Vorbemerkungen:
Der 32-jährige Tristan Brandt vom „Opus V“ in Mannheim hat einen bemerkenswerten Aufstieg hinter sich. Im Jahr 2013 begann er als Küchenchef im „Opus V“. 2014 bekam er den ersten Michelin-Stern und schon 2016 den zweiten. Mittlerweile ist er aber nicht nur Chef des Gourmetrestaurants, sondern Geschäftsführer der aufstrebenden Engelhorn Gastro GmbH, die in verschiedenen Restaurants 140 Mitarbeiter beschäftigt. Zur Firma gehört auch ein ganz frisches Sternerestaurant, das „le Corange“ mit Küchenchef Dominik Markowitz – ein paar Schritte entfernt vom „Opus V“ im gleichen Dachgeschoss des Modehauses Engelhorn.
Während Brandt zu Beginn seiner Arbeit im „Opus V“ einerseits schon sehr gut kochte (was angesichts seiner Ausbildung auch nicht weiter verwunderte), hatte er sich stilistisch aber im Grunde noch nicht gefunden. Heute nun kann man eine erhebliche Entwicklung beobachten, die bei Köchen dieses Kalibers in dieser Geschwindigkeit ausgesprochen selten ist. Tristan Brandt hat vor allem im aromatischen Bereich eine Komplexität und Finesse erreicht, wie man sie in Deutschland ansonsten kaum findet.
Hier nun die Analyse eines ganz neuen Gerichtes, das vor zwei Tagen erstmals im „Opus V“ serviert wurde.
Makrele – Kefir – Grünes Gemüse: Stilistik
Die im Moment allgemein verbreitete Kurzbeschreibung von Gerichten mit meist drei Zutaten täuscht ganz gewaltig. Brandts große Spezialität ist das Spiel mit einer ganzen Reihe von Elementen. Er macht dies aber in einer völlig anderen Form, als es etwa bei extrem kleinformatigen Kompositionen der Fall ist, deren Teile oft den ganzen Teller füllen. Bei Brandt sind alle Elemente unmittelbar aufeinander bezogen und sorgen für zwei wichtige Aspekte: einmal erhalten seine Gerichte eine schillernde Aromatik, zum anderen schmeckt fast jeder Bissen anders. Das Ziel ist nicht so sehr ein Hauptprodukt, das von verschiedenen Aromen begleitet wird, sondern eher ein Gesamtgeschmack, in den das Hauptprodukt eingebettet ist. Um dieses Ziel zu erreichen, werden die Kontraste begrenzt. Wohlgemerkt „begrenzt“, und nicht etwa beseitigt. Sie sind da, sowohl bei den Texturen, wie den Aromen und bisweilen auch den Temperaturen, aber sie werden ebenfalls auf den Gesamtgeschmack bezogen. Sie sind – wenn man so will – effektiv, aber keine Effekte.
Makrele – Kefir – Grünes Gemüse: Die Details
Der Fisch ist in mundgerechte Stücke zerteilt, deren Größe sich als sehr sinnvoll herausstellt. Mit einem Stück Fisch und im Prinzip beliebigen Elementen zur Begleitung wird der Fisch zum Teil einer Art Mischgeschmack. Nimmt man zwei Stücke Fisch (von der Menge her kein Problem), bekommt man den Fisch in die Begleitung eingebettet, aber klarer definiert. Die Makrele ist trocken gebeizt, und zwar u.a. mit Salz, Pfeffer, Zucker und Zitronenthymian. Der Gemüseapparat auf dem Fisch besteht aus in den Proportionen präzise auf einen Mischgeschmack abgestimmten Stücken von Zuckerschoten, Kenia-Bohnen, Staudensellerie, jungem Broccoli, Kohlrabi-Röllchen, ganz wunderbar wirksamen Mini-Radieschen und Röstzwiebeln. Es gibt eine Variante von French Dressing, japanische Mayonnaise, Korianderpesto, Punkte von einer Kefir-Creme, eine Thai-Vinaigrette und Kräuter. Beim Essen ergibt sich in der Regel ein sensorisch nicht sehr breiter Akkord, der aber über eine exzellente Binnendifferenzierung verfügt. Es gibt keine harten Texturen, die die anderen Elemente eine Zeit lang überlagern. Man bekommt etwas initiale Textur von den Gemüse- und Kräuterpartikeln, während sich der Fisch ein wenig verzögert aufschließt. Mit jedem Bissen nimmt man ein wenig von der Thai-Vinaigrette und dem Koriander-Pesto auf, ohne dass sich das Bild stark in Richtung Asien bewegen würde. Auch die asiatische Färbung ist eben Teil des Gesamtbildes und nicht dominant. Selbst die getrockneten Zwiebeln sind so fein geschnitten, dass sie zu einer dienlichen Würze werden und einen Hauch feinster Rustikalität in den Akkord bringen. Ideal wird der Akkord, wenn man auch noch die Cremigkeit der Kefir-Zubereitung mitnimmt, die mit ihrer gegenüber der Vinaigrette größeren Länge und Nachhaltigkeit für einen ungemein süffigen Zusammenhang sorgt. Sie ist dann auch für einen wichtigen Aspekt des Gesamtbildes verantwortlich, den Eindruck nämlich, es mit einem Makrelen-Gericht zu tun zu haben, das ausgesprochen zugänglich und attraktiv schmeckt und alle möglichen Vorurteile gegenüber dem „tranig-fettigen“ Geschmack der Makrele mit leichter Hand widerlegt.
Insgesamt erreicht Tristan Brandt mit diesem neuen Gericht eine abermals gesteigerte Qualität seiner Arbeit. Besonders auffällig ist, dass er mit dieser Stilistik zwischen Europa und Asien einen Punkt trifft, der zugleich originell und sofort überzeugend ist und sowohl eher vordergründig orientierte Esser wie auch feinstschmeckende Spezialisten überzeugen kann. Die Art und Weise, wie Brandt mit dieser großen Anzahl von Aromen balanciert und mit sicherer Hand an einem vielschichtigen Gesamtbild arbeitet, ist äußerst bemerkenswert und zeugt von einem ausgesprochen großen Talent.
Es ist eben ein Meisterstück, wenn man nicht die Küche einfacher macht, nur um die Gäste nicht zu überfordern, sondern Mittel und Wege findet, ihnen auch höchste Kochkunst so zu präsentieren, dass sie begeistert sind.