Wir sind froh, die launigen Buch Rezensionen von Frank Krajewski neu in unser Portfolio aufnehmen zu dürfen.
Für alle, die den Stil von Frank genau so lieben wie wir und ihn gerne ein wenig näher kennen lernen würden, für den hier eine kleine Kurz-Biographie:
Frank Krajewski lebt seit 40 Jahren in Remagen und ist geprüfter Pilzsachverständiger der Deutschen Gesellschaft für Mykologie. Gemeinsam mit Marion Demme-Zech hat er den Krimi AHRTRÜFFEL heraus gebracht. Beide sind in Anthologien mit finsteren Pilzgeschichten vertreten. Er leitet Pilzexkursionen, referiert über pilzspezifische Themen in Deutschland, Frankreich und Ungarn und arbeitet als Berater bei Pilzvergiftungen an Kliniken. Außerdem ist er ein gefragter Experte in diversen Fernseh- und Radiosendungen sowie als Rezensent genussorientierter Bücher. Mit einem kleinen Weinberg erinnert er in Remagen-Kripp an die ehemalige Weinbautradition des Ortes. In der Pilzszene ist er als Tuber-Frank bekannt.
Aber damit nicht genug, wir sind mit Frank auf eine Reise durch sein Kulinarisches Leben gegangen und werden für die ersten 22 Wochen im neuen Jahr, jeden Sonntag ein neues Kapitel auf seiner Reise durch die Welt der Kulinarik vorstellen. Und wir dürfen jetzt schon feierlich versprechen: Frank wird seinem Stil treu bleiben und sie werden im Kontext von Lachen und Lernen sich nach und nach genauso in Frank verlieben, wie wir es schon sind.
Das große WeinMaleins
Das Buch von Bianca Bosker hat meine unerschütterliche und bei Weinverkostungen immer wieder propagierte Meinung durcheinandergebracht, nämlich, Das höchste Qualitätskriterium für Wein, den ich trinke, ist: Der schmeckt mir oder nicht, egal was andere Mitschmecker von sich geben. Bereits die ersten zehn von 422 Seiten versprachen schon Kurzweil, und ich betrachtete den Pfälzer Landwein, der neben dem Laptop stand, schon etwas kritscher. Schmeckte da nicht etwas Peronospera heraus oder Isoprophyl oder beides? Oder ist das gar kein Landwein, sondern ausgespültes Fass verschiedener europäischer Großweinlagen? Auch der Syrah im BiB hatte plötzlich etwas Pelziges auf den Rachenmandeln. Ich löschte die Bedenken zunächst mit Weizenbier, naturtrüb versteht sich, passte auch bessser zum Wetter. Das was ich zunächst für Noch’n Weinführer hielt, erlas sich bereits nach wenigem Weiterblättern als ein köstliches Werk brilliant geschriebener Weinkultur. Und auf Seite 19 belehrte mich Bianca, nach amüsierenden Vorworten, indem sie kundtat: Dieses Buch ist kein Weinführer oder ein gutgläubiges Hochhalten sämtlicher Traditionen des Weintrinkens. Dieses Buch ist weniger der Weg von Weintraube zu Weinglas sondern ein Abenteuer von Weinglas zu Gurgel in die wilde Welt der Weinbesessenheit und Weinwertschätzung in all ihren Farben und Fehlern. Es erforscht unsere Beziehung zu einem siebentausend Jahre alten Saft, der ägyptische Herrscher, mittellose Bauern, russische Zaren, Börsenmogule, Vorstadteltern und chinesische Studenten bezaubert hat Man merkt Bianca Bosker ihre Beharrlichkeit beim Erreichen eines Ziels an, ist ihre berufliche Grundlage doch der IT-Journalismus und da gilt: Geht nicht, gibts nicht!
Auf ihrem, teilweise abstrusen, Weg zur Meisterin der Verkostungen nimmt sie alle Niederungen und Erniedrigungen der Weinuniversen auf sich, nimmt die Leserin oder den Lesern oder den/die Lesediversen mit in die Edelrestaurants und Bars von New York und lässt alle erschauern, welche pekunuären Klimmzüge auf der Jagd nach der endgültigen Sorte in der endgültigen Flasche gemacht werden. Diese Flasche ist aber weiter entfernt, je näher man glaubt, ihr zu sein. Bianca zitiert unglaubliche Beschreibungen aus dem Verkostungsvokabular der Meistersomms wie z.B. Dieser süße Pfirsich-Riesling schmeckt wie die Beatles um die Love-Me-Do-Zeit; der andere da wie Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band – flippig, trippig, und die Säure schießt bis in den Himmel. Olfatype, knallt er mir in die Hirnwindungen. Ja, das habe ich doch schon mal gehört, geübt und verstanden. Individuelle Geruchsempfindungen von Aromen visualisiert. Geometrische Grundformen mit Emotionen verknüpft und in ein menschenübergreifendes Olfabeth gezaubert. Ingeborg Scheer beeinflusst wieder mein Dasign. Aber Langspielplatten der Beatles kann man nicht trinken, aber daran riechen, wer möchte. Und die Säure schießt nicht in den Himmel, denn jede Weinsäure ist mit einer geschmacklich-duftenden Erinnerung verknüpft, sofern diese bereits im Gehirn gespeichert ist. Jeder Geruch oder Duft gleitet auf kürzestem Weg in das olfaktorische Gedächtnis. Das große WeinMaleins ist ein Buch, das alle die fesselt, die gerne Wein genießen, sich aber nicht trauen, ihre Empfindungen zu äußern. Auf welche Weise auch immer. Allein der Titel ist schmunzelndes Programm. Aber auch die erstaunt, die glauben schon alles über Wein zu wissen und fast alle Toplagen und Nischenweine auswendig daher sagen können. Zu den letztgenannten Connaisseuren gehöre ich nicht, auch wenn ich selber etwas Weinbau pflege. Der hier reifende Regent schmeckt mir ausgezeichnet. Nach Lektüre diese Buches lasse ich mir aber wahrscheinlich mehr Zeit, die Geschmacksknospen und Hirnareale zu trainieren, die ja so unglaubliche Nuancen offenbaren können. Aber was mache ich mit dem Pfälzer Landwein oder dem Syrah aus dem BiB? Blumen düngen, auch auf die Gefahr hin, dass sie eingehen. Nein, Bianca Bosker ermutigt mich, meinen Empfindungen zu trauen. Zum Wein genießen gehört entspannte Laune. Auch nicht so teure Tropfen können Offenbarung auf die Zunge bringen. Ihr Schlusswort macht mir Mut. Jeder Mensch besitzt die Fähigkeit, die Seele des Weins zu entdecken und zu genießen. Sie brauchen keinen Treuhandfonds und keinen Zugang zu Gratisweinen. Sie brauchen keine Supersinne. Sie müssen nicht einmal das Kaffeetrinken aufgeben oder unvernünftig große Mengen Alkohol dienstagsmorgens um zehn trinken. Geben Sie einfach nur Acht, das ist der erste Schritt, um etwas für den Wein zu empfinden und Ihre Sinne zu erwecken. Und widmen Sie sich dem Ganzen mit Gusto.
Fazit: Das Buch gehört in jede Straußwirtschaft. Es ist ein ideales Geschenk für Weinliebhaberinnen Weinliebhaber, Winzer, Winzerinnen, Auszubildende, Kandidierende für Parteiämter und Genussmittelversendende. Es ist nie langweilig und hat mich zwei Nächte lesen lassen. Jetzt kann ich darüber berichten aber ärgere mich ein wenig, dass ich nicht so schön erzählen kann wie Bianca Bosker. Am Schluss aber noch ein geräumiges Lob an die Übersetzerin Viola Krauß. Eine Meisterinnenleistung. Fünf Sterne und einhundert Parkende Punkte!
Prosim – Ich möge nützen!
Frank Krajewski
Mykotainment
Super geschrieben,eine Wohltat gegenüber Jürgen dollases geschwulstes geschreibe,freue mich auf weitere Artikel.
Na ja Sven, wie immer, alles Geschmacksache, Aber danke sehr. Es gibt ja eine weitere Rezension, sogar mit einem einfachen Bratkartoffelrezept von mir oder von sonst wem, sicherlich schon häufig verwirklicht .Lebe wohl, koche gut, denke langsam und klar und lies was Gescheites meint Hugo von Hofmannsthal