Es ist sehr interessant, die Reaktionen auf die neue Liste der „The World’s 50 Best Restaurants“ zu verfolgen. Köche und Gourmets sind sich ja weitgehend darin einig, dass die Liste allein schon deshalb sinnvoll ist, weil sie ein internationales Publikum aktiviert. Und dass man mit nationalem Publikum zum Beispiel als Drei Sterne-Restaurant nicht wirklich auskommt, gibt jeder betroffene Koch auch unumwunden zu.
Insofern kann man die Frage stellen, ob denn die neue Liste auch diejenigen erreicht, die sie am besten erreichen sollte. Aber genau daran ist Zweifel angebracht.
Speziell Maßnahmen wie das Überführen jeder Nr. 1 in die „Best oft the Best“ – Katakomben hat ein so widersinniges Bild der Qualitäten internationaler Spitzenrestaurants erzeugt, dass viele Beobachter nur noch abwinken. Kann man sich jetzt ausrechnen, dass im nächsten Jahr das neue „Noma“ die Nummer 1 wird und im Jahr 2021 dann das „Asador Etxebarri“? Ist das „Mirazur“ nun das beste Restaurant der Welt, und ist es besser als z.B. die Etablissements der in vollem Saft kochenden Herren Bottura oder Roca? In zehn Jahren kann sich auf diese Weise ein absurdes kulinarisches System entwickeln, in dem sich vielleicht ein paar neue Namen (wie die Veranstalter sich das wünschen), aber wahrscheinlich auch eine ganze Reihe von Restaurants zeigen, die definitiv nicht an die Spitze irgendeiner Liste gehören.
Eine Meldung für die Bunten Blätter
Schon heute kann man mit den Meldungen, die die Veranstaltung weltweit erzeugt, nicht wirklich zufrieden sein. Es gibt wichtige Medien, die die Meldung überhaupt nicht weitergeben, und wenn doch, dann nicht dort, wo sie eigentlich zu finden sein müßte. Es ist eine Meldung für die bunten Blätter, für die stark vergänglichen News, die ins eine Ohr hineingehen und alsbald zum anderen wieder hinauskommen. O.k. das Soundso ist das beste Restaurant der Welt. Prima. Aber: So what? Hat das irgendeine Bedeutung, die über ein paar mehr Gäste für das beglückte Haus hinausgeht? Nützt es der Kochkunst? Nützt es irgendeiner internationalen kulinarischen Entwicklung? Nützt es vielleicht vor allem dem Geschäftsmodell der Veranstalter?
Es ist weder bei der Ehrung noch in den dürren, oberflächlichen Erläuterungen auf der Website der Veranstalter zu erkennen, warum, wieso und weshalb die jeweiligen Restaurants den Platz haben, den sie haben und warum bestimmte Restaurants ausgezeichnet, andere aber völlig verschwunden sind. Aber – wie sollte man auch anders agieren, wenn es doch offensichtlich nicht auf eine möglichst seriöse Auseinandersetzung mit den Qualitäten der Kochkunst ankommt, sondern um das Zusammenwürfeln von irgendwie zustande gekommenen internationalen Stimmen.
Wenn aber die Nachricht nicht die eigentlich gewünschte Kundschaft erreicht, sondern vor allem Leute, die ohnehin nicht in ein Spitzenrestaurant gehen: wird die ganze Sache nicht endgültig widersinnig?
Um seriös rezipiert zu werden, müsste die Liste ernsthaft diskutiert werden
Die Ergebnisse der Liste werden nicht so diskutiert, wie sie diskutiert werden müssten und nicht da veröffentlicht, wo sich eine wirkliche Wirkung erzielen ließe. Wenn die Liste nicht in den Feuilletons oder den Hauptnachrichten oder in Kulturmagazinen wahrgenommen und die Ergebnisse diskutiert werden, verfehlt sie einen wesentlichen Teil ihres möglichen Publikums und leistet zudem keinerlei kulturell wesentlichen Beitrag – auch wenn die Veranstalter sich nach Kräften bemühen – an dieser Stelle Eindruck zu erzeugen. Der durch die neuen Maßnahmen ins Lächerliche gesteigerte Unsinn, der sich seit Beginn um das Zustandekommen der Liste angesammelt hat, lässt Redakteure von Rang und Bedeutung nur noch abwinken. Nein, das ist kein Thema, nein, das ist erkennbar zu kommerziell aufgezogen und nein, das leistet keinen Beitrag zu irgendeiner sinnvollen internationalen Diskussion über die Qualitäten und Funktionen von Spitzenküche. Man wird in den Feuilletons oder in ähnlichen Zusammenhängen nicht über so etwas ausführlich diskutieren – einmal ganz davon abgesehen, dass dazu das Personal üblicherweise auch nicht vorhanden ist. Wer aber meint, dass so etwas auch nicht unbedingt notwendig ist, sei gewarnt: viele Bereiche der Kultur gibt es nur deshalb noch, weil solche Mechanismen funktionieren und es Leute gibt, die an die Bedeutung von Kunst, Musik Literatur und Co. glauben.
Nach den neuen Maßnahmen der Organisatoren bleibt nur noch ein dringender Wunsch: man möge die ganze Sache noch einmal gründlich überdenken und etwas schaffen, das Sinn macht. Die Organisatoren der „50 Best“ haben überzogen, sie haben sich verrannt.
die nestle-liste blendet die evolution von spitzenküche, also ihre weiterentwicklung über längere zeiträume hinweg aus. die hall-of-fame droht somit langfristig zu einer art rumpelkammer zu werden. die liste mag für die ultrakurze aufmerksamkeitsspanne eines medialen publikums gut sein, die wirklich wichtigen auseinandersetzungen erreicht sie nicht.
Lieber Herr Dollase,
bitte kurze Mail mit Ihren Kontaktdaten an c.aichele@ahgz.de – ich habe eine Anfrage an Sie zwecks VÖ in der AHGZ…
Danke und beste Grüße
Christoph Aichele / AHGZ-Redaktion
Also, mir reichen die Sterne zur Orientierung und auch der Bin Gourmond