Als die Meldung die Runde machte, dass Thomas Althoff, der berühmte Hotelier und Herr über diverse Gourmetrestaurants das Weingut Schloss Ortenberg (ein wenig südöstlich von Offenburg) übernommen hat, gab es vermutlich in der Szene erst einmal unterschiedliche Reaktionen. Handelt es sich vielleicht um einen der typischen Wünsche altgedienter Gastronomen, für die der Besitz eines Weingutes einfach eine Abrundung ihrer kulinarischen Wünsche bedeutet? Den eigenen Wein haben – vielleicht mit einer Spezialcuvée für die ganz besonderen Anlässe? Nicht ganz. Wer unsere Gourmet-Hoteliers etwas genauer kennt, wird wissen, dass viele von ihnen auch ausgesprochene kulinarische Spezialisten sind. Sie kennen oft die besten Restaurants Europas oder weltweit, und haben oft auch schon von der Ausbildung her gerade auch beim Wein exzellente Kenntnisse oder zumindest eine präzise Vorstellung davon, was ein richtig guter Wein ist. Wir sind hier nicht bei Schickimickis, sondern bei Leuten vom Fach. Und dazu gehört in diesem Falle neben Thomas Althoff unbedingt auch Andreas Schmitt, heute der COO der Althoff-Hotelgruppe, der so etwas wie eine deutsche Sommelier-Legende ist, weil er in den berühmten „Schweizer Stuben“ in Wertheim die Weinbetreuung übernommen hatte.
Nun also geht es um ein Weingut, das bisher nicht übermäßig aufgefallen ist und dessen Weine über eher nicht besonders auffällige Bewertungen in den Führern verfügen. So etwas übernimmt man entweder als Hobby, oder weil man erkannt hat, dass hier großes Potential schlummert. Althoff – davon kann man ausgehen – übernimmt nichts als Hobby. Er wird es ernst meinen. Er will guten Wein machen. – Ich hatte das Vergnügen, eine Flasche des Weines zu probieren, der im nächsten Frühjahr erstmals auf den Markt kommen wird. Er stammt von einem Weinberg mit ausschließlich alten Reben, was eine große Rolle für den Geschmack spielt.
Hier also meine Impressionen.
Seriosität statt Oberflächlichkeit
Mich hat diese Flasche natürlich sofort sehr interessiert, weil sie aus dieser Quelle stammt und unter anderem auch deshalb, weil Verleger Ralf Frenzel vom Tre Torri Verlag sich gerade beim Weingut Wegeler eingekauft hat. Der erste Blick angesichts dieser als „Spätburgunder Réserve 2019“ bezeichneten Flasche ging natürlich auf das Programm des Weingutes, wo sich eine solche Flasche noch nicht findet. Hat man eine eigene Assemblage gemacht oder einen vorhandenen Wein anders etikettiert? Oder noch irgendwo ein spezielles Fass gefunden? Die Antwort habe ich oben gegeben. Es hat sich gezeigt, dass in den Trauben dieser Lage ein großes Potential steckt. Damit – und mit einem Chardonnay – will man sich zuerst beschäftigen. Was gibt es also zu berichten?
Die Nase zeigt eine nicht plakativ anmachende, sondern eher auf Seriosität zielende Spätburgunder-Note. Viele deutsche Spätburgunder sind sehr „auf Nase“ gemacht. Sie riechen klar und deutlich (und oft durchaus „anmachend“) nach deutschem Spätburgunder, lassen dann aber wenig mehr als eine eher dünne Frucht und einen sehr begrenzten Körper folgen. Hier zeigen sich schon in der Nase deutlich dunklere, tiefere, komplexere Noten, die in den Wein hineinziehen und versprechen, am Gaumen noch wesentlich mehr zu bekommen. Am Gaumen verstärkt sich dieser komplexe, seriöse, kaum ergründliche Charakter. Der Wein zeigt eine gewisse Frühreife, und zwar im Sinne einer abgerundeten Erscheinung, die nicht durch größere Mengen von Tanninen überlagert wird. „Reifenoten“ im Sinn von „Alterungsnoten“ sind natürlich noch nicht vorhanden. Diese Frühreife wirkt sehr angenehm und verstärkt sich im Verlauf der Degustation. Was die Alterung angeht, darf man insofern Potential erwarten, das den jetzt beobachtbaren Noten noch einige weitere hinzufügt, ohne Gefahr zu laufen – siehe oben – frische Fruchtnoten zu verlieren. Der Wein ist sehr gut so wie er ist, hat aber wegen der großen Stabilität und Komplexität noch ein beträchtliches Reifungspotential. Ich bin kein Freund der Zuschreibung von Detailnoten, weil man die dunklen Beeren, Kirschen und Co. ja heutzutage selbst den schwächsten Weinen beim Discounter zuschreibt. Aber – hier geht es definitiv eher um dunkle Schokolade allerbester Provenienz und nicht so sehr um Beeren – obwohl eine späte Kirschnote nach etwa einer Stunde eine feine Abrundung bringt. Die Stabilität im Glas ist ebenfalls sehr gut. Es gibt nach dem ersten, weder durch zuviel Säure noch Tannine beeinträchtigten Bild eine parallele Entwicklung zu dunklen Noten wie zu der genannten, späten Kirschnote, die sich überraschend und mild zu den anderen Noten gesellt und eine bei einem so jungen Wein seltene Abrundung schafft.
Ein deutscher Spätburgunder von internationalem Format
Die Flasche zeigt einen Spätburgunder-Typus, der mir sehr gut gefällt. Ich erinnere mich daran, dass die Diskussionen vor etlichen Jahren, als der heute überall anzutreffende deutsche Spätburgunder-Stil sich entwickelte, immer in die gleiche Richtung gingen. Man sagte (ich auch), dass das alles schön und gut und erfreulich sei, der vordergründigen Zufriedenheit mit einem Rotwein von eigenem Charakter (im Elsass gibt es ihn ja zum Beispiel mit diesem Geschmacksbild überhaupt gar) aber doch bald eine Vertiefung der Komplexität und ein Charakter folgen müsse, der wesentlich mehr Substanz hat. Es hat sich gezeigt, dass uns dieser schnell entstehende Spätburgunder-Mainstream wird nicht weitergebracht hat. Dieser Wein tut das – wie die besten der Konkurrenz – sehr wohl, zum Beispiel, weil hier der Spätburgunder deutscher Herkunft als ein internationales Produkt begriffen wird, weil man nicht zu früh zufrieden ist, sondern eine klare Vorstellung von internationaler Qualität hat – ohne die spezifische Stilistik des deutschen Spätburgunders aufzugeben.
Ich erinnere mich an eine Degustation zusammen mit der Familie Keller vor etwa 10 Jahren, bei der wir das gesamte Programm des Hauses degustiert und diskutiert haben. Keller fragte mich immer wieder nach meinen Eindrücken, und ich habe ihn damals gefragt, was er machen könne, um seinen Spätburgundern mehr Substanz zu geben. Ihm war das Thema offensichtlich ein sehr wichtiges und er sagte sinngemäß, dass er schon sämtliche Spitzen-Weinmacher aus Bordeaux und Burgund bei sich gehabt hätte. Es gäbe nur eine Lösung: die Rebstöcke müssten etwas älter werden…. Hier nun bei dem Althoff-Spätburgunder gehen die Voraussetzung exakt in diese Richtung. Und – es ist nicht die Politik des Hauses, so schnell wie möglich in die Hochpreisabteilung vorzudringen. Irgendwo in Richtung 30–40 Euro soll es vermutlich gehen, was gut klingt für einen Rotwein, mit dem man sich gerne in aller Ruhe hinsetzen kann, der ein feines, spannendes Leben vom Öffnen bis zum letzten Schluck hat, der nicht irgendwann in die Säure abgleitet, sondern ein durch und durch erfreulicher Begleiter bleibt. Man sollte ihn vielleicht 1–2 Stunden vorher dekantieren, in einer kleinen Karaffe, nicht zu groß, weil er ein wenig Luft gut verträgt, aber eben keine künstliche Beatmung.