In den letzten Jahren hat es bei den Verbrauchern ein Umdenken gegeben. Tatsächlich ist es so, dass sich ein breites gesellschaftliches Bewusstsein für gute Spirituosen und ein Interesse an der Sache selbst entwickelt hat. Auf einem Gin-Festival konnte ich zuletzt meine Annahme dahingehend bestätigen. Die Besucher dort haben sich mit ihrem Hintergrundwissen gegenseitig zu übertrumpfen versucht, während sie erzählten, wie viele verschiedene Gins sie zuhause haben. In diesem Kontext habe ich eine weitere Beobachtung gemacht und damit meine ich nicht, dass offenbar jeder, der eine Badewanne hat, auch einen eigenen Gin herstellt. Verstehen Sie mich hier nicht falsch, wenn ich das Ganze wieder einmal polemisch formuliere – Sie kennen mich ja mittlerweile und wissen, dass ich einfach nicht anders kann. Ich liebe die Vielfalt und habe lieber eine große Auswahl, bei der man vielleicht einige Abstriche machen muss, als keine Auswahl, bei der man keine Abstriche mehr machen kann.
„Vielfalt statt Einfalt“ ist mein Motto – in allen Bereichen des Lebens. Doch allen Bemühungen zum Trotz merke ich, dass einem gewissen Thema nicht genug Beachtung geschenkt wird, wenn es um Longdrinks, beziehungsweise Highballs geht. Wir wollen uns also an dieser Stelle mit dem Thema „Fillern“ beschäftigen. Filler? Fangen wir vorne an. Eine große und beliebte Kategorie von Drinks nennt sich Highballs, in Deutschland eher unter dem Namen Longdrinks vertreten. So wie es mit vielen Dingen ist, ranken sich um die Definition und die Herkunft des Highballs so viele Geschichten und Mythen, dass ich eine fortlaufende Kolumne zu diesem Thema über die nächsten vier Jahre veröffentlichen könnten. Darüber hinaus gibt es keine einheitliche Nomenklatur für die vielen wunderbaren Drinks, die sich die kreativen Köpfe hinter den Tresen ausdenken. Durch die langwierige Evolution der Barkultur lassen sich zum Teil auch gar keine exakten Grenzen zwischen den einzelnen Drinkgruppen ziehen, da sich Kategorien oft überschneiden oder kontrovers definiert werden. Es gibt viele Meinungen – und wie so oft ist auch hier die eines jeden einzelnen die einzig wahre. Genauso, wie bei meinen Bekanntschaften auf dem Ginfestival.
Wir nehmen uns also aus allen Definitionen und Erklärungen das Beste heraus und definieren hier für unsere bescheidenen Zwecke neu: Ein Highball (Longdrink) ist ein Getränk, dass aus einer oder zwei Basisspirituosen, sowie wenigen Würzmitteln (Spritzer Limette, Dash Bitter, Tropfen Tabasco) und einem Filler besteht. So weit so gut. Doch was ist nun dieser sagenumwobene Filler? Es handelt sich um ein alkoholfreies (bei natürlich gebrauten Limonaden und Tonics nahezu alkoholfreies) Getränk. Es sind Tonic Water, Bitter Lemon, Limonaden, Sodas und Säfte. Ein Highball wird also immer im Glas des Gastes aufgebaut, mit dem gewünschten Filler angegossen und schließlich mit dem Rest des Fillers serviert, sodass der Gast die Möglichkeit hat, die Beschaffenheit der Basisspirituose zu kosten um anschließend selbst zu entscheiden, wie die Intensität des Drinks sein soll.
Der Urahn dieser wundervollen Drink Kategorie ist der Whiskey-Soda, der mittlerweile beinahe in Vergessenheit geraten ist und in der deutschen Alltags-Barkultur leider keine Rolle mehr spielt. Während doch die klassischen Soda-Highballs (Whiskey-Soda, Vodka-Soda, etc.) etwas an Beliebtheit verloren haben, sind ohne Zweifel der „Gin & Tonic“, sowie Interpretationen des „Cuba Libre“ und des „Vodka-Lemon“ in den Vordergrund getreten.
Wir widmen uns heute also dem eigentlichen Star eines Highballs – denn oft werden die Filler stiefmütterlich behandelt. Ein Fehler, der fatale Folgen haben kann, macht der Filler vom Volumen schließlich den größten Teil des Highballs aus.
Um das Ganze etwas übersichtlicher zu gestalten, habe ich formlos in drei Kategorien unterteilt.
Tonics & Bitter Lemon
Wenn wir Tonic hören, schreit eine kleine Stimme in uns das Wort „Gin“. – „Der Gin and Tonic hat mehr Engländern das Leben und den Verstand gerettet als alle Ärzte des Königreichs.“
Mit diesem Zitat eines der wichtigsten Gentlemen des 20. Jahrhunderts – Sir Winston Churchill – möchte ich unsere kleine Reise beginnen. Zunächst klingt es wie ein typischer Ausspruch des alten Haudegens, der uns eine Vielzahl von wundervollen Zitaten für den Alkoholkonsum und gegen die Vernunft und die körperliche Ertüchtigung beschert hat, die man wundervoll bei einem großen Pint Stout im Pub zum Besten geben kann. Es steckt allerdings etwas mehr dahinter – und es ist ausnahmsweise nicht der Gin, der heute die Hauptrolle spielt.
Doch bevor wir uns einen köstlichen Gin & Tonic oder Vodka & Tonic zubereiten können, ist eine Menge Vorarbeit nötig gewesen.
Es ist nicht ganz klar belegt wo der „Tonic“ seinen Ursprung hat, jedoch verweisen viele Quellen darauf, dass er im 17. Jahrhundert in Peru seine Wurzeln findet; und das sogar im bildlichen Sinne. Dort wurde von spanischen Siedlern eine große Heilkraft in der Rinde des Chinarindenbaumes entdeckt. Ich frage mich oft, wie das passieren konnte, kann es mir aber noch immer nicht erklären. Ich für meinen Teil habe noch nie einen Wirkstoff gegen eine tödliche Krankheit während einem meiner Waldspaziergänge entdeckt. Für Erklärung dieses Zufalls bin ich gerne offen. Zunächst beobachtete man allerdings lediglich, dass es wirkte – und nicht genau warum.
Schließlich wurde die Rinde von den Spaniern (nicht den Siedlern persönlich…) nach Europa gebracht und weiterverarbeitet. Den großen Durchbruch schafften die französischen Wissenschaftler Pierre-Joseph Pelletier und Joseph Bienaimé Caventou im Jahre 1817. Joseph und Joseph gelang es den wichtigsten Stoff, das Chinin zu benennen und schließlich zu extrahieren. Ziemlich zügig stampften sie eine Fabrik aus dem Boden und vertrieben den extrahierten Wirkstoff als Arzneimittel gegen Malaria. Damit bescherten sie der Menschheit eine Wunderwaffe. Und sich selbst das ein oder andere Landhaus in der Provence, wie ich mir vorstellen könnte.
Kurze Zeit später gehörte das Mittel auch im vereinigten Königreich zur Grundausstattung der Kolonialarmee. Und jetzt kommen die englischen Gentlemen wieder auf die Karte. Britische Offiziere, die in Indien stationiert waren, entdeckten nämlich, dass die ganze Arznei mit einem guten Schluck Gin, einigen Eiswürfeln und vielleicht sogar einer Scheibe Limette doch eigentlich viel leckerer schmeckte, als das bittere Tonikum allein. Wer braucht eigentlich schon die Krankheit, wenn die Medizin so wundervoll schmeckt? Es dauerte nicht lange, bis besagte Briten auf den Trichter kamen, die eigentliche Medizin mit Kohlensäure zu versetzen und wieder in Fläschchen abzufüllen; das moderne Tonic-Water war geboren.
Als die Zeit verging, wurde die Rinde des Chinarindenbaumes immer seltener, weil der Bedarf größer war, als das Vorkommen des Baumes. Dieser Umstand führte dazu, dass die Rinde zeitweilig mit Gold aufgewogen wurde. Es dauerte noch Jahrzehnte, bis es Wissenschaftlern schließlich gelang das Chinin zu synthetisieren.
Tonic-Water hat den Stellenwert als Medizin maßgeblich – außer vielleicht als diese Medizin, die wir alle an einem Freitagabend brauchen können – verloren. Ein gegenteiliger Trend ist seither zu erkennen; nachdem man damit aufhörte, dass Tonic-Water aus medizinischen Gründen zu trinken, wurde der Chiningehalt in den meisten Ländern auf einen Grenzwert reduziert, sodass dieses nur wenige Auswirkungen auf den Organismus hat.
Ein weiterer wichtiger Filler, den wir in diesem Zug keinesfalls unter den Tisch fallen lassen wollen, ist das Bitter Lemon. Im Grunde handelt es sich hierbei um eine Zitronenlimonade, der ebenfalls die geschmacksgebende Komponente Chinin zugefügt worden ist.
Limonaden & Sodas
Es gibt nichts, dass in Deutschland nicht reglementiert ist – so ist es auch mit Limonaden. Theoretisch handelt es sich hierbei um alkoholfreie Erfrischungsgetränke, die mit Kohlensäure versetzt sind und nur natürliche Grundstoffe enthalten.
Auch wenn man vermuten mag, dass die Limonade im Hinblick auf die gesamte Menschheitsgeschichte ein recht junges Kind ist, so irrt man sich. Die Spur der heutigen Limonade lässt sich bis zu den Römern zurückverfolgen. Falls sie einmal keinen Wein tranken, so nutzten sie verschiedene Fruchtessige dazu ihr Quellwasser etwas aufzupeppen. Das hat zwar geschmacklich nur wenig mit der heute uns bekannten Limonade zu tun, zeigt es dennoch unübersehbare Gemeinsamkeiten. Wasser als Basis, aromatisiert mit einer sauren Fruchtkomponente und schließlich mit Zucker abgerundet. Die Ägypter allerdings hatten bereits eine etwas verfeinerte Variante. Aus Zitronensaft, Datteln, Honig und Wasser stellten sie ein Getränk her, das sich bei den einfachen Leuten großer Beliebtheit erfreute.
In Frankreich finden wir weitere Spuren, denn dort treffen wir im 17. Jahrhundert das erste Mal auf den eigentlichen Namen „Limonade“. Zwar handelt es sich noch um stilles Wasser, das mit Zucker und Zitronensaft gemischt ist, dennoch lässt sich das Unternehmen Compagnie de Limonadiers de Paris die Monopolrechte für den Verkauf von Limonade sichern. Die Arbeiter der Firma hatten Tank-Rucksäcke auf dem Rücken, verteilten ihre Erfrischung in den Straßen von Paris und müssen sich dabei wie die „Real Ghostbusters“ gefühlt haben. Zumindest, wenn man allerlei Spielverderber wie „Logik“ und „Zeitlinie“ außenvorlässt.
Während sich bis heute noch immer am meisten Zitronen- und Orangenlimonaden verkaufen, ist die Auswahl an Geschmacksrichtungen schier grenzenlos. Von Mango, über Wassermelone, bis hin zu Klettwurzel und Löwenzahn.
Limonaden, die für uns am interessantesten sind, werden ohne Farbstoffe hergestellt, enthalten nur natürliche Aromen und Zucker in moderaten Ausmaßen.
Säfte
Eine besondere Perle der deutschen Verordnungen, ist die sogenannte „Fruchtsaft- und Erfrischungsgetränkeverordnung“. Kurz (und das ist tatsächlich kein Scherz) „FrSaftErfrischGetrV“. Wunderbar. In dieser unaussprechlichen Verordnung ist reglementiert, dass Fruchtsaft zu 100% aus einer oder mehrerer Früchte gewonnen wird. Zwar darf der Saft im Herstellungsland reduziert und im jeweiligen Land des Vertriebs rückverdünnt werden (Saft aus Konzentrat, anstelle von Direktsaft), darf aber kein Wasser oder Fremdzucker zugefügt werden. Neben den Fruchtsäften gibt es natürlich auch noch eine Reihe von Gemüsesäften, die in der Cocktailszene eine große Rolle spielen. Hier sei nur der Tomatensaft für die klassische Bloody-Mary zu erwähnen.
Säfte werden oft vernachlässigt, wenn das Thema Highballs behandelt wird. Zu Unrecht, wie ich vehement festhalten muss. Erst einmal, gibt es ganz fabelhafte Highballs, die mit einem Saft aufgegossen werden, darunter der Screwdriver, der Greyhound oder der Cape Codder.
Zum zweiten sind die Zeiten der Tetra-Pak-Discounter-Säfte zum Glück gezählt. Der Trend geht zum Luxussaft, zu exotischen Obstsorten, sortenreinen Fruchtsäften und zu Säften beinahe vergessener Früchte. Die Firma van Nahmen, beispielsweise, bietet nicht nur einen ungesüßten Aroniabeerensaft, sondern eine ganze Palette sortenreiner Apfelsäfte, darunter Boskoop, Kaiser Wilhelm oder Rubinette.
Zuletzt bietet uns der Markt attraktive Alternativen zu den gewöhnlichen Zitrusfrüchten, die ebenfalls wichtige Komponenten der Highballs sind. So lässt sich aus einem gewöhnlichen Cuba Libre eine Geschmacksexplosion entwickeln, wenn anstelle der klassischen Limette, Saft einer Sudachi verwendet wird. Der Geschmack des Drinks geht immer noch in dieselbe Richtung, nur dass er bedeutend facettenreicher und mehrdimensionaler wird. Ähnliche Experimente kann man mit Yuzu- oder Iyokan-Saft machen. Der Phantasie sind auch im Bereich der Säfte kaum noch Grenzen gesetzt.
Ich würde sagen, dass wir den Exkurs für heute beenden und die vielen neuen Informationen etwas sacken lassen. Wie das am besten geht? Na, wie wäre es denn mit einem Highball? Aber bitte in einem dafür vorgesehenen Glas, mit frischem, glasklaren Eis, eurer Lieblingsspirituose und einem wirklich guten Filler. Der Highball ist eine alte Lady der Cocktailszene, kein Stiefkind. Zollt ihr etwas Respekt – sie hat ihn wirklich verdient.
In diesem Sinne,
Der heilige Helge
Eine große Auswahl an Säften, Limonaden, Bitter Lemon und Tonic finden Sie bei BOS FOOD, unter der Kategorie „Alkoholfreie Getränke“