Ist der neue Besitzerwechsel beim Gault&Millau rätselhaft? Wie man’s nimmt.

Die Meldung, dass der Gault&Millau schon nach nur knapp zwei Jahren wieder von Burda weggeht, hat sicherlich überrascht. Man muss sich die Wirkung solcher Wechsel ein wenig auf der Zunge zergehen lassen. Dass sich der ZS-Verlag (also Zabert-Sandmann), ein großer und höchst erfolgreicher Verlag gerade in kulinarischer Hinsicht, vom Gault&Millau trennte und sozusagen statt dessen auf den „Gusto“ setzte, konnte man seinerzeit durchaus so interpretieren, dass ihm der immer wieder auch von mir kritisierte GM irgendwie nicht so recht für Zukunft und Erfolg stand, der Gusto aber schon. Die Meldung war also eine Schwächung für den GM. Dann kam die Meldung, dass Burda den GM übernommen habe, und sofort hatte man schon wieder einen gegenteiligen Eindruck: Wenn ein Riese wie Burda sich für den GM interessiert, müssen sie Perspektiven sehen – auch wenn es vielleicht „nur“ um die Abrundung ihres kulinarischen Portofolios geht. Über einen bekannten, bewertenden Führer Anteil an der Meinungmache zu bekommen, ist für viele Verlage ein interessantes Thema.

 

Burda und Gault&Millau

Entsprechend großspurig (ich habe das seinerzeit hier auf www.eat-drink-think.de ausführlich kommentiert) fielen dann auch die Ankündigungen aus, entsprechend aufgebläht auch das, was man rund um das neue GM-Magazin von sich gab, das erst einmal (und bis heute) nicht unbedingt so wirkt, als ob man neben dem Layout auch ein wirklich tragfähiges Konzept hätte. Die Töne des neuen GM-Chefs Christoph Wirtz waren viel zu laut, sein Konzept viel zu altmodisch und insgesamt war es außerdem offensichtlich für viele Gastronomen ein Leichtes, seine Kennerschaft und Vermittlungsqualitäten anzuzweifeln. Damit war zu rechnen, weil die Reihenfolge „groß tönen und dann wenig überzeugen“ immer eine sehr schlechte ist. Da fehlte Demut und der Wille, gute Qualität abzuliefern. Das kommt nicht gut an.

Wenn man sieht, was in der kurzen Zeit bei Burda passiert ist und wie wenig sich im Führer wirklich substantiell verändert hat, wie man andererseits versucht hat, die „Marke“ Gault&Millau stark zu reden und eine System der Vermarktung zu etablieren, das weit über die üblichen Aktivitäten rund um den Führer hinausgeht, kann man erst einmal verstehen, dass man den GM wieder loswerden wollte. Wenn die positive Explosion zu Beginn eines Engagements fehlt (ich habe dazu in dem oben genannten Text allerlei geschrieben), wird der Fortschritt der Dinge zäh. Warum also hat sich Burda vom GM getrennt?

 

Die offizielle Begründung von Burda muss man sorgfältig lesen. Sie verrät etwas sehr Wichtiges.

In einer Stellungnahme gegenüber dem Mediendienst „Horizont“ heißt es von Burda dazu:

„Für Gault&Millau haben die klein- und mittelständische Gastronomie und die oft als Familienbetrieb organisierten Winzer eine relativ große Bedeutung. Es hat sich gezeigt, dass für die Zusammenarbeit mit solchen Partnern ein kleines Team noch besser geeignet ist, um die vielfältigen aber auch kleinteiligen Themen gut zu managen.“

Da wischt man sich erst einmal die Augen. Wird nicht immer behauptet, dass Tester komplett unabhängig seien? Was muss man dann unter „Zusammenarbeit“ verstehen? Warum braucht man dafür ein „kleines Team“? Will man uns hier mitteilen, dass es in Zukunft vermehrt irgendwelche kurzen Wege – sagen wir: der persönlichen Überzeugung geben soll, dass man nicht von außen bewerten, sondern in irgendeine nähere Zusammenarbeit kommen will? Und wie können wir uns so etwas vorstellen? – Vielleicht hat man ja – das wäre die harmlosere Variante – den Gusto vor Augen und seine erfolgreiche Finanzierung durch eine Art Mitgliedsbeitrag, die sich in der Praxis – sicher ein wenig überraschend – durchaus bewährt hat. Die nicht ganz so harmlose Variante wäre die, intensivere Formen der Verknüpfung von Bewertung und Werbung zu etablieren, mit „tiefen“ Online-Formaten, wo zum Beispiel Bewertungen und Links zu Restaurantpräsentationen angeboten und vermarktet werden und insgesamt – auch beim Wein – der Aspekt in den Vordergrund rückt, dass man ja schließlich mit umfangreichen Bewertungen und Geschichten etwas für die Gastronomen und Winzer tut, und dafür auch eine entsprechende Gegenleistung ansetzt. So etwas läuft natürlich schlecht über Meetings in großen Konzernen, sondern sehr viel besser über direkte Kontakte einer Art von Betreuer-Team, das seine Kunden kennt und ihnen eine mögliche Zusammenarbeit plausibel macht und verkauft. Natürlich spekuliere ich hier, aber ich bin sicher, dass es in diese Richtung gehen wird. Von Unabhängigkeit und Anonymität sollte man dann aber nicht mehr ganz so laut reden.

 

Der Neue: Hans Fink

Warum ich in diese Richtung spekuliere, hat viel mit dem neuen Eigentümer zu tun, der „Henris Edition Gault& Millau Deutschland, Italia“.

Gründer dieser neuen Firma ist Hans Fink, der lange Jahre Medienmanager bei Pro Sieben war und danach lange Jahre die Burda Studios betreute, der also ein Spezialist für neue Medien und damit für die Vermarktung der „Marke Gault&Millau“ bestens qualifiziert ist – zumindest unter wirtschaftlichen Aspekten. Im Herbst des letzten Jahres trennte er sich von Burda um sich – siehe oben – selbstständig zu machen. Es hieß damals noch, er würde als „externer Berater“ speziell für die Aktivitäten rund um den GM auch weiterhin tätig sein. Nun also ist der GM bei ihm und die Verbindung zu Burda wird sich – wie es heißt – wohl eher auf die Nutzung der Vertriebswege und anderer Marketingaspekte beschränken.

Aus meiner Sicht deutet sich in der neuen Konstellation eine neue Gewichtung zwischen Vermarktung und Inhalt an – man könnte auch von der Befürchtung einer strammen Schieflage reden. Für mich geht es beim GM sehr viel mehr um ein Problem der Glaubwürdigkeit des Führers, um eine Reform des Konzeptes im Geiste seiner Gründer, um Präzision in den Bewertungen und ein neues, „offenes“ System, das geeignet ist, in Zukunft jede gute Gastronomie adäquat einzuordnen. Dem Weinführer wird da durchaus schon mehr zugetraut, den Markenkern, also den Restaurantführer, diskutiert man sich aber nach wie vor immer selber so zurecht, wie man es vielleicht gerne hätte. Wenn dieser Kern nicht den Eindruck von „Gesundheit“ vermittelt, wird auch die Vermarktung nicht klappen – oder aber eben ein Ergebnis bringen, das mit dem traditionellen Restaurantführer und seinen Qualitäten nichts mehr zu tun hat.

 

Logo: Gault&Millau

5 Gedanken zu „Ist der neue Besitzerwechsel beim Gault&Millau rätselhaft? Wie man’s nimmt.“

  1. Solange die Guides quasi nicht die „Hosen runterlassen“ und nachvollziehbare Einblicke in die Arbeit geben, werden sie immer wieder kritisch gesehen und das – meiner Meinung und Erfahrung nach – zurecht. Mein letztes Gespräch mit einem sog. Tester war im Herbst 2020. Danach konnte ich – so sehr ich mich auch angestrengt habe – dieser Person eher keine Kompetenz zu schreiben, die für diesen wichtigen Job notwendig ist. Auch beim Guide Michelin ist vieles undurchsichtig, Auch hier habe ich Informationen, die einen eher staunen lassen, als näher an die Arbeit des Guides zu rücken. Heftig wird es dann beim „Grossen Guide“, oder „101BesteHotels“. Aber solange die Leserschaft da mitmacht…

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  2. ‚Es hat sich gezeigt, dass für die Zusammenarbeit mit solchen Partnern ein kleines Team noch besser geeignet ist, um die vielfältigen aber auch kleinteiligen Themen gut zu managen‘
    Ich denke, da muss man schon sehr wollen, um daraus abzulesen, dass die Tester/Verkoster jetzt kommerzielle Bande knüpfen sollen. Bei nahezu allen Guides sind die Verkoster freie Mitarbeiter, die auch nicht in Teams arbeiten. ‚Team‘ ist der Vertrieb. Warum sollte das jetzt anders werden? Wie man in sozialmedialen Zeiten so schön sagt: Haters gonna hate. Da helfen keine chinesischen Mauern, den Führern wird sowieso immer Korruption und Mauschelei vorgeworfen. Ich habe drei Jahre für den GM in der Zabert-Sandmann-Ära verkostet. Ich habe den Verlagsleiter genau einmal getroffen (bei einer Buchpräsentation). Kontakt zu Anzeigenverkäufern/Außendienstlern hat es nicht einen einzigen gegeben, ich kannte nicht mal die Namen. Alle Kontakte liefen über die Chefredaktion und über den Logistiker (vor allem über den). Ich erhielt auch keine Rückmeldung, welches der von mir zu beurteilenden Weingüter Marketingpakete oder Anzeigen gekauft hatte. Ich kenne Kollegen, die für andere Führer arbeiten, bei denen ist das im wesentlichen genau so. Und wir alle müssen uns ständig überall anhören, das sei alles korrupt, vor allem von Winzern und Gastronomen, die spätestens nach dem dritten Glas Wein kleinlaut einräumen, dass sie selber noch nie ein unseriöses Angebot bekommen hätten.
    Und jetzt die nötigen Einschränkungen: es gibt schwarze Schafe unter den Testern/Verkostern, die halten sich aber meist nicht lange. Es gibt ganze Publikationen (aber eben nicht die großen zwei oder drei), die verfolgen ein mehr oder weniger offen korruptes Geschäftsmodell – manche schreiben immerhin Advertorial drüber. Und es hat auch schon verzweifelte Chefredakteure gegeben, die bei ausbleibendem wirtschaftlichen Erfolg ihre Prinzipien vergessen haben. Das sind Einzelfälle, vielleicht auch eine knapp zweistellige Zahl im letzten Jahrzehnt. Die reflexhaft-regelmäßigen Abgesänge rechtfertigen sie mMn nicht und die am Beginn dieses Textes angesprochene, weit hergeholte Interpretation auch nicht.
    Die Zukunft der Führer liegt in der Digitalisierung und dabei auch in der Konvertierung der Lesers in Käufer. Die Leser werden mit einem Klick den Wein direkt vom Erzeuger kaufen oder den Tisch direkt im Restaurant reservieren können. Dafür wird eine Provision fällig. Dann werden die Hater noch mehr schäumen: jetzt werden die Kritiker zu Vertriebsmitarbeitern! Der erfolgreichste Weinführer der Welt ist mittlerweile Vivino, die genau das machen, nur dass dort sich berufen fühlende Endverbraucher die Besprechungen liefern und sich mit Sternchen und Orden belohnen lassen (so sie sich nicht in Korruption üben). Die Besprechungen sind mäßig kompetent und die meistgeliebten Weine halbtrockene Primitivos. Prima: alle unabhängig und kein Gemauschel. Die Weinkultur hat allerdings nicht unbedingt gewonnen.

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    • Lieber Herr Bodmann,

      vielen Dank für Ihre Reaktion, die ich mit Interesse gelesen habe. Ich bin allerdings nicht unbedingt der Meinung, dass die „Hater“ in der Überzahl sind. Es sind eher die Unterstützer. Seit vielen Jvor,ahren beklage ich, dass gerade in den Feuilletons und/oder da, wo auch im kulturellen Bereich einmal über Essen gesprochen wird, sich hartnäckig eine alte Liebe zum GM hält – wie Beton, wie festgeschraubt, unbelehrbar, nicht zu erschüttern. Davon leben immer noch viele Reaktionen, die ein neu erschienener Führer bekommt.
      Das ist die eine Sache. Die andere Sache sind die schwarzen Schafe, die sie einräumen, allerdings in einer sehr geringen Zahl. Ich habe bisher nie „ausgepackt“, immer in der Hoffnung, dass es mit dem GM besser werden wird. Meine Sammlung an Berichten ist teilweise wirklich extrem und sie ist eher umfangreich., die Zahl der schwarzen Schafe ist also in. meinen Augen eher etwas höher. Mir geht es aber nicht darum und ich habe nicht, vor, meine Hintergrundinformationen zu verwenden. Mich stören mehr Unsachlichkeiten, Unkenntnis, kulinarische Politik und Anderes in dieser Richtung.
      Mit freundlichen Grüßen JD

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      • Lieber Herr Dollase,

        aber die schwarzen Schafe sind genau das. Mit Ihrer Mutmaßung gehen Sie indes, ob gewollt oder zu flott formuliert, in Richtung der Unterstellung, dass das neue Team die Institutionalisierung des Schwarzschaftums vorantreiben könnte. Das ist ja das, was mir seit Jahren begegnet: die Unterstellung, die Führer an sich seien korrupt (qua Geschäftsmodell). Und das ist einfach Quatsch und unterscheidet kritische Begleiter von Hatern. Bleiben Sie doch kritischer Begleiter.
        cheers
        FB

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