Associazione „Culinaria Tirolensis“ (Hrsg.): Culinarium tyrolensis. Die Küche der Dolomiten. Velatum Kulturzeitschrift, Iselsberg-Stronach 2018. 104 S., geb., 29.90 Euro (zweisprachig deutsch – italienisch)
Im Jahr 2014 gab es zum ersten Mal das Gourmetfestival Hochpustertal – initiiert von Sternekoch Chris Oberhammer. Es ging um die Küche des alpinen Raums und um eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Köche. In der Folge dieser Veranstaltung wurde der Verein „Culinaria Tirolensis“ gegründet, mit den Mitgliedern Chris Oberhammer (Italien), Josef Mühlmann (Österreich), Markus Holzer (Italien) und Sommelier André Cis (Österreich). Nun hat man ein Buch herausgebracht, das Tirol als eigenständige Kulturlandschaft begreift. Der Verein hat Verbündete gefunden – in Form der Kulturzeitschrift Velatum, aber auch bei einigen Wissenschaftlern aus dem Bereich Landwirtschaft, Volkskunde etc., die ebenfalls in diesem Buch einen Beitrag zum Thema leisten.
Solche Initiativen sind das Gebot der Stunde, weil sich viele Verlage nur noch auf eine Art massenkompatible Discounter-Kochbuchware konzentrieren, die vor allem mit TV-Gesichtern vermarktet wird. Das inhaltlich sinnvolle Buch kommt meist erst gar nicht mehr in die Diskussion, weil nur noch Gewinnmaximierung das Ziel ist. Wohlgemerkt: So wird manchmal selbst dann gedacht, wenn man mit interessanten Titeln durchaus verlustfrei arbeiten könnte. Das führt dann unter anderem auch schon mal dazu, dass in den Verlagen Sachverstand verschwindet und die veröffentlichten Bücher oft schwere Mängel aufweisen. Nun also hier Tiroler Küche aus der Hand derer, die etwas davon verstehen.
Das Buch
Das im Querformat auf hochwertigem Papier gedruckte Buch trifft genau jene Mischung, die – wie man so schön sagt – Wertiges vermittelt, auch inhaltlich. Man spürt die Tradition, die Landschaft, die Herkunft der Produkte aus Familienbetrieben und vor allem die Arbeit von Köchen, die sich auf ihre Region konzentrieren und einen Weg suchen, Traditionelles mit kulinarischer Qualität und Verkäuflichkeit zu verbinden. Die Rezepte zeigen keine avantgardistische Nova-Regio-Interpretationen, sondern etwas, das auch bei uns in Deutschland dringend auf dem Plan steht oder stehen sollte: Optimierungen von regionalen Produkten und/oder Rezepturen in der Mitte der Gesellschaft, also auch für Leute attraktiv, die normalerweise eher die alpinen Wirtshäuser besuchen. Gleichzeitig haben die Arbeiten vom Konzept und der Finesse her aber auch jederzeit genügend Substanz, um den ortsansässigen oder reisenden Gourmets das Erlebnis einer authentischen regionalen Geschmackswelt zu ermöglichen. Da gibt es zum Beispiel „Holzkohle-Tagliolini, Pfifferlinge, Graukaus“ oder „Brennnessel-Knödel mit Rübensalat“ (Holzer), das „Villgrater Ofenlamm, Pustertaler Gerste, Schmorgemüse“, den „Saibling von der Unterstalleralm, Safrangemüse, Belugalinsen“ oder „Villgrater Schlipfkrapfen mit Nussbutter, Kasebolla und Schnittlauch (Mühlmann). Die Restaurants der Köche werden vorgestellt, die Lieferanten der Produkte und immer wieder die enge Verbindung zur Tradition, wie etwa bei der Milchsuppe „’Melcha Muiss mit Mürbeteigcrumble“ (Oberhammer). Vom gleichen Koch kommen auch exzellent fein und klar ausgearbeitete Gerichte wie die „Suppe mit Dinkel und Wintergemüse“ oder die „Kartoffel vom Klaudehof mit Sauerkraut gefüllt an leichter Senfsauce“. Den Abschluss des Buches bilden einige Aufsätze unter der Überschrift „Wissenswertes über die alpine Küche“, darunter „Eine Kurzgeschichte zur lokalen Verbreitung der Erdäpfel“ oder „Von Fermenten und Aromen zu Gaumenfreuden und Genüssen“ (beides von Volkskundler und Ausstellungskurator Andreas Rauchegger).
Fazit
Das Buch ist nicht sehr dick und die Anzahl der eingebundenen Köche beschränkt sich auf die Mitglieder des Vereins. Aber – sie machen eine gute Arbeit und haben vor allem ein Konzept, wie man die Arbeit an solchen regionalen Projekten in eine Form bringen kann, die Niveau hat und gleichzeitig den Leser nicht mit allzu viel Theorie überfrachtet. So gesehen ist dies auch eine süffige Vorlage für Küchen außerhalb der Dolomiten – auch weil sie Tradition und Moderne in einer entspannten Weise zusammenbringt, ohne auch nur im mindesten zu „tümeln“. Das verdient eine gute Bewertung. Man lernt: Leute ins Boot holen, auf guten Willen setzen, Kräfte zusammenfassen und sich wirklich der Sache widmen.
Das Buch bekommt 2 grüne BB