Ergebnis des Fragebogens „Gourmetprofil“

Hier die Ergebnisse des Fragebogens „Gourmetprofil“. Es ging um zwanzig Aussagen, denen zugestimmt werden konnte. Ich habe sie teilweise kurz kommentiert. – Zum Verständnis der Zahlen: Platz 1 für die Aussage „Man kann kein Gourmet sein…wenn man nicht ein paar Stunden in Ruhe an einem Tisch sitzen kann“. Der Aussage wurde von 53,8 % der Teilnehmer zugestimmt.

Man kann kein Gourmet sein…

1. 53,8 % wenn man nicht ein paar Stunden in Ruhe an einem Tisch sitzen kann
Es sind ganz persönliche Fähigkeiten, die hier an der Spitze stehen. Aus der Praxis weiß ich sehr gut, dass oft Prominente und sehr Wohlhabende Leute Probleme mit dem „Sitzfleisch“ haben. Lange in Ruhe zu sitzen bedeutet auch, sich auf die Küche einzulassen, es ist eine Art der Wertschätzung für die Arbeit der Köche. Viele Leute, die sonst gerne im Mittelpunkt stehen oder oft die Befehle geben, kommen da in eine ganz fremde Situation.

2. 51,6 % wenn man nicht grundsätzlich alles Neue und Unbekannte probieren will
Hier entsteht schnell ein Gegensatz zu vielen sogenannten Kritikern, die eigentlich nur Vertreter einer bestimmten Küche sind, aber auch vielen Köchen, die bisweilen Neuem extrem kritisch gegenüberstehen und sich gar nicht erst bemühen, andere Ansätze zu verstehen

2. 51,6 % wenn man ständig Salz und Pfeffer und einen „kräftigen“ Geschmack braucht
Ich freue mich, dass dieser Aussage so weit zugestimmt wird. Die Produkte schmecken bei weitem nicht alle „kräftig“. Wenn wir uns die Wahrnehmung nicht versauen wollen, müssen wir zusehen, dass wir auch Dinge gut finden, die nicht „kräftig“ gewürzt sind. Wer als Koch jedes Element eines Gerichtes mit Salz und Pfeffer behandelt, sollte dringend einmal über größere Zusammenhänge rund um Geschmack und Geschmacksbildung nachdenken.

3. 43,9 % wenn man meint grundsätzlich alles besser zu wissen
Siehe oben: Demut und Offenheit ziert den Gourmet. Schnelle Vorurteile verkleben das Gehirn und die Wahrnehmung

4. 36,3 % wenn man keine soliden Kochkenntnisse hat
Wer nicht schätzen kann, wie gut etwas gemacht ist, kann einen wichtigen Teil der Küchenleistungen nicht einordnen. Es gibt einfach auch Gerichte bei manchen Köchen, die handwerklich so gut sind, dass der Stil kaum noch eine Rolle spielt. Ich persönlich meine, dass ein z.B. ein Kritiker gar nicht gut genug kochen kann. Die Gegenposition ist der
labernde Feinschmecker, der sich meist sprachlich in einem Wust von Unkonkretem und Unausgegorenen bewegt.

5. 35.2 % wenn man nicht bereit ist, viel Geld für Essen auszugeben
Im Moment ist das sicherlich noch eine sehr gültige Aussage, weil es hochkreative Küche für wenig Geld noch nicht gibt.

6. 29,7 % wenn man beim Essen permanent Gespräche führt
Ich saß einmal anläßlich einer Buchvorstellung in einem sehr kreativen Restaurant. Am Tisch waren viele Leute, die mir ständig Fragen stellten. Ich habe also fast die ganze Zeit des Menüs geredet. Hinterher wußte ich nicht, was ich eigentlich gegessen hatte.

7. 28.6 % wenn man nicht eine ganze Reihe hervorragender Restaurants besucht hat
Wenn man keine ganze Reihe hervorragender Restaurants besucht hat hat, fehlt einfach der Vergleich, der Qualitätsmaßstab. Und wenn man erst sehr wenige besucht hat, sollte man in seinen Äußerungen vielleicht noch etwas vorsichtig sein.

8. 23,1 % wenn man nicht auch sonst sehr sensibel ist
Ich finde es erstaunlich, dass diese Aussage so relativ wenig Stimmen abbekommen hat. „Sensibel“ heißt ja vor allem, den Wahrnehmungen seiner Sinne nachzugehen und diese Sinne auch immer ausführlich zu nutzen. Kann man das beim Essen an- und ausschalten? Leider ja. – Andererseits: wenn die Gourmets besonders sensibel wären, wären sie ja auch so etwas wie bessere Menschen. Könnten man einmal drüber nachdenken.

9. 19,8 % wenn man vor allem Altes und Bewährtes liebt
Es ist klar, dass eine ausgewogene Wahrnehmung zwischen Alt und Neu der goldene Weg ist. Ich persönlich bin nicht nur ein klarer Vertreter der Avantgarde, sondern immer auch jeder anderen, wirklich gut gemachten Küche und setze mich seit langer Zeit auch ganz entschieden für jede noch irgendwo zu findende, klassische Küche ein.

10. 13,2 % wenn man Fan von z.B. Bayern München oder Borussia Dortmund ist
Der Zusammenhang zwischen ästhetischem Wahlverhalten und anderen Verhaltensweisen ist weitgehend noch nicht untersucht – aber sehr interessant.

11. 10,9 % wenn man politisch weit rechts steht
Der Zusammenhang zwischen kulinarischen Vorlieben und politischer Orientierung ist überhaupt noch nicht geklärt. Man stößt bei jedem Versuch schnell auf Ungereimtheiten und im übrigen auch auf verwirrende Beispiele. Unter den Gourmets finden sich jedenfalls genau so viele „Verbrecher“ wie umgekehrt Nicht-Gourmets unter Leuten, die man z.B. wegen ihrer hervorragenden künstlerischen Arbeit auch für Feinschmecker hält. Interessant ist bei dem Ergebnis der Zusammenhang mit Platz 17, dem Schlußlicht an Zustimmung. Man scheint sich Gourmets eher weit links als weit rechts vorzustellen.

11. 10,9 % wenn man nicht auch Tiere töten könnte
Eine schwierige Frage, die auch hier quasi ausgeklammert wird. Wir verdrängen vielfach den Zusammenhang zwischen dem Töten von Tieren und dem Essen. Bei manchen Gourmets darf es nicht die kleinste Erinnerung an das lebende Tier auf dem Teller geben. Taube mit Füßen ist da ein absolutes No-Go

12. 7,7 % wenn man nicht viel mehr essen kann, als es nötig ist
Na ja, bei dem noch immer vorkommenden Menü-Zwang in manchen Sterne-Restaurants muss man wohl viel mehr essen können, als es nötig wäre.

13. 6,6 % wenn man die Musik von Herbert Grönemeyer, Udo Lindenberg, Marius Müller-Westernhagen usw. liebt
Auch so eine Frage nach bestimmten Zusammenhängen. Ich wundere mich, dass sie nicht mehr Zustimmung bekommt. Wer feinste professionelle Arbeit liebt, wer meisterliche Geschmacksbilder, Kompositionen und hervorragende Produktqualitäten schätzt, kann eigentlich die genannten Musiker nicht schätzen. Dazu sind z.B. das Songwriting oder die Interpretationen bei weitem zu laienhaft. Mit einem „poor Songwriting“ wie bei Lindenberg und Co. käme man bei einem angelsächsischen Verlag über das Vorzimmer nicht hinaus.

14. 4,4 % wenn man einen starken Dialekt spricht. Dann gehört man eher ins Wirtshaus
Siehe oben beim Fußball etc.

15. 3,3 % wenn man einen Intelligenzquotienten von mehr als 130 hat. Dann sieht man alles einfach viel zu kompliziert
Ich glaube, das eine hohe Intelligenz und Feinschmeckerei sehr wohl sehr gut zusammenpassen. Dass das – z.B. in vielen Kulturbereichen – aber scheinbar doch nicht klappt, kann daran liegen, dass man z.B. mit einer philologischen oder mathematischen Spartenintelligenz ev. nicht sehr weit kommt, sondern angesichts der Komplexität der Feinschmeckerei ein sehr breites, ausgewogenes Intelligenzspektrum braucht

16. 2,2 % wenn man Nutztiere liebt
Es gibt den saloppen Spruch: „Ich liebe Tiere, lebend wie gut zubereitet“. Man kann auch einmal anders denken: Man kann nicht nur die Frage stellen, warum der Mensch Tiere tötet, um sie zu essen, sondern auch die Frage, warum er meint, dass das nicht richtig sei

17. 1,1 % wenn man Fantasy aller Art liebt. Der Gourmet liebt die Realität
Persönlich bin ich weder ein Freund von Fantasy noch von Romanen etc. Ich liebe die Poesie der Realität.

17. 1,1 % wenn man politisch weit links steht

1 Gedanke zu „Ergebnis des Fragebogens „Gourmetprofil““

  1. Wenn ich als Autor nach der Vorstellung des Buches mit anderen Menschen essen gehen würde, dann bestimmt nicht in einem Feinschmeckerrestaurant. Denn die Höflichkeit gebietet es mir, bei diesem Essen aktiv am Tischgespräch teilzunehmen- schließlich bin ich in gewisser Weise der „Anlass“ der „Veranstaltung.

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