Jan Hartwig verlässt das „Atelier“

Die Meldung dürften wie eine Bombe in der Szene platzen: Drei Sterne-Koch Jan Hartwig verlässt nach rund 7 Jahren
das „Atelier“ im Hotel „Bayerischer Hof“ in München und wird sich nach einer etwa bis zum Herbst dauernden Kreativpause in naher Zukunft einem neuen Projekt widmen. Hartwig wird in München bleiben und seiner Art Gastronomie zu betreiben und seinem Stil treu bleiben. Es wird immer um kompromisslose Produktqualität gehen, aber auch um eine Weiterentwicklung seines Stils. Die lange Corona-Zeit hat ihm gerade in kreativer Hinsicht einmal Zeit gebracht, über neue Ideen und Konzepte nachzudenken. Details zu dem neuen Projekt gibt es im Moment noch nicht. Man darf gespannt sein und Großes erwarten.

Hartwig (Jahrgang 1982) war nach Ausbildung und einigen kürzeren Stationen von 2007 bis 2009 Chef de Partie bei Sven Elverfeld und ab 2009 bis 2014 dann sein Souschef. Im Mai 2014 wechselte er ins „Atelier“ im Hotel „Bayerischer Hof“ in München, wo zunächst der Stern erhalten blieb. Schon 2015 gab es einen zweiten Stern und 2017 bereits den dritten. Er war nach langen Jahren wieder der erste Koch in München, der drei Sterne geholt hat. Seine „Vorgänger“ waren die Kochlegenden Eckart Witzigmann und Heinz Winkler.Jan Hartwig war einer dieser Küchenchefs bekannter Drei Sterne-Köche, deren Namen Kenner der Szene (und vor allem auch andere Köche und Gastronomen) normalerweise schon genau kennen. Köche dieser Art sind immer wieder im Gespräch, wenn gerade einmal wieder irgendwo ein Küchenchef gesucht wird, der ein Restaurant nach vorne oder auch ganz nach oben bringen soll. Als er im „Atelier“ anfing, hatte ich jedenfalls große Erwartungen. Was dann passierte, war erst einmal – sagen wir: noch nicht der ganz große Einstieg.

Die ersten Gerichte, die ich probiert habe, waren noch davon geprägt, dass Hartwig sich erst einmal finden musste und auch davon, dass er sich im Bayerischen Hof erst einmal nicht allein auf die Gourmetküche konzentrieren konnte. In einem solchen Haus gibt es Unmengen von hochwertigen Veranstaltungen und eben auch einen entsprechenden Bedarf an Küche. Ich hatte also den Eindruck, als ob die ersten Ideen vorhanden waren, die Konzepte aber noch nicht wirklich auf den Punkt gebracht und auch technisch noch nicht perfekt waren. Es gab zum Beispiel gerne gewisse Anhäufungen in der Mitte der Teller, die man aber beim Essen schnell zerlegte. Was dann blieb, war eine Art unstrukturiertes Ragout, das nicht schlecht schmeckte, aber keine wirklich sinnvolle sensorische Struktur mehr hatte.

Dennoch hatte ich unbedingt den Eindruck, dass die Entwicklung im Gange war und Hartwig bald sehr weit nach vorne kommen würde. Im Jahr 2014 habe ich ihn bereits zum „Newcomer des Jahres“ in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gewählt.Was dann kam, hat auch mich überrascht. Ich habe noch nie einen Koch erlebt, der soviel „Gas“ gegeben hat und sich in so kurzer Zeit so gewaltig gesteigert hat. Dabei stellte sich unter anderem heraus, dass Hartwig einer der wenigen echten Meister seines Faches ist, der jeder Aufgabe gewachsen ist und seine Gerichte einem enormen Optimierungsprozess unterwerfen kann. Das blieb nicht ohne Folgen und wurde vor allem vom Guide Michelin frühzeitig bemerkt. Die anderen Führer zogen größtenteils nach, zögerten aber noch etwas mit Höchstnoten, was ich mir nur mit einer mangelnden Kenntnis der Küche von Jan Hartwig erklären konnte.

Später wurde dann auch klar, dass die oft spektakuläre Optik der Gerichte den ein oder anderen Beobachter aus der Entfernung irritiert hatte. Wer die Kompositionen gegessen hat, konnte sofort bemerken, dass hier keinerlei überflüssige Dekoration im Spiel war, sondern alles dem Geschmack untergeordnet war. Und dieser Geschmack wurde zusehends faszinierender. „Besser“oder „gut“ würde es nicht treffen, weil zum Beispiel seine Wiederaufnahmen klassischer Schmorgerichte oder neuerdings auch traditioneller Gerichte von einer solchen geschmacklichen Brillanz sind, dass man Mühe hat, irgendwelche Vergleiche zu finden. Hartwig optimiert und interpretiert gleichzeitig und entwickelt auf diese Weise Geschmacksbilder weiter, von denen man üblicherweise annimmt, dass man sie nicht weiter entwickeln kann. Wenn irgendwo in der Spitzenküche Saibling verarbeitet wird, ahnt man als Kenner in der Regel schon angesichts der Zutaten, wohin die Reise geht. Bei Hartwig kommt Anderes, und es ist – man muss das so sagen – oft besser als die Konkurrenz.

Als ich ihn im Jahr 2017 kurz vor seinem dritten Stern bei der FAZ-Gala dann als „Koch des Jahres“ geehrt habe, schaffte er es als einziger der fünf Preisträger, die das Menü für die Gäste gekocht haben, seine Restaurantqualität 1:1 auf den Tisch zu bringen, für immerhin 150 Gäste. Einer seiner Kollegen sagte mir dazu mit einer Mischung aus Bewunderung und Resignation: „Na ja, Hartwig hat es einfach wieder voll gebracht“.

Man darf von einem Koch dieses Kalibers auch in Zukunft noch viel erwarten. Hartwig ist nicht nur ein geborener Koch, sondern auch einer der wenigen Großen seines Faches, die gleichzeitig immer von neuen Ideen und Konzepten getrieben sind und immer weiter in die Materie eindringen wollen.

Wir wünschen viel Erfolg für den weiteren Weg!

 

 

 

 

 

 

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