(Bibliographische Angaben s. Rezension Teil I)
Allgemeines und Vorbemerkungen
Mit zwei Bänden nehmen die Rezepte in „Modernist Bread“ einen großen Raum ein. Und weil es Myhrvold immer um ein Maximum an Präzision geht, sind die Rezepte auch nicht unbedingt einfach zu realisieren. „Mal eben ein Brot backen“ geht hier jedenfalls nicht. Diese Präzision hat allerdings dann auch ihren Preis bei den Chancen zur genauen Wiederholbarkeit der Rezepte. Myhrvold gibt präzise an, mit welchen Materialien er gearbeitet hat, welche Mengen er verwendet hat und mit welchen Techniken die Brote ganz genau entstanden sind. Aber… wer hat das nun wirklich alles bei sich vorliegen? Das Buch ist in den USA entstanden und insofern werden quasi nur Produkte verwendet, die man bei uns nicht bekommt. Haben wir etwa irgendwo das „King Arthur Sir Galahad Flour“ mit 11,7% Eiweiß oder das „Diamond Crystal Kosher Salt“ bei der Hand? In den „Hinweisen zu den Rezepten“ geht es insofern kompliziert zu. Wer den Vorgaben möglichst nahe kommen will, muss das genau genau lesen und versuchen, bei uns ähnliche Produkte zu bekommen. Dass Myhrvold auch grundsätzlich Abwiegen (manchmal bis hin zu Zehntelgramm) der Zutaten vorschreibt, versteht sich von selber. Man könnte sich nun fragen, ob man nicht das ganze System für den deutschen Markt hätte anpassen können. Aber – das wäre vermutlich nur ungefähr gelungen und außerdem hätte Myhrvold das vermutlich abgelehnt, weil er mit diesen Zutaten einfach nicht gearbeitet hat.
Die Rezepte haben als Folge der Genauigkeit natürlich auch eine komplexe Form. Myhrvold hat ein eigenes System dafür erfunden. Um die Lage völlig klar zu machen, habe ich eine Seite aus dem Buch beigefügt. Sie dürfte ohne weitere Erklärungen zeigen, wie es hier zugeht.
Wenn man von diesen Problemen absieht (oder in der Lage ist, sie wenigstens weitgehend zu lösen) entwickelt sich in den Bänden 4 und 5 von „Modernist Bread“ ein riesiger Fundus von Broten und Techniken.
Band IV: Rezepte 1
Dieser Band hat vier Kapitel: „Brote ohne Fett“, „Brote mit Fett“, „Roggenbrote“ und „Kastenbrote“. Aus den „Broten ohne Fett“ hier gleich zu Beginn als Beispiel das, was unter „Brot aus Urgetreide“ zu finden ist. Nach einer Einführung gibt es Texte zu „Was ein gutes Brot aus Urgetreide auszeichnet“, „Tipps für ein gelungenes Brot aus Urgetreide“, „Wer packt die meisten Körner in ein Brot“. Dann das Rezept für ein „Brot aus Urgetreide“ inkl. Step-by-Step-Abbildungen und einer Liste mit den Backzeiten und -temperaturen für verschiedene Brotformen. Es folgt „Mehle aus Urgetreide und Optionen für wertgebende Zutaten“, dann ein Rezept für ein „Sauerteigbrot mit 60%igem Buchweizenmehl“. Das „Modernistische Brot aus Urgetreide“ ist ein Brot, bei dem die Erkenntnisse aus der Erforschung des Themas „Brot“ in diesem Buch einfließen, es ist also so etwas wie „das Urgetreidebrot an sich“, Version Nathan Myhrvold. „Modernistische“ Fassungen gibt es zu allen Brotgruppen.
Das Kapitel „Brote ohne Fett“ ist unterteilt in „Französische Weißbrote“, „Sauerteigbrot“, „Landbrot“, „Brot aus Urgetreide“, „Weizenvollkornbrot“ und „Brote mit hoher TA“ (Anm. TA = „Teigausbeute“). Das Kapitel „Brote mit Fett“ listet zuerst „Zutaten für angereicherte Brotteige“ und hat dann die Abteilungen „Brioche“, „Challa“ und „Sandwichbrot“. Das Kapitel „Roggenbrote“ hat die Abteilungen „Die Eigenschaften von Roggenbrot“, „Weizenbrote mit Roggen“ und „Reine Roggenbrote“. Das Kapitel „Kastenbrote“ hat die Abteilungen „Ganzkornbrote“, „Vollkornbrot“ und „Pumpernickel“. Alle Texte sind gut bebildert und ab und zu gibt es auch auflockernde Ergänzungen wie etwa „Gewürze in Roggenbrot“ oder „Immer weniger deutsche Bäckereien“. Insgesamt sieht dieser Band aber schon eher technisch und eher wie ein Fachbuch aus. Es geht eben um die Herstellung von Brot und sonst nichts. Ein wenig überraschend hält sich der kreative Anteil (i.w.S., siehe unten) in Grenzen. Es geht eher um Optimierung, nicht um jede mögliche Variante (oder „Spielerei“) mit Brot.
BAND V: Rezepte II
Band Nummer fünf macht da weiter, wo Band vier aufgehört hat. In identischer Machart geht es um „Fladenbrot und Pizza“ (z.B. Naan, Focaccia, Pizza und Cracker), um „Bagels, Brezeln und Bao“, um „Glutenfreie Brote“ und um „Brot aus dem Backautomaten“. Es überrascht nicht, dass mit dem legendär guten Pizza-Hintergrund in Städten wie New York, die Pizza-Abteilung sehr seriös wirkt und die Ergebnisse unverstellt auf klassische Formen zurückzuführen sind. Die unendliche Vielfalt an Belagen spielt also keine Rolle. Wieder geht es vor allem um die Optimierung der Grundformen. Bei den Backautomaten gibt es etwas zur Geschichte und den handwerklichen Problemen, gefolgt von einige eigenen Vorschlägen für Brote aus dem Automaten.
Nach Seite 319 endet das Buch. Die weiteren Seiten sind Anhang, u.a. mit Angaben zu „Weiterführender Literatur“ und zu „Historischen Büchern und Kochbüchern“. Es gibt ein Glossar, Grundrezepte, Umrechnungstabellen usw. – auch Angaben zum Team der „Modernist Cuisine“ und natürlich ein riesiges Inhaltsverzeichnis.
Fazit
Was zuerst auffällt, ist das weitgehende Fehlen der experimentellen Abteilung. Dieses Buch hat die klassische Brotbackkunst im Mittelpunkt, hier und da ein paar kleine Erweiterungen, nicht aber das, was sich in den letzten Jahren rund ums Brot entwickelt hat. Es fehlen also auch Gerichte unter Verwendung von Brot oder Experimentalbrote mit allen möglichen Zutaten, die von etwas Mehl zusammengehalten werden. Sie werden hier und da erwähnt, aber nicht wirklich thematisiert (auch wenn es als Beispielfoto für die Rezeptdarstellung eine eher moderne Variante gibt…). Das sollte man wissen, weil sich heute – gerade auch bei uns in Deutschland – bereits viele Köche mit einer Art Erweiterung des Brotbegriffs befassen. Dennoch ist die Qualität des Buches natürlich völlig klar, vor allem wenn man daran denkt, unter welchem Druck Brotqualität heute steht und dass es gut sein kann, dass große Teile der Bevölkerung immer mehr von Discountern kulinarisch sozialisiert werden und schon bald nicht mehr wissen, wie gut Brot sein kann. Insofern rückt Nathan Myhrvold die Maßstäbe wieder zurecht. Man kann nur hoffen, dass sich die alte, neue Handwerklichkeit, die sich durch dieses Buch zieht, so gut rund um den Globus entfaltet, dass sich die Lage stabilisiert. Insofern sollte man das „Modernist“ im Buch nicht zu eng auslegen. Die eigenen Varianten sind im wesentlichen optimierte, nicht unbedingt modern-kreative oder gar avantgardistische Produkte.
Die Wertung für ein solches, alle Maßstäbe sprengendes Werk muss natürlich maximal sein. Nathan Myhrvold hat sich um die Kochkunst verdient gemacht. Und er leistet immer wieder einen wesentlichen Beitrag dazu, dass die Kochkunst kommunizierbar wird, dass es Fakten gibt, die sich dann auch durch die Jahrhunderte halten werden. So etwas gab es früher nie.
Das Buch bekommt drei grüne BBB. Was sonst.
Fotos © The Cooking Lab, Bellevue
Hallo,
habe Ihren Bericht auch gelesen, sehr intressant, hatte eigentlich auch vor „Modernist Bread“ zu kaufen.
Bin Hobbykoch und Hobbybrotbäcker und lese auch einige Bücher über Brot z.b von Lutz Geißler und habe auch schon viele
verschiedene Brote gebacken, jetzt meine Frage, wenn ich den Bericht von Ihnen so lese, bin ich etwas verunsichert
ob ich diesen Band „Modernist Bread“ noch kaufen soll, er ist ja auch nicht gerade billig.
Wird dort sehr viel mehr übers „Brot “ geschrieben und erklärt, ich möchte einfach sehr viel über das Thema „Brot backen“ erfahren.
Den Band „Modernist Cuisine“ hab ich schon und ist sehr gut.
mfg
Andre Gießing
sehr gut , habe es auch , passt alles , was sie geschrieben haben