Aus französischen Quellen gibt es aktuell Informationen darüber, dass die Restaurants in Frankreich vielleicht ab dem 15. Juni wieder öffnen können. Dies dann allerdings progressiv, also über mehrere Wochen hinweg und nicht alle zum gleichen Zeitpunkt. Details scheint es noch nicht zu geben, aber anscheinend laufen die Diskussionen und die Planungen eindeutig in diese Richtung. Zu diesem Thema wird ohnehin hier wie dort noch viel zu klären sein.
Und da kommt dann auch die Information, dass am heutigen Freitag ein Gespräch von Alain Ducasse mit Präsident Macron geplant sei – natürlich exakt zu dem anstehenden Thema. Es ist allgemein bekannt, dass das Ehepaar Macron ein sehr gutes Verhältnis zur Spitzengastronomie hat. Schon kurze Zeit nach seinem Amtsantritt gab es ein Bild von Macron im Kreise einer großen Zahl von französischen Spitzenköchen.
Die Position von Alain Ducasse
Es gibt in Frankreich zwar Vereinigungen von Köchen und Spitzenköchen, aber nicht unbedingt eine einzige, schlagkräftige Organisation, die die Interessen der Köche nach außen hin wirksam vertreten könnte. Vielleicht braucht man so etwas ja auch nicht, weil man schließlich Alain Ducasse hat. Ducasse wird grundsätzlich gefragt, wenn es kulinarisch wirklich Wichtiges zu diskutieren gibt. Er ist in Frankreich in höchstem Maße anerkannt, und zwar sowohl bei seinen Kollegen wie in der Gesellschaft, der Kulturszene und eben auch in der Politik. Es dürfte Niemanden geben, der ein Treffen zwischen Ducasse und Macron in der Corona-Krise nicht für eine richtige und gute Sache hält.
Diese Position hat Ducasse sich erarbeitet. Zuerst ging es um eine Position wie den „besten Koch der Welt“, die nach dem Rücktritt von Joël Robuchon im Jahre 1996 frei geworden war. Als der Name Ducasse auftauchte, gab es kaum ernsthafte Gegenstimmen. Er wurde Nachfolger im Restaurant von Joël Robuchon und galt prompt nach kurzer Zeit als bester Koch der Welt (so etwas gab es damals noch…). Spätestens mit seinem „Grand Livre de Cuisine“ (mehrere Bände, ab 2001) wurde auch dem letzten Koch klar, dass hier ein Großmeister von historischen Ausmaßen am Werk ist. Im Laufe der Zeit konzentrierte Ducasse seine Arbeit stärker auf die Konzeption von Restaurants und vor allem deren internationale Verbreitung. Es entstanden aber nicht nur Gourmetrestaurants von Zwei- oder Drei-Sterne-Format, sondern auch andere Restaurants, in denen er oft eine traditionelle, bisweilen regional orientierte Küche realisierte. Er eröffnete u.a. Geschäfte, Kochschulen, einen großen Verlag, übernahm eine Buchreihe zur kulinarischen Tradition und schreibt zum Beispiel seit Urzeiten eine Kolumne in der französischen Fernsehzeitung, die im ganzen Land einmal in der Woche den Tageszeitungen beigelegt wird. Er ist also in allen möglichen Bereichen tätig und zeigt an jeder Stelle profunde kulinarische Kenntnisse. Außerdem ist er auch noch ein schneller Redner und Denker, der in Talk Shows etc. eine gute, schlagkräftige Figur macht. Man nimmt ihn ernst, und besonders viel Unsinn hat er bis auf den heutigen Tag nicht angestellt. Er ist in der Summe ein Typus von kulinarischem Alleskönner, den es so bisher noch nicht gab. Es gibt andere, die sich ähnlich entwickeln (z.B. Yannick Alléno), aber bei weitem nicht seine Bedeutung haben.
Alain Ducasse ist also mit Sicherheit der richtige Gesprächspartner für den Präsidenten. Man darf hoffen oder vielleicht sogar darauf vertrauen, dass er das Bestmögliche erreichen wird.
Haben wir eine vergleichbare Persönlichkeit zu bieten?
Seit vielen Jahren muss man immer wieder darauf hinweisen, dass eine echte, politisch-gesellschaftlich wirklich wirksame Standesvertretung speziell der Spitzenküche in unseren Landen fehlt. Auch bei uns gibt es Organisationen, aber keine, die über ein ähnliches Ansehen und eine entsprechende Bedeutung verfügt und schon gar nicht über eine Persönlichkeit, der man Einfluss zutrauen kann, weil sie sich im Gespräch mit allen gesellschaftlichen Instanzen bewährt. Und da muss man schon in die richtigen Etagen greifen, also ein Koch, der im Gespräch mit den Spitzen von Politik, Kultur und Medien nicht nur mithalten kann, sondern eine wirklich gute Figur macht. Ist so etwas bei uns in Sicht?
Auch wir haben bekannte Köche, wenn auch viele von der Art, die eher medial als kulinarisch für Aufsehen sorgen. Man muss es ganz klar sagen: Die – sagen wir: eher rustikalen Verhaltensweisen vieler medial bekannt gewordener Köche sind nicht unbedingt geeignet, sie als seriöse Gesprächspartner in schwierigen Fragen zu qualifizieren. Dazu kommt auch, dass Köche mit einer weitestgehend kulinarischen Ausbildung und Orientierung unter Umständen keine ähnlich profunden Kenntnisse in gesellschaftspolitischen und kulturellen Fragen haben. Sie müssten also in einem Umfeld bestehen, für das sie nicht so gerüstet sind, dass sie dort ernst genommen werden. Die mangelnde Akzeptanz der kreativen Spitzenküche in den Feuilletons des Landes hat auch etwas damit zu tun, dass die Köche dort längst nicht eine Position erreicht haben, die z.B. Musikern, Schauspielern oder Literaten zugestanden wird. Was also tun?
Man muss daran arbeiten und versuchen, über eine gute Organisation mit einer guten Hierarchie langsam auch Standesvertreter zu produzieren, die allen Problemen gewachsen sind. Ein Amt wie es der Vorsitz einer allseits anerkannten Vereinigung wäre, sorgt manchmal für einen guten Schub, und man sollte unbedingt versuchen, Mitstreiter zu gewinnen, die dafür sorgen können, dass sich entsprechende Qualitäten in der Führung einer solchen Vereinigung verbessern. Solche oder auch nur ähnliche Strukturen sind noch nicht zu erkennen – das sollte man sehen – ohne den Vorsitzenden diverser Teil-Organisationen zu nahe zu treten.
Lieber Herr Dollase,
das haben Sie wieder brillant elegant gemacht. Jeder weiß, welche Medienköche Sie gemeint haben, ohne deren Namen zu nennen. Wie sieht es aus mit den „Jeunes Restaurateurs“? Haben Sie die nicht auf der Rechnung? Leider gebt es die Eurotoques Deutschland nicht mehr in der früheren Form.
ich fänds ganz gut, wenn sich hier ein round table einfinden würde, zur beratung der politik, zur diskussion von ideen und möglichkeiten, zum ausloten der gastronomischen bandbreite zwischen pupasch und schwarzwaldstube: teilnehmende könnten für mich sinn ergeben mit christian bau, max strohe, jemanden von der famile finkbeiner, dem fussball-keller. gut wär ev noch ein gastrokritikfuzzi mit bissl überblick….