Wir waren im Turmzimmer des Haardter Schlösschens eingemietet und planten die Wanderroute für den nächsten Tag. Wir hatten den Nordaufstieg über den Loosbrunnen gewählt, eine Route die immer noch als unbezwingbar gilt. Im Basislager bereiteten wir uns tagelang mit trockener Gimmeldinger Meerspinne auf diese Strapaze vor. Wir schliefen auf Mußbacher Eselshaut in einem Deidesheimer Hofstück. Unser Ziel: das Weinbiet, eine der höchsten Erhebungen des Pfälzer Waldes. Der extrem steile Anstieg bereitete uns, dank der intensiven Vorübungen und der Zugkraft unseres originalen sehr agilen Bergpolarhuskys, kaum Schwierigkeiten. Der vermisste allerdings seinen schwarzen Kumpel Meckie. Unterwegs begrüßte uns jemand, der sich als Arno Schmitt vorstellte und uns filmen wollte, auf die hier typische Weise: Namasté do ruff? Sein besorgter Gesichtsausdruck bewog mich, meinen 5 kg schweren Übersetzungscomputer zu befragen, der die Bemerkung als: Na machst Du dich da rauf? interpretierte. Wir erreichten das Höhenbiwak nach etwa einer Stunde, den Loosbrunnen. Dieser sah ungepflegt aus. Ich räumte mit dem bestiefelten Fuß einige menschliche Skelettreste beiseite, was das vermooste Schild: Achtung, ungenießbar, Abwasser Weinbiethaus wieder lesbar werden ließ. Ich dachte: Loserbrunnen wäre für so eine Quelle wohl eine bessere Bezeichnung. Nach kurzer Rast an einer der uralten Gebetssteinpyramiden, und stummem Gebet stapften wir weiter, ohne zu versäumen, den nötigen Flüssigkeitsverlust, durch je einen Liter Forster Freundstück zu decken und die Pyramide wieder aufzuschichten. Ein Mountainbiker war kurz zuvor krachend dagegen gefahren. Wir konnten nichts mehr für ihn tun und begruben ihn, samt Fahrrad, unter den Steinen. Das Gipfelkreuz in Form eines riesigen Sendemastes kam näher. Hatte Na mast é vielleicht doch eine andere Bedeutung? Die Enttäuschung begann sich auszubreiten, keine gröhlenden Bergkameraden zu hören und zu sehen. Das Weinbiethaus hatte doch tatsächlich Ruhetag. Klar es war Freitag, wir hätten es im Internet ja nachlesen können. Statt Pfälzer Platte mit Bratwurst, Sauerkraut und Riesling, nur trockene Brötchen aus dem verschwitzten Rucksack. Unser Husky war frustriert, waren es doch eigentlich seine Brötchen. Wir machten uns an den Abstieg über die Ostroute und begegneten nach einer halben Stunde dem berühmten Bergsteiger Titus D. der sich in Begleitung vom ebenso berühmten Sherpa und Green Chefs Insider, T. Sudhoff sowie mit einem Tross von zwanzig Trägern*innen aufwärts bewegte. Ein Teil der Träger schleppte ein riesiges Brett mit vier Rollen und der Aufschrift Brett für die Welt. Wir tauschten den für alle Bergsteigenden üblichen Gruß aus. Der Absteigende sagt zuerst wohin er geht und dann der Aufsteigende seinerseits. Und so sagte ich: River deep und ergänzte: Sagabona kunjani wena? Titus antwortete grinsend: Danke, gut, Mountain high. Dass er Swahili versteht, wunderte mich nicht. Schließlich kommen er und TS aus Münster. Sie haben einen Herd und eine Seele und Titus ist ein Anstifter. Seine Mitarbeiter*innen waren bereits am Ende ihrer Kräfte, hatten aber offensichtlich noch Power genug, mit einem eingefangenen Ötzi allerlei Schabernack zu treiben. Titus D. lud uns zu einem Imbiss ein, nachdem wir ihm von der geschlossenen Bergstation berichtet hatten. Er schnitt ein Stück Jetifleisch aus einem Lendenstück und reichte es uns zum Verkotzen, pardon Verkosten natürlich. Er selbst würzte seinen Teil mit etwas frischem Eisenhut, fürs Herz murmelte er und streute ein wenig Pulver aus Amanita verna, Frühlingsknollenblätterpilz, darüber für die Verdauung schmatzte er. Sudhoff reichte ihm etwas Bechamelsoße und pfiff die Träger herbei. Der Ötzi riss sich los und entkam fluchend im dichten Wald. Wir verabschiedeten uns schließlich mit festem, gebirgsquellwasserklaren, Blick. Titus D. sprach noch in der Landessprache ein fragendes Mandala aus: Namasté do runne?
Wir antworteten kurz: Jouup, River deep, Mountainbike. Die Gruppe zog lärmend davon. Wir gönnten uns im Tal einen gut temperierten Haardter Bürgergarten Riesling.
Diese Glosse musste noch raus und ich hoffe, die Mitspielenden haben ein Augenzwinkern übrig. Der Sommer naht und die Bearbeitung der Texte nimmt dem Garten viel Zeit. Vielleicht erzähle ich ab und zu mal etwas aus dem wirklichen Leben, oder im Herbst wieder neue Storys. Hier also der Abgesang, die Nachworte zu allen Koch und ich Erzählungen:
Viele Gäste, die an Veranstaltungen des Vieux Sinzig teilnehmen, denken, dass ich dort angestellt bin. Auch die neue Sommelière hielt mich damals für den netten Hausmeister. Ich korrigiere immer und betone, dass ich nur ein Freund des Hauses sei, und genau das empfinde ich auch. Ich kenne den Terminkalender in etwa und weiß, wann Veranstaltungen anstehen, an denen ich mein Pilze- oder Kräuterwissen weitergeben kann. Einige Gäste erinnern sich auch ein Jahr später noch an meine Vorträge, und ich muss gestehen, dass ich mich bemühe, diese Gourmets auch zu kennen. Bei einigen gelingt es sofort, bei anderen mache ich ein freundliches Gesicht. Wenn das Gespräch auf die Bretagne oder andere schöne Gegenden kommt werde ich aufmerksam und leutselig. Ich habe berühmte Köche kennen gelernt und andere illustre Gäste. Die erinnerten sich auch manchmal wieder an mich. Jean-Marie war zusammen mit Colette bei den italienischen Trüffelfreunden in Bagnoli Irpino. Er flog zum Trüffelkongress nach Teruel in Spanien. Ich begleitete ihn nicht, sondern half nur bei der Planung. Ich habe als Erster das Buch Jean-Marie Dumaine – Ein Leben in 14 Gängen erhalten. Ich empfinde das als Auszeichnung eines Freundes. Die Autoren sind Carsten Sebastian Henn, der berühmte Krimiautor und der Gastrosoph Nik Wojtko. Bereits auf den ersten Blick ein sehr einprägsames Buch, das jeder haben muss, der die Philosophie des Kochens auch praktisch nachempfindet oder nachempfinden möchte. Sehr übersichtliche Rezepte, fotografisch umgesetzt von Ira Schneider. Ein Ehrenplatz in der Küche? Ja!! Und dann der eigene Krimi, geschrieben zusammen mit der wunderbaren Marion Demme-Zech. Der Titel Ahrtrüffel sieht voraus, wie sich die kulinarische Krimiwelt entwickelt und es macht mir etwas Angst, dass viele Ausblicke auf das Jahr 2034 bereits Realität werden. Das mediale Echo war und ist beeindruckend. Die erste szenische Krimilesung an und auf unserer Trüffiere war ein großer Erfolg und ich danke meiner Tochter Sarah und der Familie für den tollen Rahmen, der den Krimianfang so überzeugend ins Licht rückte. Am Schluss gibt es ein paar Links zu diesem Thema. Marion hat inzwischen weitere spannende Kriminal-Bücher verfasst und feiert ihren Erfolg nach Corona hoffentlich bald bei Lesungen in Buchhandlungen. Und ganz besonderer Dank gebührt dem Team von Port Culinare und Eat-Drink-Think, ganz herzlichen Dank an Petra Gril, die mit viel Geduld die Texte in Szene setzte.
In meiner geschmacklichen Biografie nehmen Jean-Marie und Colette und die gesamte Familie Dumaine einen großzügigen Raum ein, in meinem Herzen sowieso. Das Vieux-Sinzig hat die A la Carte Sparte geschlossen. Ein kulinarisches Erdbeben. Die für Gäste und das Restaurant lukrativen Veranstaltungen, wie Pilzwanderungen oder der berühmte Gaumenkitzel wurden von Corona aufgefressen. Wie soll die Gastronomie diese Pest verkraften?
Der Koch und ich sind im Laufe der Jahre am Kopf etwas grauer geworden. Im Kopf etwas weiser. Wir fuhren, als es noch möglich war, manchmal zum Frühschwimmen zu den Warmduschern nach Bad Breisig. Es tat uns beiden gut.
Nunc est bibendum und Sagabona kunjani wena?
UND wie die Beatles singen.
There are places I’ll remember
All my life though some have changed
Some forever, not for better
Some have gone and some remain
All these places have their moments
With lovers and friends I still can recall
Some are dead and some are living
In my life I’ve loved them all
Links:
Ahrtrüffel Szenische Lesung Truffière
Trüffelexperte Frank Krajewski schreibt an Krimi mit
Deutsche Gesellschaft für Mykologie e.V.
Herzlichen Dank schreibt Frank für die vielen positiven Rückmeldungen auf meine Geschichten, die mich vor allem über die sozialen Medienkanäle erreichten. Es war mir völlig klar, dass ich mein 73 Jahre dauerndes Leben nicht in 22 Storys pressen kann. Aber es hat Spaß gemacht, einige Auszüge zu veröffentlichen.
Lieber Frank
Es ist sehr schade, aber anscheinend ist die Reise mit dir und dem Koch zu Ende.
Es war eine schöne Zeit mit dir und ich bin froh, dass deine Worte nicht ungelesen bleiben mussten.
Wenn du irgendwann mal wieder Lust hast, kulinarische Ergüsse, Kochbuchrezensionen oder sonstige Lektüre zu entwerfen, freuen wir uns auf alles, was da kommt.
Deine Feder ist zum Niederknien gut.
Ich bedanke mich bei dir.
Ganz liebe Grüße
dein
Ralf Bos
Ein „Augenzwinkern übrig“? Ein fröhliches, schallendes Lachen!! Wunderbarer Text voll skurriler Phantasie! Wie immer viel Spaß gehabt an diesem Text von Frank Krajewski. Ich freu mich jedesmal, wenn er hier schreibt.
Hallo Frank,
mero name Arno.
Es ist schade, dass wir uns nicht früher begegnet sind.
Deine Sprachkenntnisse wären auf den Trekkingtouren in Nepal und Indien von Vorteil gewesen
und dein Begleiter hätte Erfahrungen als Trekking-Koch sammeln können.
Aber was nicht ist, kann ja noch werden; vielleicht können wir ja mal gemeinsam eine Trekkingtour auf den deutlich über 200 Meter hohen Trüffel-Berg unternehmen.