Johann Lafer: Johanns Küche. Einfach und gut kochen mit der besonderen Lafer-Raffinesse. Gräfe und Unzer, München 2019. Hardcover, gebunden, 192 S., 19.99 Euro
Populäre TV-Köche wie Johann Lafer haben nicht zwingend immer ein so schönes Leben, wie es vielleicht für den ein oder anderen Beobachter den Anschein hat. Es geht dabei weniger um den Verdienst oder die Bekanntheit. Es geht um die ewigen Wiederholungen der immer gleichen Abläufe rund um Sendungen, die jahrelang im gleichen Format abgehandelt werden müssen. Es geht für einen Koch um das ewige Anpassen von Rezepten an den Bedarf des Publikums, um das Verkaufen von Dingen, die sich eigentlich immer sehr, sehr ähnlich sind. Um wieder ein neues Buch, das irgendein Konzept haben muss, das vom letzten Buch abweicht, und so weiter und so fort. Gleichzeitig müssen die neuen Produkte natürlich glaubhaft verkauft werden, weil sich Ehrlichkeit und Authentizität eben gut verkauft.
Johann Lafer hat sich vor einiger Zeit aus der Spitzenküche verabschiedet. Das neue Buch soll den Übergang markieren. O-Ton Lafer:
„Diese Buch habe ich am Beginn eines Wendepunktes in meinem Leben verfasst. Nach umtriebigen und erfolgreichen Jahren im Sternezirkus der Gastronomie reifte mein Entschluss, mich von diesem ‚Leistungssport‘ zu verabschieden. Auf meinen kulinarischen Reisen beobachte ich, dass die Gäste nicht mehr zwingend auf Sternejagd sind. Es gibt eine tiefe Sehnsucht nach der traditionellen, einfachen Küche. Dieser eine besondere Raffinesse zu verleihen, war seit jeher der Grundgedanke meiner Kochkunst. Ich möchte zurück zu meinen kulinarischen Wurzeln“…
Dazu ein paar Anmerkungen. „Lafer und die Spitzenküche“ ist eine Geschichte, die sehr unausgeglichen geworden ist. Man muss daran erinnern, dass Lafer früher einmal zwei Sterne hatte und einer der frühen Köche mit euro-asiatischen Einschlägen war. Als er dann aber ins Fernsehen „abwanderte“, verlagerte sich das Interesse deutlich in einen Bereich, in dem man einfach sehr viel mehr Geld verdienen kann – ob mit den Sendungen direkt, mit dem Catering als Folge von Popularität, mit den Büchern, mit Werbung und anderen Produkten. Diese Entwicklung führte dazu, dass Lafer seinen Küchenchefs mehr oder weniger auch das Gourmetrestaurant anvertraute und bei Wechseln dann natürlich auch darauf achtete, dass der neue Koch zumindest einigermaßen modern mitspielen konnte. Dass sich im Laufe der Zeit ein gewisser Entfremdungsprozess zwischen Lafer und der praktischen Arbeit in einem zeitgenössischen Restaurant einstellte, war normal. Dass die Sache dann irgendwann auch ein Ende finden musste, kam für Beobachter ebenfalls nicht überraschend.
Die Beobachtung einer „Sehnsucht nach traditioneller Küche“ (siehe oben) ist ein kulinarischer Allgemeinplatz, der eigentlich immer seine Gültigkeit hat. Es gibt Tendenzen, es gibt Wellenbewegungen, tatsächlich ändert sich wenig, egal, was in den Medien gerade einmal wieder als Trend durchs Dorf gejagt wird. Die Zahl der Sterneküchen steigt, und was sich ändert (und ändern muss) ist vor allem die Gastronomie, also die Art und Weise, wie auch sehr gutes Essen unter die Leute gebracht wird. Dass Lafer hier dem Gerede von „Trendforschern“ etc. folgt, wirkt nicht überzeugend und lässt auf ein immer noch nicht wirklich stabilisiertes kulinarisches Selbstbewusstsein schließen.
Das Buch zum vorläufigen Bewusstseinswandel ist eine Enttäuschung, weil es weder hält, was es verspricht, noch an irgendeiner Stelle wirklich interessant ist. Es ist eigentlich wieder ein ganz normales TV-Koch-Produkt, eines der vielen Bücher, von denen man nie so ganz genau weiß, warum sie – außer der Realisierung von Einnahmen für Verlag und Koch – überhaupt erscheinen. Die Bilder zu Beginn des Buches „aus dem Vorratsschrank“, von „Obst und Gemüse“, von „würzigen Kräutern“ („Grüne Wunder“), von „getrockneten Gewürze“ („Kleine Offenbarungen“) oder die fünf Stücke Fleisch, die als „Das Beste vom Tier“ usw. usf. vorgestellt werden, sind banal und im Grunde überflüssig. Dass man ein paar Töpfe braucht, muss man dem geneigten Leser ja nun wirklich nicht mitteilen. Auch wenn es scheinbar speziell und modern wird („Wahre Zaubermittel“, also Grünkohl, Ingwer, Holundersaft, Kümmel, Micro Leaves, Quinoa und Shiso Kresse), geht es nicht wirklich um Novitäten.
Die Rezepte wirken wie ein wildes Sammelsurium von Dingen, die so oder ähnlich seit Jahren in allen möglichen „populären“ Büchern durchgenudelt werden – um einmal diesen despektierlichen Begriff zu verwenden. Den Anfang macht ein bunter „Spargel-Brotsalat mit Himbeeren und Minze“, bei dem nur hoffen kann, dass man nicht gleichzeitig Spargel und Himbeere im Mund hat, weil das das Spargelaroma einfach schwer schädigen kann. Es folgen z.B. „Spitzkohl-Gurken-Kimchi mit Rinder Satés“, „Radicchiosalat mit Ananas und Crostini“, „Erbsensuppe mit Bündnerfleisch-Röllchen“, „Rote Bete mit gerösteter Quinoa“ und allerlei Rucola, und – ja auch das – „Pasta mit frischen Tomaten und Basilikum“. Es fehlt einfach der behauptete Input eines Meisterkochs. Statt dessen gibt es den Input eines Kochs, der in seinem Leben ein bisschen arg viel Rezepte für Nicht-Köche, Hobby-Köche usw. entwickelt hat. Wer Spezielles sucht, wird es nicht finden, es sei denn, er kennt sich nun wirklich nicht gut aus und lässt sich quasi von Allem überraschen, was nicht wie Fertiggericht aus dem Supermarkt aussieht. Kurzum, das ist nicht die „besondere Lafer Raffinesse“, sondern wieder nur kommerziell ausgelegtes Material für ein bisschen Trend hier und Trend da.
Lafer könnte viel besser arbeiten, wenn er denn seine Anmerkungen im Vorwort wirklich wahr machen würde. Es stellt sich allerdings die Frage, ob er nach all den Jahren in der Verwertung von Kochkunst noch einen Kochkunst-Kern bei sich finden wird, oder Interessen, die er vielleicht als aufstrebender junger Koch einmal gehabt hat, mittlerweile sehr, sehr weit zurückliegen.
Ich möchte auf die Vergabe von B’s verzichten
Mit allem Respekt: Hat Herr Dollase auch keine Lust mehr? Ich bin erstaunt, von einem Autor dieser Reputation (und sicher allergrößter Sachkenntnis und großen Verdiensten) einen so schlampig formulierten, im wahrsten Sinne des Wortes witzlosen, un-inspirierten Artikel ohne nennenswerten Erkenntnisgewinn oder Unterhaltungswert zu lesen. Wenn schon Verriss und Demontage, dann bitte mit ein bisschen Verve und Witz.
Lieber Herr Gottfried,
das Buch hat mich wirklich ermüdet – vielleicht auch deshalb, weil ich Johann Lafer gut kenne. Es gibt leider immer noch viele Versuche der Verlage, auf Teufel komm heraus mit bestimmten Büchern Geld zu verdienen – auch wenn der Inhalt es manchmal gar nicht hergibt.
Ich werde mir Ihre Anregung natürlich zu Herzen nehmen…
Was mich an Lafer -und anderen – nervt, sind diese Trivialitäten, die zur „Raffinesse“ erklärt werden (die in diesem Buch vollkommen abwesend ist, ich hab´s mir durchgesehen) und dass ihm von vielen „Hobbyköchen“ geglaubt wird, die es nicht besser wissen. Allerlei Rucola und so. Kimchi mit Saté? Klingt wie Eisbein mit Mozzarella. Dann ist man bei furchtbar netten Leuten eingeladen und weil die wissen, dass man selber heftig kocht (die nicht), tischen die einem diesen Mist auf, nachdem sie sich den ganzen Nachmittag einen Wolf gekocht haben. Und erzählen noch ganz stolz, sie hätten sich extra dieses Kochbuch von Lafer (oder Jamie…) gekauft. Was machst du dann? Klärst du die auf? Nicht sehr taktvoll. Isst du brav auf und lobst die erhitzte Gastgeberin? Eher verlogen. Wir sagen dann meistens: „Das ist aber nett von euch. Was haltet ihr davon, wenn wir das nächste Mal bei uns zusammen kochen?“ Dann gibt´s nämlich diese wunderbaren Aha-Erlebnisse, im Kräuterbeet, vor dem Gewürzmörser, wenn man den Sous-Vide-Beutel aufschneidet. „Das ist ja irre. Und so einfach.“ Ach, ich ärgere mich über jemand, der Leuten, die sich nicht wehren können, diese Rheumadecke von Buch verkauft. So, jetzt geht´s mir besser.
Und jetzt kommt Karma: Nachdem ich heute sechs Stunden in einer TK mit AI-Chinesen steckte (mann, sind die weit), sind wir noch schnell zum koreanischen Supermarkt unseres Vertrauens gefahren. Kanister voller Manis, Teriyaki, Sesamöl… nein, wir haben kein Restaurant, wir tun nur so. Daheim raffe ich mich dazu auf, Saté zu bauen, Sauce kocht ein, beste Frau von allen kommt in Küche, probiert, meckert („süß aber geil“, also die Sauce, OK?). Ich: kannst du einen Salat machen, ich hab keinen Bock. Sie: Wir haben doch Kimchi.
Heute abend auf dem Menü: Saté mit Kimchi!! Passt für mich immer noch nicht, dieses warme, nussige vom Saté mit dem Umami und der Schärfe von Kimchi, aber… ich muss keinen Salat machen! Saté mit Kimchi! Original Lafer!! Ich nehm alles zurück, Hauptsache ich muss keine Tomaten schnippeln.
„Dass man ein paar Töpfe braucht, muss man dem geneigten Leser ja nun wirklich nicht mitteilen.“
Da bin ich mir gar nicht so sicher. Sie wissen das, ich auch und viele wissen das, aber der Anteil der Menschen, die das nicht wissen nimmt rasant zu. Zu viele wissen auch nichts über Produkte. Ich arbeite als Lehrer und wundere mich immer wieder wie unglaublich weltfremd die Kinder zunehmend werden und wie wenig sie teilweise über einfache Dinge wissen. Sie wissen dafür teilweise anderes, wovon ich keine Ahnung habe; nur kochen gehört zu oft nicht dazu. Im heimischen Umfeld nimmt die Zahl der vernünftig ausgestatteten Küchen in manchen Bevölkerungsschichten auch eher ab.
Die Frage ist allerdings, ob diese Zielgruppe Bücher von Johann Lafer kauft. Der ist nämlich das Gegenteil von jugendlich frisch. Sieht man sich ältere Sendungen mit ihm an („Lafers Himmel un Erd“ im SWR), dann war das mal ein eher bedächtiger Koch. Heute macht er einen auf Showman, aber man merkt, dass er das eigentlich nicht ist; und entsprechend uninteressant ist er für solche Leute. Daher werden seine Bücher wohl wirklich Menschen kaufen, die wissen, dass man Töpfe braucht und welches Stück vom Tier taugt und nicht diejenigen, die da Nachholbedarf hätten. Die gucken sich lieber mal ein youtube-Video zum Thema Kochen an. (Gibt es da gute? Sie kochen ja leider nicht mehr bei der FAZ!)
Man fragt sich aber auch, wer die jungen an die Hand nehmen soll. Die ganzen Jungstars sind mittlerweile auch ziemlich alt und neues kommt nicht nach. Der Markt ist aufgeteilt und gesättigt.
In Wahrheit finde ich die Aussagen von Herrn Lafer, die er im Zusammenhang mit seinem „Sternerückzug“ tätigte noch viel, viel schlimmer. Nämlich bei seinem Versuch, seinen neuen Weg als den allerbesten und einzig wahren zu inszenieren, bin ich den Eindruck nicht losgeworden, dass er seine verdienten Kollegen damit ein Stück weit diskreditiert hat. Bewusst oder unbewusst. Soll er doch in Zukunft machen, was er will. Aber er soll auch bitteschön akzeptieren und respektieren, daß es in der Sternegastronomie auch Köche gab und gibt, die zeitlebens nie ein Kochbuch geschrieben und nie in einer Kochshow zu finden waren, wie der selige Helmut Thieltges. Das kulinarische Vermächtnis dieses Großmeisters aus dem Sonnora in Dreis, wo mit Clemens Rambichler ein herausragender Nachfolger gefunden wurde, bleibt auch ohne PR-Maschinerie zeitlebens über jeden Zweifel erhaben. Das Sonnora steht im übrigen auch stellvertretend für viele andere Sternerestaurants, die dem Weg der „Sterneverteidigung“ treu bleiben. Und dieser Weg ist mir persönlich allemal viel lieber.
Lieber Herr Rauen, ich kann Ihre Gedanken gut nachvollziehen Etwas nicht als eigene Position, sondern gleich als die endgültige Wahrheit darzustellen hat im kulinarischen Bereich leider eine böse Traditionen bezeichnet den Übergang von der Meinung zur kulinarischen Politik. Im Grunde will man nicht Gutes machen, sondern andere/die Konkurrenz bekämpfen.
Die Sache mit Helmut Thieltges habe ich auch sehr bedauert. Ich habe viele Jahre lang versucht, ihn zu einem Kochbuch zu überreden. Das einzige, was ich einmal geschafft habe, ist ein Weihnachtsmenü für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Aber auch da hat er mir nur ein paar Notizen gegeben, die ich dann im Pingpong-Verfahren in Rezepte verwandelt habe…
Lieber Herr Dollase, herzlichen Dank für Ihre Antwort. Daß mit den bösen Traditionen im kulinarischen Bereich ist natürlich bedauerlich und ich finde die Aussagen von Herrn Lafer nach wie vor unterirdisch. Mich stimmen die positiven, einander wertschätzenden „Verbindungen“ von Spitzenköchen gerade auch in Deutschland untereinander wahnsinnig positiv z.B. Christian Bau war jetzt gerade in der Traube Tonbach. Torsten Michel und Clemens Rambichler mögen sich ebenfalls. Christian Bau und Clemens Rambichler haben sich schon gegenseitig bekocht und zwar an ihren „freien“ Tagen. Das ist doch das, was letzten Endes zählen sollte, die Wertschätzung untereinander, immer mit dem Ziel, die deutsche Hochküche weiter voranzubringen. Ich wünsche ein angenehmes Wochenende.
Wen wundert denn noch irgendwas in der Kochbuchszene? Mich! Trivialitäten zu Gourmetrezepten erhoben, weil ein halbes Blatt Jiaogulantempura im Dessert ist. Schalte ich morgens um 6 Uhr mein Radio zu den Nachrichten an, empiehlt mir Lafer Musterhausküchen und sagt: “ Ihr Johann Lafer“ Auch an der richtigen Grillkohle komme ich auch nicht vorbei, wenn ich Fernsehköche kenne. Und ich kenne viele, die, vermutlich mich, nicht. Auch Jürgen ist bei mir schon im Garten gewesen und hat eine Kräutermauer fotografiert. Heute gab es aufgetaute Rindfleischsuppe mit einem Hauch Korianderblütengelee. Köstlich!! Einfach keine Zeit zum frischen Zubereiten gehabt, weil das Grab der Schwiegerelten mit Marmorkies bedeckt werden sollte. Der hat aber am Handschuh weiß abgefärbt. Heute Abend habe ich die Handschuhe ausgekocht, es ergab ein wunderbares Dressing zu Walpenissalat mit getrüffeltem Ingwerbirnensud. Nur perfekt mit dem Queckenragout. Morgen gibt es Doll-Hase mit Aromen von Steinheuer, glasiert mit Mispelmusperlen aus Marskratern. Nicht bei mir, ich genieße Kartoffelsalat im örtlichen Restaurant. Waahnsinnig gut!!