Manchmal bekommt man für einen Moment einmal eine etwas andere Sicht auf die Krise. Hat es nicht etwas „Geschmäckle“, wenn gut bezahlte Politiker mit ihren Maßnahmen Millionen von Menschen in große Probleme stürzen und dann gut bezahlte und unkündbare TV-Journalisten und -Moderatoren darüber nicht nur berichten, sondern das Ganze auch noch instrumentalisieren, um ihre Karrieren zu befördern – immer mit einem kleinen, lockeren Späßchen zwischendurch?
Es wird am 7. März vermutlich noch lange nicht zuende sein. Wenn ich die Gedankengänge von Armin Laschet einmal etwas überspitzt aufnehme, dann hat er gesagt: Also, wir werden uns dann vor dem 7. März treffen und dann werden wir Perspektiven entwickeln. Danach werden wir uns vor Ostern wieder treffen und beschließen, wann wir diese Perspektiven konkretisieren wollen, damit wir etwa gegen Pfingsten zu Beschlüssen kommen, wann und in welchen Stufen ab September die Gastronomie bis spätestens Weihnachten wieder geöffnet werden kann. Aber – allen Ernstes: es klingt immer noch nicht so, als ob man bei dem Treffen vor dem 7. März Konkretes und Detailliertes beschließen will, sondern nur pauschal darüber nachdenkt, bei welchen Inzidenzwerten denn was geöffnet werden kann. Davon, dass die Gastronomie „dran“ ist, ist nach wie vor nicht die Rede. Da haben sich möglicherweise die Verbände beim Treffen mit dem Wirtschaftsminister wieder komplett einseifen lassen.
Die Pauschalisierungen müssen aufhören!
Immer noch wird hartnäckig von „der“ Gastronomie geredet, als ob es dabei keine riesigen Unterschiede gäbe. Über die möglichen Motivationen der Verbände habe ich hier schon geschrieben. Was die Verfechter eines pauschalen Begriffs von „Gastronomie“ allerdings nicht beachten, ist, dass die Pauschalisierungen zu schwerwiegenden Nebeneffekten führen. Im Moment geistern zum Beispiel wieder Zahlen einer wissenschaftlichen Untersuchung durch die verschiedenen Medien, bei denen die unterschiedlichen Reproduktionswerte eine Rolle spielen. Es wird also angegeben, wie hoch das Risiko ist, dass sich in bestimmten Zusammenhängen Ansteckungen ergeben. In dieser Tabelle liegt „die“ Gastronomie mit einem Wert von 2,5 wieder weit hinten, also da, wo das Risiko, dass es zu Ansteckungen kommt, besonders groß ist. Ein von Corona befallener Gast steckt demnach in der Gastronomie, 2,5 weitere Gäste an. Das ist in dieser Pauschalisierung blanker Unsinn und ein schwerer statistischer Fehler, der sehr schwerwiegende Auswirkungen haben kann.
Wir brauchen keine Perspektiven, sondern Lösungen, und zwar unter welchen Voraussetzungen welche Art von Gastronomie möglich ist
Wer allein auf Perspektiven zur globalen Öffnung der Gastronomie setzt, wird nicht nur zeitlich ganz nach hinten rutschen, sondern auch verhindern, dass zum Beispiel bestens vorbereitete und ausgerüstete Restaurants früher öffnen können. Statt globaler „Perspektiven“ brauchen wir ganz konkrete und gestaffelte Angaben darüber, unter welchen Voraussetzungen welche Art von Gastronomie wieder öffnen darf. Und da muss ein Unterschied zwischen der Bierschwemme in einem Bahnhofstunnel und den vielen Restaurants gemacht werden, die durchaus über die räumlichen Möglichkeiten verfügen, einen weitgehend sicheren Betrieb zu realisieren. Es muss auch Unterschiede zwischen denen geben, die bereit und in der Lage sind, große Investitionen zu tätigen, um das Risiko eines Besuchs zu minimieren. Wer diese Unterschiede nicht sieht und anerkennt, fällt nicht zuletzt allen in den Rücken, die jetzt schon solche Investitionen getätigt haben.
Bei den gestaffelten Voraussetzungen muss es das Ziel sein, sofort bei einem stabilen Inzidenzwert von unter 50 eine Öffnung derjenigen Gastronomie zu erlauben, die von den Abständen, vom Raumvolumen und von der technischen Ausstattungen durch Filteranlagen her dazu in der Lage sind, sofort zu öffnen. Das betrifft bei weitem nicht nur die besonders guten Restaurants, sondern auch viele andere, die über die entsprechenden Möglichkeiten verfügen. Die weiteren Öffnungen kann man an einen niedrigeren Inzidenzwert koppeln und/oder vom Grad der Ausstattung abhängig machen.
Ein kritischer Blick auf Schwachstellen
Ich will an dieser Stelle nicht verheimlichen, dass ich zwischen den Lockdowns Szenen in der Gastronomie erlebt habe, die mich dazu gebracht haben, ein Restaurant sofort zu verlassen oder gar nicht erst zu betreten. Hier ein paar sicher nicht untypische Beispiele:
– wir kamen in ein Restaurant, in dem wir einen möglichst ruhigen Tisch haben wollten. Man setzte uns in einen niedrigen, voll besetzten Raum, in dem zwar die 1,5 Meter-Abstände stimmten, an den Tischen aber Vierer- und Sechser-Gruppen saßen, die sich lebhaft unterhielten. Die Luft wirkte stickig, und es war laut von genau der Art zu sprechen („Pressen“), die man unter Corona-Bedingungen nicht kultivieren sollte. Wir sind gegangen.
– in einem anderen Restaurant mit angeschlossener Weinhandlung hatten wir eigens bei einer Vorbesichtigung um einen Tisch in der Weinhandlung gebeten. Den bekamen wir auch, aber direkt neben einer großen Tafel, in der sich mit uns eine Gruppe von 12 Gästen laut lachend und geradezu schreiend niederließen. Auch das war uns zu gefährlich.
– in einer deutschen Großstadt machten wir nach einem sehr sicher wirkenden Essen in einem Gourmetrestaurant eine abendliche Runde. Gleich um die Ecke gab es ein französisches Restaurant, das absolut überfüllt war. Auch hier stimmten die (im grunde lächerlichen) 1,5 Abstand zwischen den Tischen, aber alle Tische waren mit vier Personen besetz, ohne Trennwände und mit viel hektischen Bewegungen zwischen den Tischen. Das Bild war geradezu bizarr: die Formalitäten waren erfüllt, das Ergebnis lächerlich.
– an anderen Stellen gab es diverse Beispiel für die Unsinnigkeit der Abstände und Trennwände unter Aerosol-Aspekten. Es gab Tische, die mit einer Plastikwand halbiert waren, an denen die Gäste aber quasi Schulter an Schulter saßen. In verschiedenen, offensichtlich komplett vollen Restaurants hatte man wegen der Dichte der Besetzung ein unter Corona-Aspekten ein absolut kontraproduktives Bild. Die Ursache war hier offensichtlich neben den Abständen und den Trennwänden auch, dass immer mehr als zwei Personen an einem Tisch saßen. Tatsächlich saßen an keinem Tisch zwei Personen.
Wenn der Politik solche Bilder vorschweben, wenn die Pauschalsierungen aufgrund solch mangelhaft geplanter Maßnahmen entstanden sind, muss dringend bei den sachlichen Gegebenheiten für eine Öffnung nachgebessert werden.
Lieber Hr Dollase, jetzt haben Sie einige Extrem Beispiele genannt, die so natürlich nicht gehen. Aber, ich bin der Meinung, daß die Gastronomie bald öffnen soll. Bei meinem Lieblings Gastronom, Altes Dorf in Herten Westerholt, stimmt die Hygiene Massnahme aufs I Tüpfelchen.
Millionen Jobs stehen auf dem Spiel.
Mfg
Jochen KOLAKOWSKI
Millionen Jobs stehen auf dem Spiel, wenn das „es ist ein wenig besser, alles schnell auf“, „die Ansteckungen explodieren“, „wieder Lockdown“ ewig so weitergehen. Und es braucht gute und schnelle Unterstützung für alle Gastronomen, welche leiden.
Und auch wenn im Alten Dorf alles bestens ist (toll!), so gibt es genug Gastronomen, welche – meist aus Verzweiflung (das mit der staatlichen Unterstützung ist so eine Sache), manchmal aus Ignoranz) die Regeln doch eher grosszügig auslegen, und Gäste, welche sich nicht darum kümmern.
Die deutsche Gastronomie darf nicht Tirol werden! Und in Australien, Neuseeland, Singapur & Co hat es auch funktioniert, dass mit sehr konsequenten Massnahmen die Situation so unter Kontrolle kam, dass dann die Gastromie wieder dauerhaft und verlässlich öffnen konnte (und auch die Gäste wieder kamen), weshalb sollte das eigentlich hier nicht der Fall sein können?
Gute Punkte…
Und das beschreibt sehr gut jene Gäste und Gastronomen, welche dafür verantwortlich sind, dass wir nach fast einem Jahr noch immer „zu Hause sitzen müssen“…
Wie würde eine weniger pauschalierende, doch funktionierende Politik aussehen? Würden ohne Pauschalierungen solche Gäste / Gastronomen das Unheil durch vermeintlich gewonnene zusätzliche Flexibilität nicht noch vergrössern?