Man legt sich bei der Süddeutschen Zeitung für das hauseigene Weinangebot mächtig ins Zeug. Wer so viel Werbefläche im Blatt kaufen wollte, wie man für den Wein freimacht, müsste ein Vermögen ausgeben. Aber – das nur am Rande, man muss ja froh sein, wenn es solche Aktionen gibt. – Im Detail ist die Aufmachung sehr aufwendig, weil es nicht nur ein paar Bilder und Werbetexte gibt, sondern jeder der sechs Weine der Winteredition seinen eigenen, gar nicht so kleinen Artikel bekommt, in dem das Weingut und der Wein ausführlich vorgestellt werden. Hinter den Aktionen steht der umtriebige Markus Del Monego, der zwar als Restaurant-Sommelier nicht übermäßig viel Referenzen aufzuweisen hat, aber schon seit geraumer Zeit ein prominenter Weinprotagonist und eben auch Master of Wine ist.
Die Edition wird mit einem „aktuellen Aktionspreis“ von 59,90 Euro angeboten – gegenüber dem Einzelpreis von 80,50 Euro. Man bekommt also die Flaschen für 10 Euro im Schnitt. Der SZ-Rotwein zum 75-jährigen Jubiläum kostet 32,90 Euro. Die Einzelpreise der Weine (siehe unten) findet man so oder ähnlich auch im Netz – außer beim Jubiläumswein, der auch schon mal deutlich billiger angeboten wird.
Hier die Weine mit Kurznotizen, bei denen ich – wie ich das immer mache – nicht die übliche Weinlyrik benutze, sondern mehr mit einer allgemeinen Sensorik und dem Vergleich mit anderen ähnlichen Qualitäten arbeite. Die Lyrik wird auch bei der Süddeutschen mächtig hochgefahren. Die Weine werden in der Regel deutlich zu expressiv und damit auch zu positiv beschrieben. Die Beschreibungen sind also – oft mit Mühe – vielleicht nachvollziehbar, aber nicht evident. Die Weine würden also vermutlich in einer Blindverkostung zum Teil deutlich schwächer wirken. Mit der Beschreibung in der Hand kann natürlich eine Form der Imagination eingeschaltet werden, die das Erlebnis – sagen wir: befördert.
2019er Josep Fuster Selección, Terra Alta, Catalunya, Spanien. Einzelpreis 9,50 Euro
Zitat SZ: „Ein spannender Wein aus Spanien mit fein abgestimmten Aromen, die an Zitrusnoten, reife Birnen, saftige Äpfel und zarte florale Noten von Glyzinien erinnern. Am Gaumen saftig, mit eleganter Säure, angenehmer Frucht und gutem Mundgefühl“
Ein interessanter Wein, der trotz des nur 10% Viognier irgendwie recht schnell an den Viognier aus dem Versuchsanbau von Oliver Zeter erinnert. Im Vergleich dazu ist er eher auf der fruchtigen Seite und wirkt nicht so weinig, weil ihm ein wenig Säure fehlt. Es entsteht ein leicht mittiger Eindruck, also ein Spektrum, das nicht besonders komplex, breit und ausgewogen ist. Bei Zeter finden wir eine sehr professionell wirkende, ausgewogene Balance, wie sie einen guten Wein ausmacht. Am Ende kommt dann aber hier bei dieser Selección das Preis-Leistungs-Verhältnis dazu. Für einen begrenzten Preis gibt es hier einen Wein mit einem spanischen Charakter und einigem Profil, also eine angenehme Abwechslung.
2019er Riesling trocken, Mineral, Weingut Prinz, Rheingau, Deutschland. Einzelpreis 12,80 Euro
Zitat SZ: „Rheingau pur mit Frische und saftiger Frucht, die an duftige Aprikosen, aromatischen Pfirsich und Mirabelle erinnert und im Hintergrund etwas würzige Noten zeigt. Ein saftig-frischer Riesling mit mineralischem Charakter, bei dem sich die Fruchtaromen des Duftes auch im Mund wiederholen.“
Bei solchen Charakterisierungen ist selten die Rede davon, welche Proportionen die beschriebenen Aromen oder Merkmale haben. In diesem Falle handelt es sich vor allem um einen sehr trockenen Riesling ohne viel Poesie, der auch den Begriff „Mineral“ ein wenig zu Unrecht trägt. Wer hier eine klare Riesling-Mineralität erwartet, wird wenig davon finden. Der dominante Eindruck ist „trocken“ und „Säure“, nicht der von saftiger Frucht o.ä. Der Wein gehört zu den Schwächeren der Zusammenstellung.
2017er St. Laurent Selektion, Reinisch, Thermenregion, Österreich. Einzelpreis 12,95 Euro
Zitat SZ: „Der wiederentdeckte Rebenstar aus der Pinot-Familie überzeugt mit würzig-rauchigen Noten, hinter denen sich Aromen reifer Brombeeren, Himbeeren und Kirschen verstecken. Die Würze wiederholt sich am Gaumen, befördert von feinen Reifenoten, Eleganz und Länge“.
Die Beschreibung stimmt hier gut. Man bekommt einen fruchtbetonten Wein mit einiger Substanz, die allerdings wieder nicht ganz so reif ausfällt wie oben angeführt. Nach einer überzeugenden Nase wird es im Körper etwas weniger, bevor der Wein in Richtung Abgang und Nachhall wieder erstaunlich zulegt. Für mich einer der besten Weine dieser Zusammenstellung – auch was das Preis-Leistungs-Verhältnis angeht.
2018er Morellino di Scansano, Poggiio Nibbiale di Buchheim, Toskana, Italien. Einzelpreis 14,80 Euro
Zitat SZ: „Der Duft der Toskana zeigt sich in diesem Morellino mit Anklängen schwarzer Kirschen und dunkler Beerenfrüchte, milder Gewürze, getrockneter Kräuter sowie eleganter Holzwürze. Gut strukturierter Rotwein mit typischer und überzeugender aromatischer Länge.“
Hier scheint mir nicht sicher, ob der Verkoster den gleichen Wein in der Flasche hatte wie ich. Es gibt zu Beginn nur einen kleinen Moment, an dem man den Eindruck hat, einen guten toskanischen Wein vor sich zu haben. Von eleganter Holzwürze ist nichts zu spüren, dafür aber einiges an Tanninen. Der eher mild-mittige Körper in Zusammenhang mit nicht wirklich harmonierenden Säuren und Tanninen erweckt den Eindruck eines konzeptionell nicht ausgereiften Weines.
2016er Minervois, Domaine la Prade Mari, Minervois, Frankreich. Einzelpreis 14,95 Euro
Zitat SZ: „Die Sonne des Südens scheint in diesem Wein durch, der reife Fruchtaromen, Anklänge von Dörrpflaumen, getrockneten Feigen, Garrigue sowie den würzigen Noten getrockneter Kräuter zeigt. Kraftvoll mit überraschender Frische.“
Die Charakterisierung ist erst einmal durchaus zutreffend. Der Wein wirkt definitiv südlich mit einer schnellen Ansprache von viel Frucht in der Nase und im Körper. In Richtung Abgang wird er schlanker, löst sich aber nicht auf. Das Fruchtspektrum ist etwas heller als oben angegeben, also in der Wirkung etwas frischer. Wieder ist das Preis-Leistungs-Verhältnis für französische Weine o.k. Außerhalb von Frankreich bekommt man allerdings gerade im südlichen Fach für diesen Preis schon eine Menge an Qualität. Für mich schmeckt er dann auch nicht so ausgeprägt französisch, dass man darüber hinwegsehen könnte.
2016er Château La Croix de Roche, Louis Vialard, Bordeaux, Frankreich. Einzelpreis 15,50 Euro
Zitat SZ: „Der Klassiker schlechthin mit tiefer Purpurfarbe und violetten Reflexen. Das Aromenspektrum reicht von schwarzen Johannisbeeren, Brombeeren, einem Hauch Vanille und dezenten Röstaromen bis hin zu subtiler Holzwürze. Am Gaumen finden reife Tannine, Fruchtnoten und milde Gewürze mit feinem Schmelz zusammen.“
Wenn man in französischen Restaurants unterwegs ist, schaffen es die Sommeliers sehr häufig, mit irgendeinem Bordeaux-Château aufzuwarten, von dem man noch nie etwas gehört hat, das aber erstaunlich gut ist. Meist geht es dabei auch um bestimmte, gut gereifte Jahrgänge. Die Hoffnung, hier ebenfalls eine solche „Entdeckung“ zu finden, wird aber bei den meisten Käufern wohl enttäuscht werden. Dies ist eben kein Medoc mit seinem typischen Spektrum, sondern ein Rotwein, den man sich auch in anderen Gegenden vorstellen könnte. Wieder ist die Beschreibung deutlich zu intensiv und blumig und insgesamt liegt der Wein wieder auf der Linie „für den Preis nicht schlecht“, löst aber keinerlei Euphorie aus.
Fazit für die Winteredition
Bei der Kritik von Weinen geht es natürlich immer zuerst um den Wein als solchen und nicht um das Preis-Leistungs-Verhältnis. Nimmt man das wiederum dazu, wird die Qualität „unvinologisch“ gewichtet. Diesen Zusammenhang muss man sehen. Und da ist mein Fazit für diesen Sechserpack gar nicht so übel. Speziell mit dem Sonderpreis mit quasi im Schnitt 10 Euro pro Flasche bekommt man ein unterhaltsames Paket mit unterschiedlichen Qualitäten, aber eben auch unterschiedlichen Charakteren, die oft interessant sind. Insofern kann man sich das Paket ruhig einmal ansehen. Ich werde auch in Zukunft immer einmal wieder einen Blick darauf werfen. Die Degustationsnotizen sind meist ein gutes Stück „over the top“, aber daran haben sich Weinfreunde wohl längst gewöhnt.
Der Jubiläumswein
2012er Rioja Reserva, Mileto, Bodeggas Alviia, Roja, Spanien. Einzelpreis ohne Abonnement 32,90 Euro
Zitat SZ: „Für mich muss ein großer Rioja beides haben: die beerige Frucht vom Ebro – und darunter dieses Karge, Mineralische von den Hochlagen, das Struktur und Tiefe verleiht“, sagt Alfredo Bernaldes, Chefönologe von Alvia. Die Reserva „Mileto“ begeistert mit einem intensiven Duft von reifen Brombeer- und Himbeeren, unterfangen von Edelschokolade, Leder und Kokos. Den Gaumen erobert der Wein mit einer lebendigen Frucht, seidigen Tanninen, gut eingebundenen Edelholznoten und einer hintergründigen Mineralik, die dem Meisterwerk einen geradezu heroischen Nachhall verleihen.“
Ein guter Wein, der Spaß macht. Man bekommt eine große, gute, reife Rioja-Nase, die einen milden, reifen, samtigen Wein verspricht. Am Gaumen wird es etwas strukturierter, weil doch noch einige Tannine mit im Spiel sind. Sie sind gut eingebunden und ausbalanciert und vermitteln nach wie vor den Eindruck eines Weines, der gut zu trinken ist, aber auch noch ein paar Jahre warten könnte. In Richtung Abgang dominieren dann wieder dunklere, reifere Noten und die in der SZ-Vorstellung angesprochenen mineralischen Noten (die z.B. bisweilen bei älteren Faustino I sehr ausgeprägt sind). – Was diesen sehr gut zu trinkenden Wein von den ganz Großen unterscheidet ist, was ich Körper II nenne. Die Nase kommt groß, der Einstieg am Gaumen ebenfalls, bevor es dann, wenn bei den ganz Großen die ganze Tiefe erkennbar wird und eine Art „Nachbrenner“ zündet, etwas schlanker wird. Über den Preis hatte ich eingangs schon etwas geschrieben. Im SZ-Abo ist er 5 Euro billiger und wird dann preislich recht attraktiv.
Hallo,
ist der Jubiläumswein in irgendeiner Art noch erhältlich?
Mich würde im Zusammenhang mit Weinverkostungen interessieren, welche Gläser Sie nutzen und welche Gläser Sie empfehlen? Denn z.B. heißt es ja, dass vor allem das Universalglas von Zalto so „gnadenlos“ sei, und jeden Weinfehler und aromatische Schwächen zum Vorschein bringen würde (was es, wenn wahr, für „billigere“ Weine wohl eher unbrauchbar macht). Umgekehrt aber auch alle Qualitäten bestens herauskämen. Ähnliches hört man über das Gabriel Glas. Können Sie solche Wahrnehmungen bestätigen?
Ja. Im Grunde müsste man nach der ersten Degustation eines Weines beschließen, welches Glas für ihn am besten ist und welche Zeitleiste man beachten muss. Jeder Wein hat irgendwo seinen Höhepunkt, der ganz entscheidend von der Sauerstoffzufuhr abhängig ist.
Das Problem ist, dass man so etwas kaum kommunizieren kann, weil es zu komplex ist. Würde man es radikal sehen, müsste man die verwendeten Tools exakt angeben, also: welches Glas, welche Temperatur, welche Raumtemperatur, wie lange im Glas, wie lange ist die Flasche offen, über welche Zeiträume beobachtet man den Wein? Ich habe ja im Fine-Weinmagazin seit Beginn die Serie über „Wein und Speisen“, da geht es dann unter Umständen noch komplexer zu. – So, wie heute über viele gustatorische Dinge geschrieben wird, ist das oft eine grobe Vereinfachung mit einem begrenzten Erkenntniswert.