Die Rosin-Talks, Folge 4: Rund um die Spitzenküche

Jürgen Dollase (JD): Lieber Herr Rosin, aus aktuellen Gründen möchte ich erst einmal nach Ihrer Meinung zum Gault-Millau fragen. Sie waren schließlich auch schon einmal „Opfer“ einer nicht nachvollziehbaren Abwertung durch diesen Führer, der noch sehr von den alten Zeiten lebt?

Frank Rosin (FR): Das geht oft in eine viel zu einseitige Richtung. Um eine wirklich sachliche Beurteilung von Restaurants und deren Arbeit zeitgemäß zu verfassen, ist die ökonomische Leistung genau so wichtig wie die fachlich-kulinarisch-gastronomische. Beides gehört für mich untrennbar zusammen und sollte in die Beurteilung der Gastroführer einfließen. Die Branche muss allein schon aufgrund der Nachwuchsnot und des Ausbildungsdefizits einen sofortigen Wandel einleiten. Mit dieser Meinung stehe ich nicht alleine da.

Jürgen Dollase: Wie wichtig ist heute die Spitzenküche?

Frank Rosin: Da frage Sie mich was… sagen wir es so: Die Spitzenküche ist auf jeden Fall kein Vorbild für den Nachwuchs, weil sie nicht das widerspiegelt, was der Nachwuchs braucht. Außerdem fällt mir eben immer auf, dass man als Küchenchef mit einem Stern oft so ein geringes Gehalt hat, das angesichts der harten Arbeit und des Einsatzes einfach lächerlich ist. Da kann man mit allen möglichen Jobs mehr verdienen und steht dann nicht in der Öffentlichkeit und muss nicht der Beste sein. Man sagt, dass ein Koch mit Michelin-Stern zu den Besten gehört. Und wenn ich dann die Abrechnungen sehe, sage ich mir: dann lieber nicht.

JD: Ich vergleiche das immer gerne mit der Bundesliga. Die 18 besten Köche wären also Bundesliga. Wir haben aber Hunderte von Sterneköchen, und da kommt man runter bis in die Landesliga…

FR: In den letzten 40 Jahren sind die Mitarbeiter in der Gastronomie sehr schlecht behandelt worden. Sie sind zum Teil um ihre Sozialversicherungsbeiträge geprellt worden, da sie nicht über Lohnsteuerkarte liefen, und heute stehen sie da und haben schlechte Renten. Und die Chefs haben immer gesagt: Na ja, ich kann den Spüler nicht voll auf Lohnsteuerkarte laufen lassen, weil das Unternehmen das nicht schafft. Da sage ich mir natürlich: Was für ein schlechter Chef, der nicht in der Lage ist, seine Produkte so gut zu verkaufen, dass das alles wirtschaftlich korrekt funktioniert. Da hat doch erst neulich jemand einen Brief geschrieben und sich dafür entschuldigt, dass in den letzten 30 Jahren in seinem Betrieb seine Mitarbeiter so schlecht behandelt wurden.

JD: Wir habe ja heute das Problem, dass Gourmetrestaurants schließen bzw. dass sie mit ihrem Restaurant in ein anderes Format wechseln, das anders aufgestellt ist, offener und freier in der Auswahl, mit anderen Preisen. Sehen Sie die Spitzenküche eher nah am Gast oder weit von ihm entfernt?

FR: Ich glaube schon, dass sie sich ihm angenähert hat. Das kann man an verschiedenen Dingen erkennen. Ich selber habe Pop und House laufen, damit die Gäste sich in einer Freizeitsituation befinden. Und sie sollen auch mit der Kleidung keinerlei Probleme bekommen. Sie sollen sich wohlfühlen und sich auch ganz normal benehmen. Sie sollen ein paar schöne Stunden haben. Und da muss ich helfen und das auch möglich machen.

JD: Ist die Spitzenküche trotzdem noch zu teuer?

FR: Nein, auf keinen Fall. Wir leben in einem Land mit einer hohen Sozialkompetenz. Der Mindestlohn wird wieder erhöht, was auch gut ist. Aber die Konsequenz ist einfach, dass das Schnitzel in der Folge solcher Erhöhungen dann über 20 Euro kosten muss. Sonst kann man das nicht zu vernünftigen Bedingungen für alle Beteiligten machen. Wenn dann die Preise so sind, wie sie sein müssen, glaube ich, dass die Branche auch wieder ein höheres Ansehen bekommt.

JD: Brauchen die guten Restaurants vielleicht zu viel Geld für Personal, Mieten, Dekoration oder eine luxuriöse Einrichtung?

FR: Na ja, in der Spitzengastronomie ist die Balance zwischen Ökonomie und Kreativität oft in einem Ungleichgewicht. Das ist heute ganz krass. Das war zwar früher auch schon so ähnlich, aber man hat einfach nicht hingesehen. Eines steht jedenfalls fest: Ein Restaurant mit 40 Plätzen kann heute nicht mehr überleben.

JD: Müssen sich die Restaurants um so stärker an einem Luxuspublikum orientieren, wenn sie besser bewertet sind? Kommt das automatisch, dass man dann meint, aufrüsten zu müssen.

FR: Ich habe immer darauf geachtet, wo ich bin. Wir sind hier im Ruhrgebiet, und da gibt es zwar sechs Millionen Einwohner im weiteren Umkreis, aber ich musste trotzdem sehen, dass sich die Leute einen Besuch bei mir leisten konnten. Ich habe dann auch mit einem Stern immer noch mein Schmackofatz-Menü gehabt, mit Weinbegleitung 99 Euro. Dadurch habe ich schon eine Menge von Leuten erreicht und auch eine gewisse Bodenständigkeit behalten.

JD: Man muss also nicht immens investieren, nur weil man durch die Bewertungen zu einem Spitzenrestaurant geworden ist…

FR: Man bekommt ja eine gute Bewertung nicht für das, was man in der Zukunft machen und investieren will, sondern für das, was man in der Vergangenheit gemacht hat. Ich glaube, dass das es ein Trugschluss ist, dass ich nach einer guten Bewertung etwas beweisen muss. Wenn man denn unbedingt aufrüsten will, soll man das nur dann machen, wenn man es selber für sich ganz persönlich so wünscht.

JD: Könnte das kulinarische Angebot weiter gestreut sein? Viele Restaurants gehen auf ein Menü, bei dem man nur noch die Anzahl der Gänge variieren kann…

FR: Nein, das hat schon eine bestimmte Konsequenz, wegen den Produkten, oder auch wegen der Zahl der Mitarbeiter. Da kann die Karte nicht 60 Gerichte haben.

JD: Ist das vielleicht eine Diskussion am falschen Objekt, die eine Gastronomie betrifft, die wir im Moment noch gar nicht haben?

FR: „Frischeküche“ war jedenfalls in der Vergangenheit oft eine Floskel. Man hat immer von Frischeküche geredet, und trotzdem waren 50 Prozent der Produkte nicht wirklich frisch. Wenn ich wirklich eine Frischeküche kochen will, kann ich nur zehn Gerichte anbieten. Sonst vergammelt mir alles.

JD: Wird vielleicht mit zu kostspieligen Produkten gearbeitet?

FR: Oftmals ja.

JD: Dann stellt sich z.B. die Frage, ob man für ein Hühnergericht auf Zwei- oder Drei-Sterne-Niveau mit diversen Variationen wirklich ein Bresse-Huhn braucht. Kann man bestes Niveau nicht auch mit einem Landgockel für ein Drittel des Einkaufspreises erreichen?

FR: Ich glaube, dass man heutzutage mit den technischen Möglichkeiten der Küche tatsächlich eine sehr, sehr gute Küche auch mit einem Landhuhn realisieren kann.
Ich kann nur von mir sprechen. Wir kochen mit deutschen Produkten und damit fahren wir sehr gut. Ich unterstütze einfach auch Kleinstbetriebe und achte darauf, dass die Kultur, in der ich lebe, auch einen schlüssigen Zusammenhang mit meiner Arbeit hat.

JD: Kann man nicht auch aus Schulter vom Schwein, Rind oder Lamm exzellente Gerichte machen? Ich erinnere mich an spanische Avantgardisten, die buchstäblich aus jedem Teil irgendwie ein ganz spezielles Gericht machen. – Ich war neulich im „Sosein“ in Heroldsberg, also bei einem unserer interessantesten neuen Köche und habe ein Stück Schweinebauch bekommen, das ohne weiteres in die Kategorie „sensationell“ fiel. Enorm fein, und von bestem Geschmack, aber nur ein paar Zentimeter lang. Da könnte man also zu einem Metzger gehen und ein größeres Stück für ein paar Euro kaufen und damit einen Gang für 35 Leute produzieren.

FR: Meine Oma hat immer gesagt: „Was“ ist nicht wichtig, sondern „Wie“.

JD: Haben viele Spitzenköche vielleicht gerade einen falschen Weg eingeschlagen, weil sie sich meist ziemlich üppig aus dem internationalen Warenangebot bedienen? Von Japan bis Südamerika?

FR: Das muss man differenziert sehen. Ich nehme vielen Kollegen ihre Küchen durchaus ab. Wenn jemand asiatisch kochen will, dann soll er asiatisch kochen, dann braucht er diese Produkte.

JD: Aber uns fehlt das Gegenteil. Die Köche, die uns zeigen, dass man mit einfachen Produkten hervorragende Sachen machen kann. Ich halte das für wichtig, weil damit ja auch für das Publikum der Nachweis angetreten wird, dass gute Küche auch auf diese Weise realisierbar ist.

FR: Ja, das ist richtig. Vielleicht haben sie nicht die Eier in der Hose – um es einmal salopp auszudrücken. Dabei wäre es wichtig, so etwas wie ein Markenprofil zu haben. Ein Restaurant ist nun einmal eine Marke.

JD: Die Frage, was denn für sein Restaurant steht, können viele Köche kaum überzeugend beantworten.

FR: Ich glaube z.B., dass man Produkte mit Namen – also auch allerlei Luxusprodukte – vor sich her schiebt, um einfach damit Eindruck zu schinden.

JD: Eine ganz andere Sache: Wäre es vielleicht besser, man würde sich wieder darauf konzentrieren, dass die Spitzenküche vor allem für die ganz großen Momente im Leben da ist, statt es jedem recht zu machen, der nur einfach „lecker essen“ will?

FR: Na ja, gute Küche sollte im Grunde schon täglich stattfinden.

JD: Ich meine einen ganz klaren Aspekt: Jonnie Boer hat mir einmal gesagt, er hat am liebsten Leute, die zu ihm kommen und sozusagen „die volle Dröhnung“ wollen – also das große Degustationsmenü mit guten Weinen dazu. Dann wüssten sie nach dem Besuch wenigstens, was große Gastronomie ist.

FR: Das kann ich nicht unterschreiben. Das wäre so, als ob Mercedes sagt: „Wir wollen nur die S-Klasse verkaufen“. Wenn mir ein Gast sagt: „Herr Rosin, bisher konnten wir uns so etwas gar nicht leisten, und heute kommen wir einfach einmal, wir haben so etwas vorher noch nie erlebt“, dann macht mich das glücklich.
Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Wir sind an einem Punkt angekommen, wo wir in den nächsten vielleicht fünf Jahren sehr krasse Veränderungen im Umgang der Leute mit Restaurants erleben werden. Die jungen Leute wollen für ihr Geld das Beste, im besten Umfeld, mit der besten Unterhaltung und der besten Infrastruktur und mit ihresgleichen. So einfach ist das.

JD: Bedeutet das automatisch, dass man über das rein Kulinarische noch ein gutes Stück hinausgehen muss? Essen ist ja ohnehin nicht nur etwas für den Magen. Alles geht erst einmal in den Kopf, und der Kopf kann natürlich auch noch verschiedene andere Dinge wahrnehmen. Er kann multimediale Erlebnisse haben, er kann einen Abend erleben, der von der ersten bis zur letzten Minute genau geplant ist, wie eine Oper, mit Details, die von vorne bis hinten vom Koch geplant sind. Wird die jüngere Küche einen ganz anderen Erlebnischarakter haben?

FR: Kann sein, aber vielleicht in einem noch etwas anderen Zusammenhang. Die Leute werden in Zukunft mehr ihren eigenen Stil leben und diesem Stil treu bleiben. Sie werden dann auch intensiver wahrgenommen und bedient werden. Sie werden dann auch intensiver wahrgenommen und bedient werden. Wenn sie wie ein Fähnchen im Wind sind, werden sie ja nicht wahrgenommen. Und sie werden auf selbstbewusste Gastronomen treffen, die genau so ihr Ding machen und anbieten. Ich war in Singapur in einem Restaurant, und da fragte meine Frau, ob sie auch etwas Veganes essen könnte. Da sagte man uns: Dort drüben, auf der anderen Straßenseite können Sie vegan essen, aber hier nicht. Hier sind wir, und bei uns gibt es auch Fleisch. So etwas geht uns hier in Deutschland völlig ab. Alle wollen 360-Grad-Gastronomen sein und alles abdecken. Das kann nicht klappen. Man kann ja auch keinem Stabhochspringer sagen, er soll jetzt mal eben einhundert Meter Freistil schwimmen.

JD: In der Zukunft ist jedenfalls noch viel gastronomisches Potential zu finden. Paul Pairet in Shanghai hat gerade drei Sterne für sein „Ultraviolet“ bekommen, wo es eine multimediale Inszenierung gibt. Ich habe da auch persönlich immer schon so meine Vorstellungen als ehemaliger Musiker gehabt. Wie wäre es z.B., wenn man einmal ein Gericht wirklich musikalisch begleiten würde mit richtig guter und passender und lauter Musik? Vielleicht schmeckt das Essen dann tatsächlich noch etwas anders…

FR: Das kann ich mir auch lebhaft vorstellen. – Was wir aber noch nicht besprochen haben, ist die Stimmung in einem Restaurant.

JD: Entschuldigen Sie, wenn ich noch einmal unterbreche. Ich kann gerne zugeben, dass es Restaurants gibt, in denen ich zu essen habe, aber ansonsten am liebsten schnell wieder verschwinden würde, weil wir uns in einer solchen ästhetischen Umgebung normalerweise nicht gerne aufhalten. Und das passiert vielen Leuten so.

FR: Ich habe meinen Mitarbeitern Hosen und Blusen gekauft, die einfach entspannt aussehen und den Gast nicht in die alte, klassische Rolle bringen, dass er irgendwo hin kommt, wo ihn ein Oberkellner im Frack oder etwas Ähnlichem erwartet und der Gast sich sofort irgendwie underdressed vorkommt. Man glaubt gar nicht, was Psychologie in den Begegnungen zwischen der Gastronomie und dem Gast ausmacht. Der einfache Satz, ob ein Glas halb voll oder halb leer ist, hat viel mit der ersten Begegnung zu tun. Wenn ein Paar zerstritten in ein Restaurant kommt und dort weiter streitet, kann ich für sie nicht mehr „lecker“ kochen. Sie werden das nicht mehr so aufnehmen können.

JD: Können Sie sie nicht entspannen und wieder genussfähig machen?

FR: Genau. Da müssen wir immer dran arbeiten, da müssen wir psychologisches Einfühlungsvermögen zeigen.

JD: Haben das die Pariser Oberkellner von ganz altem Schrot und Korn?

FR: Das ist so oder so. Wir kamen einmal sehr spät, so etwa halb eins nach einem Konzert in ein Restaurant, das 24 Stunden geöffnet hat. Wir haben gesagt, wir wollen zwei Gerichte und einen guten Wein. Genau das haben wir bekommen, und es war echt toll. Der Maitre hat einfach sofort erkannt, was wir brauchen und hat es uns ermöglicht.

JD: Das habe ich auch bei uns schon erlebt. Ich war einmal in Hamburg wegen einer Fernsehaufzeichnung und habe dann vorher Thomas Martin von Jacobs Restaurant angerufen, ob ich spät noch eine Kleinigkeit bekommen könnte. Wir kamen dann ermattet von der Aufzeichnung irgendwann um elf Uhr an. Er hat mir eines der besten Stücke Steinbutt mit Beurre blanc serviert, das ich je gegessen habe. Mit einem guten Glas Champagner dazu. Und das war genau das, was wir in diesem Zustand brauchten.

FR: So ist es richtig. Solche Sachen müssen einfach grundsätzlich möglich sein.

JD: Es gibt sehr gute Hotels, die sich vom Gourmetbereich getrennt haben, weil ihre Kundschaft genau solche individuellen, aber nicht nach Gourmet-Degustationsmenü aussehenden Dinge haben wollen. Da gibt es dann hochrangige Geschäftsleute, die abends nach einem arbeitsreichen Tag einfach einen guten Teller und eine vielleicht sogar sehr gute Flasche Wein dazu trinken wollen. Gut essen – ja. Gut trinken – aber ganz sicher. Aber eben keine fünf Gänge mit Amuse Bouche, Vordessert und Petits Fours.

FR: Ich war vor ein paar Tagen nach einer Produktion bei einem Italiener. Ich habe einen Teller Spaghetti bestellt. Er hatte frische Steinpilze und hat mir davon mit wenig Aufwand eine wunderbare Sache gemacht. Ein guter Wein dazu und ich hatte, was mir in dem Moment am besten gefallen hat. Ich glaube, man wird mit Gastronomie nur erfolgreich, wenn man Menschen beobachtet und wenn man ein Auge dafür hat, wie die Gesellschaft sich entwickelt.

JD: Kann man dabei nicht auch im engeren Sinne kulinarisch unterhaltsamer werden? Ist unser System einfach noch zu steif?

FR: Die Leute wollen aber wissen, was sie für ihr Geld bekommen. Wer hätte vor Jahren geglaubt, das Steakhäuser gut laufen, wo ein Steak 70 oder 80 Euro kostet?

JD: Nun gut, kulinarisch war das in den Fällen, in denen ich so etwas gegessen habe, allerdings meist nicht besonders beeindruckend.

FR: Es sind eben meist Geschäftsleute und keine guten Köche, die so etwas machen.

JD: Müssen wir Tickets kaufen, um in ein Restaurant zu kommen? Das gibt es ja hier und da schon.

FR: Ich finde schon, dass es nicht gerechtfertigt ist, wenn man eine Reservierung nicht wahrnimmt, ohne rechtzeitig abzusagen. Das muss auf jeden Fall finanzielle Konsequenzen haben.

JD: Machen diejenigen, die nicht kommen, das Geschäft kaputt?

FR: Wenn zwei Tische fehlen und ich habe 1000 Euro weniger in der Kasse, ist der Tag finanziell nicht mehr zu retten.

JD: Würde die Küche vielleicht auch noch leistungsfähiger werden, wenn man einen fixen Beginn für das Menü hätte?

FR: Nein. Es ist ja gerade die Stärke vieler Köche, dass sie jede Form von Bestellung auch zügig realisieren können. Das kann man auch andersherum sehen: Man wird fit und flexibel und nicht müde, weil man sich ständig mit vielen verschiedenen Dingen beschäftigen muss.

JD: Wir haben jetzt eine ganze Reihe von Details besprochen, die in Zukunft alle eine große Rolle spielen werden. Wenn man die Sache einmal auf einer Skala von eins bis zehn sieht: Wo ist der Stand der Spitzenküche heute – vor allem gastronomisch gesehen? Sind die Köche in der Lage, die Leute glücklich zu machen, gute Küche zu machen und sich selber dabei auch noch wohl zu fühlen und Geld zu verdienen?

FR: Ich würde sagen: im Durchschnitt 4,5.

JD: Interessant. Ist das in anderen Ländern anders? In Spanien etwa?

FR: Ja, weil dort z.B. auch die Mentalität des Konsumenten anders ist. Man geht anders aus, man geht mit dem Essen ganz anders um.

JD: Im Tickets bei Albert Adria kann man bei Null beginnen und hat ein völlig offenes System. Frankreich macht es in der Spitze oft mit den Preisen…

FR: …und die Leute gehen trotzdem hin… Es fehlt der Branche vielleicht mittlerweile auch etwas die Erfahrung. Immer mehr jüngere Leute bekommen verantwortungsvolle Posten. Aber gerade beim Kochen und in der Gastronomie braucht man dringend Lebenserfahrung, Berufserfahrung und Weitsicht.

JD: Ich saß letztens bei Kowalke im Hamburger Fischereihafen-Restaurant zu einer Besprechung. Dirk Kowalke kam an den Tisch und im Gespräch fiel mir dann auf, dass er vermutlich das einzige Restaurant dieser Klasse ist, das seit Jahrzehnten gleichmäßig Erfolg hat. Fällt Ihnen noch eine Adresse ein?

FR: Die Sansibar.

JD: Ja, klar. Aber selbst Berlin können Sie scannen und werden kaum etwas in dieser Richtung finden.

FR: So ist es. Wie ich sagte: Da wird sich viel ändern müssen und viel ändern.

1 Gedanke zu „Die Rosin-Talks, Folge 4: Rund um die Spitzenküche“

  1. Warum der Gast 20% Aufschlag für den Staat auf den Essens-Preis bezahlen muss, bleibt schleierhaft und leider auch unerwähnt. Dabei geht es nicht um billigeres Essen, sondern darum, Gastronomrndringend benötigte Luft zu geben. Ansonsten sehe ich wegen der Faktoren: Mangel an Fachkräften (inkl. Gastronomen), schlechte Kaufkraft – Entwicklung der Mittelschicht, verbreitete kulinarische Anspruchslosigkeit, absurde staatliche Regularien, die Zukunft der Gastronomie schwarz. Convenience Ketten, selbstausbeuterische Einzelgänger und gesponsorte „Hochküche“ in einer artifiziellen Blase, so wird das wohl aussehen.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar