die Frage nicht aus dem Kopf bekommt, wohin die Reise in Zukunft geht – vor allem auch wegen des Michelin-Problems (als das man es bei den Sackmanns sicherlich sehen wird). Es deutet sich an, dass Nico Sackmann mittlerweile so weit ist, dass seine Rezepte in ihrer ganzen Struktur und kochtechnischen Qualität nicht hinter denen des Vaters zurückstehen. Vielleicht wäre es für die Zukunft eine Lösung, wenn im Restaurant Nico den Kurs bestimmt, und Jörg vor allem darauf achtet, dass die Qualitäten so gut wie möglich sind. Das Amuse Bouche-Menü mit den Klassikern von Jörg Sackmann (wie im Moment auf der Karte) ist da eine perfekte Ergänzung.

Wie dem auch sei: das Buch bringt viel Abwechslung innerhalb des Sackmann-Stils und sehr viele interessante Details.
Es bekommt 2 grüne BB

Fotos © Tre Torri Verlag

Schreibe einen Kommentar