So wie viele verrückte und abenteuerliche Geschichten beginnt auch diese hier auf der Internetseite eines Auktionshauses. Als ich vor einigen Jahren in das berüchtigte „Home of the booze“ – mein Kölner Innenstadtquartier – gezogen bin, fehlte es an allen Ecken und Enden. Es galt beinahe einen ganz neuen Haushalt einzurichten, da ich das meiste meiner desolaten Möbelstücke an den Nachmieter meiner alten Wohnung verkauft hatte. Ich hatte eine genaue Vorstellung was ich haben wollte, wusste genau was ich an Möbelstücken brauchte. Der Stil, den ich anstreben wollte, nannte sich Industrial Chic. Etwas Loftartiges, Urbanes. Der Einrichtungsstil, den mein Konto mir allerdings ermöglichen konnte, nannte sich „nimm-was-du-kriegen-kannst-chic“. Auf diese Weise fand ich mich recht schnell in Kleinanzeigen stöbernd und bei Auktionen bietend wieder. Ich hatte schnell einige Gegenstände zusammenklamüsert. Eine alte Kommode, einen Esstisch aus dem Nachlass meiner Großeltern, den man mit einem Augenzwinkern als Vintage hatte bezeichnen können. Das bisherige Herzstück meiner Wohnung war meine selbstgebaute Mini-Bar, die ich aus ein paar alten Weinkisten zusammengeschustert hatte. Diese hatte ich während meiner Ausbildung nach einer langen Kneipentour auf dem Sperrmüll stehen sehen und kurzerhand nach Hause geschleppt. Meine Bar war zu diesem Zeitpunkt also schon ein treuer Begleiter. Als Gegenspieler zu dieser fehlte eine Couch, etwas Gemütliches, etwas Schickes, damit nicht alles zu zusammengewürfelt aussah. Ich brauchte etwas, das den Raum erst richtig gemütlich macht, um es in berühmten Worten des Jeffrey Lebowski zu sagen.
Ich kam bei meiner Suche vom Hölzchen aufs Stöckchen, tauschte Suchbegriffe aus, klickte mich weiter, wurde auf Anzeigen verwiesen, die mir auf Basis meiner bisherigen Suche gefallen würden. Nach unzähligen Weiterleitung nach einer unendlichen Klickerei landete ich bei der Anzeige eines Chesterfield Sofas. Es war dunkelrot, ein Knopf fehlte in der Mitte, aber ansonsten war es in einem brauchbaren Zustand. Mit etwas Lederpflege und hier und da etwas Zuwendung, würde dieses Sofa wirklich einen herrschaftlichen Eindruck machen. Ich war völlig beflügelt, ja beinahe besessen, als ich die Anzeige in meine Merkliste speicherte und mir immer und immer wieder ansah. Als ich sie das erste Mal aufrief, war das Höchstgebot bei gerade einmal 21 Euro. Doch wie alles Schöne im Leben gab es einen klitzekleinen Haken – das Schmuckstück stand in Hamburg und war selbstverständlich nur für Selbstabholer vorgesehen. Ich möchte niemanden mit Einzelheiten langweilen – durch eine göttliche Fügung konnte mir ein Freund das Sofa mitbringen, das von mir für schmales Geld ersteigert worden war.
Als ich es mit einem alten Arbeitskollegen die Treppen hinaufgeschleppt hatte, nahmen wir zum ersten Mal darauf Platz, um uns von der Plackerei etwas zu erholen. Es war wundervoll und es hatte tatsächlich etwas Anmutiges. Der Moment, in dem ich mich das erste Mal auf dieses Sofa fallen ließ, glich dem, in dem die Lenor-Flasche in den Stapel gefaltete Wäsche fällt. Es fühlte sich an, als würde ich nach Hause kommen.
Es war wirklich das Möbelstück, das alles zusammenhielt, das die Blicke eines jeden Besuchers sofort auf sich lenkte, das vergessen ließ, dass die anderen Möbel vielleicht nur zweite Wahl waren. Man hatte nicht mehr den Eindruck in einem zusammengewürfelten Wohnzimmer zu stehen, sondern glaubte in einem englischen Salon der Kolonialzeit gelandet zu sein. Ich liebte dieses Sofa und es hat allerhand Geschichten mitgemacht, zu viele, um sie alle zu erzählen, zu heikel, um ins Detail zu gehen.
Dadurch, dass sich in diesem Jahr auch meine Partnerin von der Front der Gastronomie zurückgezogen hat, entwickelten sich in unserem Haushalt allerhand Luxusprobleme. Früher hatten wir uns höchstens einmal in der Woche gesehen, weil unsere Schichten so weit auseinanderlagen, dass der eine meist tief und fest schlummerte, während der jeweils andere an irgendwelchen Kölner Tresen saß und Sambuca oder Tequila trank. Es war eine verrückte Zeit und seitdem wir ein spießbürgerliches Otto-Normal-Leben führen, stören uns Dinge, von denen wir vor einem Jahr nicht einmal geträumt hätten. Nach getaner Arbeit, wenn die Wohnung blitzt und meine Kolumne fast fertig geschrieben ist, zieht es uns zum Beispiel immer einmal wieder vor die berühmten Streaming-Dienste. Mit einem Glas Wein und unserer neuen Serie kann das Wochenende kommen, sollte man meinen. Doch vor einigen Wochen schockte meine Freundin mich mit den Worten: „Helge, wir brauchen eine neue Couch“.
Moment mal. Na gut – alleine ließ es sich auf dem Sofa ganz anständig lümmeln, von wirklicher Gemütlichkeit kann man bei Ledersofas ohnehin nur begrenzt sprechen. Zu zweit war es wirklich relativ eng, besonders, wenn man bedenkt, dass man sich nicht gerade wie in der Kirche hält, wenn man vor dem Fernseher hängt, mit geradem Rücken und herausgestreckter Brust. Zugegeben, vielleicht musste man sich nach einem solchen Fernsehabend ab und an etwas einrenken und strecken, aber war es wirklich so schlimm? Oh Gott, sie hatte einmal wieder recht. Wir brauchten eine neue Couch.
Eine neue zu finden war prinzipiell kein großes Problem – wir fanden ein Ecksofa, das unseren Ansprüchen in Punkto Gemütlichkeit und Aussehen genügte. Aber was sollte aus meinem geliebten Chesterfield Sofa werden? Es verkaufen und loswerden? Niemals!
Für diesen Cocktail kochen wir uns einen Süßkartoffelsirup – aber keine Sorge, es ist nicht so verrückt, wie es vielleicht klingen mag. Die Lila Süßkartoffel hat eine interessante Süße und einen etwas mehligen Geschmack, der sich allerdings nicht in unserem Sirup wiederspiegeln wird. Wir nehmen 200 ml gefiltertes Leitungswasser, geben 150g Zucker und circa 150 g, geschälte, gewürfelte Süßkartoffel dazu. Alles wird auf kleiner Flamme zum Köcheln gebracht. Wenn die Süßkartoffelstücke weich sind, pressen wir vorsichtig mit einem Kartoffelstampfer alles etwas kleiner. Wir wollen hier nicht zu übereifrig sein – der Sirup sollte am Ende immer noch klar sein, wenn er auch eine abstruse lilane Farbe angenommen hat. Gesiebt wird das Ganze durch eines unserer wundervollen Better Food Passiersiebe (ich habe zum Beispiel die BOS FOOD Art. Nr. 18153 zuhause). In einer sauberen Flasche hält sich der Sirup einige Wochen im Kühlschrank. Wenn er abgekühlt ist, kann das Ganze losgehen. In ein Rührglas mit Eiswürfeln geben wir 3 cl des Beefeaters, 2 cl Süßkartoffelsirup, 2 cl Campari, 2 cl des Ruby Ports und 1 cl Limettensaft. Zum Schluss kommt noch ein Dash Orangenbitter dazu. Jetzt wird das ganze mit einem Barlöffel circa 30 Sekunden kaltgerührt. Mit einem Strainer wird der Drink in eine vorgekühlte Champagnerschale gegeben.
„Habe ich dich richtig verstanden, du möchtest ein Sofa in dein Büro stellen?“, fragte mich der Personalchef mit hochgezogenen Augenbrauen und tiefer, ungläubiger Stimme.„Auf das Wesentliche heruntergebrochen: Ja. Wäre das okay?“, fragte ich, als wäre es das normalste der Welt, als hätte ich ihn nur gefragt, ob es ihn stören würde, wenn ich das Fenster für einige Minuten öffne. Ich erinnere mich nicht genau, was er geantwortet hatte. Es war offenbar in Ordnung für ihn, vielleicht war es ihm auch gleichgültig. Ich hatte jedenfalls seine Erlaubnis bekommen, wahrscheinlich, weil er glaubte, dass in unserem Büro ohnehin Hopfen und Malz verloren sei. Verständlich, wenn man den Plüsch-Mammut-Kopf mit einer Kapitänsmütze an der Wand sieht, gegenüber von meiner Minibar, dem Glückslabor oder dem Altar, wie er hier gerne genannt wird.
Nun ist das Sofa hier, in der Grünstraße im friedlichen Meerbusch. Ich frage mich, was der Vorbesitzer des Sofas wohl denken mag, der Hamburger, wenn er diesen Artikel liest. Aber das wird er wahrscheinlich nicht. Er sitzt mit seiner Freundin vor dem Fernseher auf einem gemütlicheren Sofa, einem, auf dem man lümmeln und entspannen kann, seitdem er sich von diesem trennen musste.
Sein Personalchef hatte wohl damals nein gesagt.
Auf die verrückten Geschichten,
der heilige Helge
Zutaten bei BOS FOOD zu bestellen: 3 cl Beefeater Gin 47% (Art. Nr. 39677) • 2 cl Lila Süßkartoffel Sirup • 2 cl Campari Bitter (Art. Nr. 38780) • 2 cl Graham’s Fine Ruby Port (Art. Nr. 27161) • 1 cl Limettensaft (frisch oder Art. Nr. 26327) • 1 Dash The Bitter Truth Orange Bitters (Art. Nr. 25943)