Ralf Bos von “Bos Food” gehört zu den wichtigsten Lieferanten der Gastronomie. Nun müssen seine Kunden weitgehend schließen. Wird auch Bos Food nun gefährdet und – wie lange kann ein Lieferant ein solches Szenario durchhalten? Bos antwortet ausgesprochen cool, lässt aber deutlich erkennen, dass man sich schon längere Zeit mit dem Szenario befasst hat. Hier ein Gespräch – zwischen Fatalismus, Realismus und Hoffnung.
Jürgen Dollase (JD): Was haben wir denn jetzt eigentlich zu erwarten? Es klingt ja alles für die Gastronomie und Hotellerie absolut grauenhaft!
Ralf Bos (RB): Die große Aufgabe für die Gastronomie wird sein, dass man sich jetzt streng kaufmännisch verhalten muss. Die ganzen Kontakte mit den Behörden, mit Anträgen und solchen Dingen sind der Gastronomie normalerweise völlig fremd.
JD: Aber Du arbeitest sozusagen im Maschinenraum der Gastronomie, Du sorgst normalerweise für den Nachschub. Mit welchen Einbußen rechnest Du?
RB: Wir hatten erst einmal 20% weniger Aufträge und 20% weniger Durchschnittsbon angenommen. Das haben wir dann erst einmal für zwei Monate durchgerechnet. Aber nun hat sich die Lage ja noch einmal völlig verändert.
JD: Wie hoch ist der Anteil von Produkten in Eurem Sortiment, die man noch eher zu den Frischeprodukten zählen muss?
RB: Gering. Dieser Anteil ist auch immer gering gewesen. Wir haben immer gesagt: kein Fisch, kein Fleisch, kein Obst, kein Gemüse, keine Kopfschmerzen. Heute zahlt sich das aus, dass wir bis auf ein paar Spezialitäten wie Trüffel, Kaviar, Austern, Hummer so gut wie keine Frischware haben. Von 7500 Quadratmetern Lager sind vielleicht vier Quadratmeter Frischprodukte.
JD: Andererseits: Was nicht verbraucht wird, wird auch nicht wieder eingekauft…
RB: Wir haben immer eine Restlaufzeit von 9/10, wir kaufen immer so ein, dass wir für 1/10 der Restlaufzeit Ware im Haus haben. Wenn es sich um sagen wird: 40 % verringert, haben wir immer noch 85% der Waren….
JD: …gut, das ist höhere Mathematik… Nun haben wir aber den Zustand, dass nichts mehr läuft. Was nun?
RB: Rein vom Umsatz her kann man kein Personal, keine Miete mehr bezahlen. Es muss also staatliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Da hat der Staat gut reagiert und den Zugang zu Kurzarbeitergeld erleichtert und gleichzeitig unbegrenzte Kredite bereitgestellt. Da müssen sich viele Gastronomen auf die Hinterbeine stellen, um ein solches Procedere einmal zu erlernen und für ihren Betrieb zu nutzen.
JD: Eine Frage an Dich als Kenner der Gastronomie: Sind die Entscheidungen zur Schließung der Restaurants etc. hysterisch? Haben wir es mit machtversessenen Politikern zu tun, die endlich einmal per Verordnungen Dinge machen können, die die Leute befolgen müssen? Es sieht ja so aus, dass sie mit einem Federstrich Anordnungen von gewaltiger Tragweite treffen.
RB: Ich glaube, dass es zu viele Leute gibt, die Angst haben, dass man Ihnen – falls etwas passiert – die Schuld in die Schuhe schieben könnte. Da geht man sehr, sehr forsch nach vorne und sagt: Wir machen erst einmal Alles dicht, was wir mit einem Federstrich dicht machen können. Das ist sehr forsch für eine Sache, die ja im Grunde noch nicht so dramatisch ist. Die vergleichenden Angaben zu normalen Grippewellen relativieren das Geschehen eigentlich sehr deutlich.
JD: Ich hoffe, dass die Wissenschaftler da die Übersicht über das gesamtgesellschaftliche Geschehen, das im Grunde mangels Vergleich niemand vorhersehen kann, zumindest im Auge behalten.
Aber etwas anders. Es gibt ja viele junge, aufstrebende, gute Restaurants, teilweise mit Sternen, die auf einem Sockel von Festkosten sitzen. Die Rechnung ist dann manchmal so, dass bei – sagen wir: 20 verkauften von insgesamt 30 Plätzen die Sache Plus-Minus-Null steht und man erst darüber hinaus einen Gewinn macht. Wie sollen solche Restaurants längere Ausfall-Zeiten überstehen?
RB: Längere Zeiten übersteht niemand, auch wir nicht. Auch Rungis-Express oder das Frischeparadies werden keine längeren Zeiten überstehen.
JD: Was bedeutet dann „längere Zeiten“?
RB: Wir haben einen Anlagehorizont von 60 Tagen. Das heißt: 60 Tage können wir – mit Einbußen von 40/50 % überstehen. Danach müssen wir ebenfalls staatliche Hilfen in Anspruch nehmen und schauen, wie sich das weiterentwickelt. Es weiß ja keiner, ob das eine Sache ist, die in drei Monaten ausgestanden ist, oder ob es in 18 Monaten immer noch so ist.
JD: Wann müsst ihr beginnen, Bestände abzuschreiben?
RB: Das würde ungefähr ein Jahr dauern. Normalerweise werfen wir nichts weg, sondern spenden das der Tafel. Es gibt natürlich ein paar Käsesorten usw., die nur ein paar Monate haben, aber da haben wir nicht so viel, dass wir darüber nachdenken würden.
JD: Hat die Gastronomie am Ende des Tages den Schwarzen Peter?
RB: Nicht nur die Gastronomie, auch alle anderen Bereiche, wo es am Ende es um ein Angebot und um Einnahmen geht, die unmittelbar mit der Fortführung der Geschäfte zu tun haben. Das ist zum Beispiel auch quasi Alles, was mit Freizeit zu tun hat. Allerdings geht der Verzicht bei den Leuten mit Sicherheit auch schwer aufs Gemüt. Das kann schon nach 20 oder 30 Tagen so sein. Vielleicht gibt es dann wieder Zwischenlösungen wie mit den auseinander gestellten Tischen oder begrenzten Öffnungszeiten oder lediglich den Verzicht auf größere Feiern und man kann mit einem etwas verringerten Risiko wieder wenigstens anfangen zu arbeiten.
JD: So machen wir das. Bereiten wir uns auf die Rückkehr vor und hoffen wir, dass alle noch an Bord sind.
Lieber Ralf Bos,Ihre Gedanken sprechen mir aus dem Herzen,unsere Firma war am 1.3.2020 120 Jahre alt und die Vorgänger Vater un d Großvater haben zwei Kriege überstanden und nie den Kopf in den Sand gesteckt.Mein Vater sagte immer nicht die Flinte ins Korn schmeißen,sonst schmeckt das Brot nach Eisen. Jetzt werde ich 74 und berate unseren Sohn (Vierte Generation) in dieser Situation jeden Tag aufs neue. Grüße an die ganze Truppe bleibt gesund.Meine Bestellung läuft,um Euch zu unterstützen. Heiner Ehlers Hannover
Mit Verlaub lieber Herr Bos, für diese unüberlegte, und gefährliche Formulierung (Zitat unten) muss es die Rote Karte geben. Ich empfehle die PK vom 20.03., von Lothar Wieler, Robert-Koch-Institut. Jeder der Verantwortung trägt und in der Öffentlichkeit steht, sollte sich momentan genau überlegen was er zu diesem Thema mitteilt. In ein Interview zur Situation der Gastronomie und zur Situation von „Bos Food“ gehört das aus meiner Sicht nicht. Herr Wieler äußert sich ja auch nicht zur Qualität von Trüffeln in den täglichen PK’s. Das würde man ja auch als Anmaßung empfinden, oder?
„Das ist sehr forsch für eine Sache, die ja im Grunde noch nicht so dramatisch ist. Die vergleichenden Angaben zu normalen Grippewellen relativieren das Geschehen eigentlich sehr deutlich.“
Mit Ver
Udo Brosko, dass, was ich dachte, als ich das Interview las, haben Sie geschrieben. Ich stimme dem, was Sie sagen voll und ganz. Eine solche Aussage von Herr Bos geht gar nicht.