Joel Robuchon: Eine Nachbetrachtung

Als die Nachricht vom Tode Joel Robuchons veröffentlicht wurde, war ich gerade in Frankreich und konnte die gewaltigen Reaktionen in den Medien hautnah mitbekommen. Hier ist nicht nur ein berühmter Koch gestorben, sondern eine der tragenden Säulen der französischen Gesellschaft. In den TV-Nachrichtensendungen gab es ganze Blöcke, die sich mit Robuchon beschäftigten, es gab ganze Sondersendungen, und selbst in der Regionalzeitung in der Bretagne (siehe Bild) gab es eine ganze Seite. In den Gourmetzeitschriften – soviel ist sicher – wird man seitenlang und mit sehr viel Details über sein Leben und seine Bedeutung schreiben.

Enttäuschend: Nachrufe in Deutschland
Beim Lesen deutscher Nachrufe konnte sich nicht nur Frustration darüber breit machen, dass hier einmal wieder Kulinarisches in einem äußerst beiläufigen und uninformierten Rahmen regelrecht lieblos abgehandelt wurde. Nein, es war schlimmer. Die Mehrzahl der Texte, die ich finden konnte, waren offensichtlich von Leuten geschrieben worden, die weder Robuchon und seine Kochkunst kannten und erlebt haben, noch etwas mit seinem Werk anfangen können. Es klang nach Wikipedia, und weil dort – wie so oft bei kulinarischen Themen – der Inhalt knapp, unvollständig, ungenau oder falsch ist, beschäftigten sich die Nachrufe auch eher mit den Robuchon-Klischees wie dem Kartoffelpüree oder der Blumenkohl-Creme. Dass das Werk enorm vielschichtig ist und gerade in den letzten Jahren von Robuchon rund um die Welt sehr viel Kreatives produziert wurde, kam nicht zur Sprache. Von seinem andauernden Einfluss auf die Küchen der Welt keine Spur. Was vollends fehlte, war die Würdigung der eigentliche Bedeutung Robuchons für die Entwicklung qualitativer und professioneller Kriterien für große Kochkunst. Die Würdigung solcher Aspekte gehört an die Stellen der Presselandschaft, die sich mit Kultur befassen, und das in umfangreicher Form. Punkt.

Originalton Robuchon: Es gibt prächtiges Filmmaterial
Die Würdigungen im französischen TV brachten eine Menge von interessantem Filmmaterial – zumindest aus deutscher Sicht, wo in der Regel solche Köche nicht zu sehen sind. Natürlich hat man in Frankreich seine Karriere schon früh mit der Kamera begleitet und bekommt Bilder aus dem Restaurant „Jamin“ und von der Küchenarbeit des Meisters. Es wird mit anderen Ausschnitten auch klar, wie es Robuchon gelingen konnte, überall auf der Welt Drei Sterne-Restaurants zu etablieren. Seine Ansprachen an die versammelten Mitarbeiter haben etwas von Beschwörungen, und wenn er sagt, daß man vor allem nie auch nur einen Millimeter in der Qualität seiner Arbeit nachlassen sollte, werden Köche rund um den Globus genau wissen, daß er eines der ganz großen professionellen Probleme anspricht. Es haben eben auch Köche schon ihren dritten Stern verloren, weil sie meinten, auch mit einer – sagen wir: mittelprächtigen Produktqualität auszukommen.

Aus den vielen Aussagen Robuchons möchte ich eine hervorheben. Er sagte: „Das Schwierigste überhaupt ist es, eine Küche zu machen, in der die Produkte wirklich ihren Eigengeschmack behalten.“ Wohlgemerkt: Dieser Satz hat nichts mit „einfach und genial“ zu tun, er hat auch nichts damit zu tun, Produkte unbehandelt auf den Teller zu legen. Er hat etwas damit zu tun, das wundervolle Zusammenspiel von Aromen und Produkten so zu inszenieren, dass sie ihre Identität nicht verlieren. Sie sollten nicht verdünnt werden (was ja immer noch viele für gute Küche halten), sie sollten aber auch nicht in Akkorden „verpulvert“ werden, also nur dazu
dienen, irgendeinen Mischgeschmack zu inszenieren. Eine Komposition zu machen, in der optimierte Produkte zu einem faszinierenden Zusammenspiel finden, ist deutlich anders als die Formulierung „einfach und genial“, weil es eine enorme Kenntnis der Produkte, der Produktqualitäten und den feinsten Nuancen ihres Geschmacks und Zusammenspiels voraussetzt. Da schmeckt dann möglicherweise eine Tomate komplett natürlich, aber aus unerfindlichen Gründen besser als in anderen Restaurants. Da glänzt eine Gemüse in einem komplexen Zusammenhang und man weiß nicht, was damit gemacht wurde.

Man kann den Satz anders erläutern: Gute Küche zu machen, ist einfach. Aber eine sehr gute Küche zu machen, ist eine enorm schwierige und komplexe Angelegenheit. Robuchon zeigt sich in seinen ganzen Stellungnahmen und Interviews als ein Koch, der den Weg zu den sehr guten Küchen dieser Welt weist.

1 Gedanke zu „Joel Robuchon: Eine Nachbetrachtung“

  1. ich denke, dass deutschen autoren mangels kulinarischer bildung und eigener erfahrungen auf dem gebiet einfach nicht klar ist, welche bedeutung robuchons werk besitzt. bezeichenderweise standen diese nachrufe dann auch im “ vermischten“, also im gesellschaftsteil, wo normalerweise über stars und sternchen berichtet wird und nicht im feuilleton. ich möchte neben den von Ihnen genannten aspekten zur relevanz von robuchons werk noch zwei weitere hinzufügen: – neben seiner hochindividuellen autorenküche hat r immer wieder zur klassisch-bürgerlichen küche frankreichs publiziert und auch dabei seinen präzisen arbeitsstil beibehalten ( während die wenigen veröffentlichungen “ unserer “ köche zum thema bürgerlicher küche meist oberflächlich und schlampig bleiben…) und somit dazu beigetragen, diese art von küche lebendig, zeitgemäss und attraktiv für köche und esser zu halten. – mit dem format “ atelier de robuchon“ hat r gezeigt, dass die grosse küche nicht zwingend ans grand restaurant gebunden ist und den esser emanzipiert von tradierten menufolgen, die durch frei kombinierbare , kleinformatige tellergerichte ersetzt wurden, was wunderbar funktionierte, weil die qualität der speisen auf sehr hohem niveau gehalten werden konnte.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar